App statt Gemeindebrief

Gemeindeleben mit App organisiert auf dem Land
© epd-bild/Ulf Weber
Ulf Weber, Pfarrer der evangelischen Gemeinde Schmalkalden-Asbach, stellt die Village App vor.
App statt Gemeindebrief
Dorfgemeinden nutzen die elektronische Kommunikation
In der Corona-Pandemie kommt auch das Dorfleben zum Erliegen. Im thüringischen Schmalkalden und in den bayerischen Orten Niederwinkling und Painten versuchen Kirchengemeinden, dem entgegenzuwirken: mit einer App.

Die Kinder sind verzweifelt. Schon seit Tagen ist Findus, ihr verschmuster Kater, verschwunden. Sollen sie "Vermisst"-Plakate mit Findus' Foto ausdrucken und sie samt Telefonnummer und E-Mail-Adresse an alle Laternenmasten der Umgebung hängen? Ihre Mutter kommt auf eine andere Idee. Sie stellt ein Foto in die "Village App" des kleinen Ortes Asbach in Thüringen und fragt, ob jemand den Kater gesehen habe. Mehr als 200 Menschen aus dem Dorf lesen den Aufruf. Und siehe da: Wenig später meldet sich tatsächlich jemand, der Findus entdeckt hat.

Eine App hilft Dörfern und Kirchengemeinden in der Corona-Pandemie.

"Village App" ist eine Entwicklung des in Marburg ansässigen Unternehmens Blue Village Innovations UG. Konzipiert für kleine und mittlere Kommunen soll die App als digitale Dorfmitte dienen, erklärt die Marketing-Verantwortliche Verena Roithmeier. Unter der Kategorie "Gruppen" können etwa Posaunenchor, freiwillige Feuerwehr und Kirchengemeinden eigene Foren gründen und sich austauschen. In der Kategorie "News" werden den Nutzern Nachrichten, etwa von der Gemeindeverwaltung, direkt auf das Smartphone oder den Computer geschickt.

Per Smartphone und am PC nutzbar

Jede Gruppe des Dorfes kann ihre Veranstaltungen unter "Events" präsentieren. Der "Marktplatz" dient als digitale Tauschbörse. Hier können Dorfbewohnerinnen und -bewohner den Nachbarn anbieten, beim Wocheneinkauf etwas für sie mitzubringen oder ihnen den Rasen zu mähen. "Das bestehende Unterstützungsnetz aus Familie und Nachbarn wird um das gesamte Dorf erweitert", erklärt Pfarrer Ulf Weber der evangelischen Kirchengemeinde Schmalkalden-Asbach, der die Einführung der App im Mai 2020 in seinem Ort initiiert hat.

Anders als in den vielen einzelnen WhatsApp-Gruppen von Kirchenvorstand bis Kirmesverein bekommen die Asbacherinnen und Asbacher nach Ansicht von Weber mit der App ein Gefühl dafür, wie lebendig die Dorfgemeinschaft ist. Bisher hätten sich 250 Personen des 1.500-Einwohner-Dorfes im Thüringer Wald bei der App angemeldet. Ein Ehepaar im Alter von 78 und 81 Jahren etwa nutzt den Kanal, um Geschichten und Legenden von Asbach zu notieren. Überhaupt stammen Schätzungen zufolge rund ein Drittel der Beiträge in Asbach von 60- bis 70-Jährigen. Die App ist sowohl per Smartphone als auch am PC nutzbar.

Pfarrei teilt virtuelle Kirchenführung in App

Bundesweit nutzen rund 40 Kommunen die Village App. Auch in acht Gemeinden in Bayern kommt sie zum Einsatz. In Painten im ostbayerischen Landkreis Kehlheim haben sich knapp 45 Prozent der 2.296 Einwohner die App installiert. Sie bekommen dort etwa kurzfristige Terminänderungen oder Sterbefälle mitgeteilt. "In Zeiten der räumlichen Distanzierung führt das die Gemeinde wieder enger zusammen", meint der katholische Pfarrer Adrian Latacz.

Die Kirche der Pfarrei St. Georg in Painten.

Wie der Obst- und Gartenbauverein oder die Feuerwehren hat auch Latacz' Pfarrei eine Gruppe in der App gegründet, in der sich Menschen austauschen und an Aktionen teilnehmen können. Im Advent nutzte die Pfarrei die Möglichkeit, um einen digitalen Adventskalender zu gestalten. Jeden Tag stellte ein anderes Gemeindemitglied einen Impuls in Form eines Textes oder Bildes online. In der Fastenzeit vor Ostern wurde zusätzlich eine virtuelle Kirchenführung organisiert.

Finanziert wird die App in Painten aus dem Gemeindehaushalt. Die Kosten dafür belaufen sich pro registriertem Benutzer und Jahr auf 3 Euro, schreibt die Kommune in einer Mitteilung. In anderen Ortschaften übernehmen Gastronomiebetriebe, die besonders von dem Angebot profitieren, die Gebühren.

"Posten praktischer als Pfarrbrief"

Die katholische Pfarrei Oberwinkling im Bistum Regensburg gehört zu den ersten Gemeinden in Bayern, die sich für die neue App interessierten. Im Januar wurde die Niederwinkling-App in der 2.860-Einwohner-Kommune gestartet, erzählt Pastoralreferentin Stefanie Leber. Bisher nutzen dort rund 670 Bewohner die Software.

Auch die Pfarrei nutzt die App im Lockdown rege, um Informationen an ihre Gemeindemitglieder zu bringen - und ihr Angebot hygienegerecht an die Gläubigen zu vermitteln. Das Kindergottesdienst-Team etwa hat eine virtuelle Schnitzeljagd für die ganze Familie entwickelt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können nun verschiedene Aufgaben in der Natur, an Wegkreuzen, Madonnenstatuen, Kapellen oder Häusern lösen. Einmal müssen sie ein Quiz lösen, das andere Mal das Detail einer Kapelle suchen und per Beweisfoto einschicken.

Und wie geht es in Oberwinkling mit der App weiter, wenn die Corona-Pandemie eines Tages überstanden ist? "Wir werden sie auch weiterhin nutzen", ist sich Leber sicher. Denn auch nach Ende von Lockdown und Kontaktbeschränkungen sei es viel praktischer, schnell einen Beitrag in die Gruppe zu posten als einen Pfarrbrief zu planen, zu drucken und verteilen zu müssen.