TV-Tipp: "Das Ende der Wahrheit"

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TV-Tipp: "Das Ende der Wahrheit"
3. Juni, Arte, 21.45 Uhr
Martin Behrens, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, stößt in seiner eigenen Behörde auf ein dunkles Netzwerk. Wem kann er noch trauen? Der klassische Stoff für einen Thrillers.

Mit dem Kinofilm "Wir waren Könige" (2014) hat Philipp Leinemann den besten Polizeifilm seit "Die Sieger" (1994) von Dominik Graf gedreht. Anschließend folgten zwei TV-Krimis sowie die Tragikomödie "Willkommen bei den Honeckers" (2017); die waren zwar sehenswert, hatten aber nicht mehr die herausragende Klasse seines Kinodebüts. Erst mit "Das Ende der Wahrheit" (2019), nun wieder nach eigenem Drehbuch entstanden, konnte er an diese Qualität anknüpfen. Da das deutsche Kinopublikum aus einheimischer Produktion mittlerweile nur noch Komödien goutiert, war die Resonanz mit nicht mal 40.000 Besuchern allerdings sehr überschaubar. Das ist ausgesprochen bedauerlich, zumal das Genre des Politthrillers hierzulande abgesehen von der "Dengler"-Reihe im ZDF (mit Ronald Zehrfeld, nach den Romanen von Wolfgang Schorlau) ohnehin ein Schattendasein fristet. Immerhin waren die Mainzer auch an Leinemanns zweiter Kinoarbeit beteiligt: Der Film ist wie schon "Wir waren Könige" eine Koproduktion der Redaktion Das kleine Fernsehspiel.

Hauptfigur der Geschichte ist ein Beamter (Zehrfeld), der gegen die eigene Behörde ermittelt. Der Film beginnt idyllisch, und das ist im Thriller immer ein böses Omen: Martin Behrens, Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, verbringt einen romantischen Morgen im Seehaus seiner Freundin. Aurice (Antje Traue) ist investigative Journalistin. Das Paar hält Beruf und Privatleben strikt voneinander getrennt, und das ist auch gut so, denn vermutlich hätte sie wenig Verständnis für seine Arbeit: Er wirbt Flüchtlinge aus Krisenregionen mit der Aussicht auf Asyl als Informanten an; wer nicht kooperiert, wird erpresst. Haben die Menschen ihren Teil der Abmachung erledigt, werden sie wieder abgeschoben. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz von BND und Verfassungsschutz will Aurice wissen, ob es stimme, dass der BND die Amerikaner mit Zieldaten für Drohnenangriffe versorge. Tatsächlich ist auf diese Weise und dank Behrens’ Informationen gerade erst einer der meistgesuchten Milizenführer im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und dem (fiktiven) Nachbarstaat Zahiristan getötet worden. Die Journalistin sammelt Material für einen Artikel über illegale Waffengeschäfte und bittet Behrens um Hilfe, doch das würde ihn seinen Job kosten; kurz drauf wird sie bei einem Terroranschlag ermordet. Ein Bekennervideo lässt das Attentat als Rache für die Ermordung des Milizführers erscheinen, aber Behrens erkennt die typische Handschrift einer Geheimdienstoperation; das eigentliche Ziel war Aurice. Nun beginnt auch der BND-Agent, unbequeme Fragen zu stellen, und stößt schließlich auf ein Netzwerk aus mächtigen Gegenspielern.

Wie es sich für einen guten Politthriller gehört, kann der Held irgendwann niemandem mehr trauen, weil sich Kollegen und Vorgesetzte als Handlanger des Bösen entpuppen. Trotzdem bekommt Behrens ausgerechnet in Gestalt des schnöseligen Krisenstableiters Lemke einen unerwarteten Verbündeten. Alexander Fehling versieht diese Rolle eines typischen Karrieristen, für die er 2019 beim Deutschen Filmpreis als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet wurde, gerade im Vergleich zur massigen Präsenz Zehrfelds mit einer eindrucksvollen Körpersprache: Lemke hat so viel Spannung wie ein Gummibaum. Die Geschichte ist dagegen ziemlich kompliziert, zumal Leinemann lange offen lässt, welche Funktion die Figuren ausüben. Die Besetzung schon allein des Behördenpersonals (August Zirner, Axel Prahl, Claudia Michelsen, Walter Kreye) ist allerdings formidabel, und die Bilder sorgen trotz eines Etats, der sich mit rund zwei Millionen Euro auf Höhe eines überdurchschnittlich gut budgetierten Fernsehfilms bewegt, immer wieder für großes Kino: Die Actionszenen können sich sehen lassen.

Das gilt nicht nur für den Anschlag, sondern auch für einen Hinterhalt im fernen Zentralasien (gedreht wurde allerdings auf Gran Canaria), als eine Abordnung des BND, darunter neben Behrens und Lemke auch der Präsident (Zirner), im fernen Zahiristan in einen Hinterhalt gerät. Die im Studio entstandenen Innenaufnahmen taucht Leinemanns bevorzugter Kameramann Christian Stangassinger mal in ein abweisendes kühles Blau, mal in ein ungesund anmutendes Giftgrün. Sehr imposant ist auch ein Blick aufs nächtliche Stadtpanorama, in dem nach dem Anschlag überall Blaulicht flackert. Die See-Einstellungen zur blauen Stunde, die die Klammer des Films bilden, haben Kalenderbildqualität. Handwerklich bewegt sich "Das Ende der Wahrheit" ohnehin auf höchstem Niveau, auch der Schnitt (Max Fey) ist nicht nur wegen der spannungssteigernden Parallelmontagen ausgezeichnet. Endgültig zu einem Ausnahmefilm wird der Thriller durch das Ensemble, zumal Leinemann auch für winzige Rollen große Namen gewinnen konnte, allen voran Thomas Thieme als "Planespotter", der Behrens auf die richtige Spur bringt. Viel besser kann man so einen Film nicht inszenieren.