TV-Tipp: "Schwarze Adler"

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TV-Tipp: "Schwarze Adler"
Freitag, 18. Juni, ZDF, 23.30 Uhr 
Warnungen dieser Art gibt es normalerweise nur bei Produktionen mit exzessiven Gewaltdarstellungen. Der folgende Film, heißt es, zeige "womöglich traumatisierende Inhalte wie rassistische Beleidigungen, Übergriffe und rassistische motivierte Gewalt".

Was auf den ersten Blick übervorsichtig wirkt, entpuppt sich als absolut angebracht: Torsten Körners Dokumentarfilm "Schwarze Adler" ist eine erschütternde Chronik der Diskriminierungen, die deutsche Fußballspielerinnen und Fußballspieler mit dunkler Hautfarbe seit fünfzig Jahren erleben. Am niederschmetterndsten ist womöglich die Erkenntnis, dass sich seit damals, als Erwin Kostedde jegliche Unbefangenheit verlor, sobald er das Nationaltrikot überstreifte, nur wenig zum Besseren gewandelt hat.

Als vor gut einem Jahr die Bundesligapartie zwischen Hoffenheim und Bayern München kurz vor dem Abbruch stand, weil in der Münchner Kurve wieder eines jener unsäglichen "Hurensohn"-Transparente gegen Dietmar Hopp erschienen war, schämte sich FCB-Boss Karl-Heinz Rummenigge über das "hässliche Gesicht des FC Bayern". Vorangegangen war eine Kollektivstrafe des Deutschen Fußballbunds gegen die Fans von Borussia Dortmund. Damals gab es empörte Reaktionen, warum der DFB bei rassistischen Schmähungen nicht ähnlich hart durchgreife. Tatsächlich ist die Injurie jedoch keinesfalls beleidigender als die Diskriminierungen, die Spielerinnen und Spieler mit dunkler Hautfarbe regelmäßig erfahren müssen. Das Beispiel von Jordan Torunarigha, der im Februar 2020 beim Pokalspiel seiner Hertha bei Schalke 04 so lange rassistische Beleidigungen anhören musste, bis ihm schließlich der Kragen platzte, verdeutlicht, wie fruchtbar dieser Schoß noch ist; Körners kurzer Rückgriff auf Propagandabilder aus der Zeit des Nationalsozialismus lassen keinen Zweifel daran, wo er die Wurzel des Übels sieht.

Den Verbänden ist das alles natürlich bekannt. Aktionen von Fifa, Uefa und DFB ("Respect") weisen immer wieder auf diese Problematik hin; nahezu jeder Verein macht sich stark "against racism". Neu an Körners hundert Minuten langem Film ist die geballte Betroffenheit der Menschen, um die es geht. Sie alle treten als Kronzeugen in eigener Sache auf: Kostedde war in den Siebzigern der erste Nationalspieler, der anders aussah als seine Kollegen, was ihm offenbar nicht nur die Fans, sondern auch die Mitspieler verübelten. Shary Reeves, die später TV-Moderatorin wurde ("Wissen macht Ah!"), musste sich als Jugendspielerin vom damaligen Nationaltrainer Gero Bisanz sagen lassen, dass sie in seiner Elf keine Zukunft habe; und diese Aussage hatte offenkundig nichts mit ihrem Talent zu tun.

Aber der Fußball war und ist nur ein Spiegel der Gesellschaft. Fast alle Männer und Frauen berichten von potenziell verstörenden rassistischen Erfahrungen, die sie bereits in jungen Jahren erlebt haben. Ihre Mütter, erzählen Jimmy Hartwig (Jahrgang 1954) und Steffi Jones (1972), beide Kinder amerikanischer Soldaten, wurden als "Negerhure" beschimpft; Reeves wurde an ihrer Schule wie eine Aussätzige behandelt. Otto Addo sagt gegen Ende des Films, dass man sich irgendwann selbst so sehe, wie man von den anderen gesehen werde.

Darüber hinaus präsentiert Körner TV-Ausschnitte, für die den Verantwortlichen noch heute Schimpf und Schande gebührt, selbst wenn sich entschuldigend anmerken ließe, dass auch sie nur Kinder ihrer Zeit waren. In einer angeblichen Satiresendung aus dem Jahr 1964 wird zum Beispiel behauptet, dass "kleine Negerkinder" im Paradies erst mal weißgewaschen würden. Als die Jamaikanerin Beverly Ranger 1976 in der ARD-"Sportschau" für ihr "Tor des Monats" ausgezeichnet werden sollte, erklang zur Einstimmung das Vico-Torriani-Lied "Schön und kaffeebraun" ("…sind die Jamaica-Frau’n"). Die Redaktion hielt das vermutlich für einen gelungenen Scherz, der im Vergleich zu den Hasstiraden in den Stadien in der Tat harmlos klingt; aber natürlich gehört beides zusammen.

Wie schon zuvor bei "Die Unbeugsamen" (2021), einer Hommage an die Pionierinnen der Bonner Republik, kommt epd-Autor Körner, Verfasser ausgezeichneter Bücher unter anderem über Franz Beckenbauer, Heinz Rühmann und Götz George, auch bei "Schwarze Adler" ohne Kommentar aus. Das Wort haben einzig und allein die Betroffenen, deren Schilderungen ein bestürzendes Gesamtbild ergeben. Der abwechslungsreich gestaltete und klug konzipierte Film folgt dabei zwar einer gewissen Chronologie und erzählt auf diese Weise viel über die (west-)deutsche Geschichte, erlaubt sich aber auch Zeitsprünge oder Vorgriffe auf Aspekte, die erst später behandelt werden.

Im ersten Drittel des Films zeigt Körner immer wieder mal Werbespots für ein besonders weiß waschendes Waschmittel. Was zunächst irritiert, hat einen speziellen Hintergrund: Er hatte die Idee zu dem Projekt, als ihm auf einem Persil-Karton der Hinweis auf die Nationalmannschaft auffiel. Der abgebildete Fantasiekicker hatte eine weiße Hautfarbe, die Mitspieler waren nur von hinten zu sehen. Das war 2020. 14 Jahre zuvor war das Trikot von Patrick Owomoyela mit der Nummer 25 Gegenstand einer rassistischen NPD-Aktion ("Weiß – Nicht nur eine Trikotfarbe!"). Gleich mehrere von Körners Gesprächspartnern waren als Kinder überzeugt, dass ihre Haut heller würde, wenn sie sie nur hartnäckig genug mit Seife bearbeiteten. Produziert wurde der Film von Leopold Hoesch, dessen Firma Broadview Pictures auch die nicht minder sehenswerten Sportlerporträts "Kroos" und "Klitschko" hergestellt hat.