TV-Tipp: "Babylon Berlin"

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TV-Tipp: "Babylon Berlin"
Freitag, 9. April, 3sat, 20.15 Uhr
Als der Bezahlsender Sky im Herbst 2017 die gemeinsam mit der ARD produzierte Serie "Babylon Berlin" ausgestrahlt hat, war die Begeisterung grenzenlos. Der Preisregen mit vier Deutschen Fernsehpreisen und der Rekordzahl von 14 Grimme-Preisen war ein weiteres Signal: Hier freute sich eine ganze Branche.

Viel zu lange hatte das deutsche Fernsehen den internationalen Serientrend verschlafen. Es gab ein paar positive Ausreißer wie etwa "Weissensee", aber während Streaming-Dienste wie Amazon und Netflix ein vor allem junges Publikum zum nächtelangen Dauerglotzen verführten, hielten ARD und ZDF immer noch an ihren verstaubten Konzepten fest. Mittlerweile hat das "Erste" längst auch die dritte Staffel ausgestrahlt. 3sat wiederholt ab heute noch mal die ersten Folgen. Die Serie ist ein Spielfilm in acht Teilen, der sich für seine Geschichte ähnlich viel Zeit nimmt wie skandinavische Serien. Mit einem Budget von 40 Millionen Euro ist "Babylon Berlin" die teuerste Produktion, die je fürs deutsche Fernsehen entstanden ist.

Abgesehen davon entwickelt die Serie dank der großen Kinomusik (Johnny Klimek und Tom Tykwer) sowie einer formidablen Bildgestaltung (Frank Griebe, Bernd Fischer, Philipp Haberlandt) eine Faszination, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Das von den drei Regisseuren Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries gemeinsam geschriebene Drehbuch basiert auf dem Roman "Der nasse Fisch" von Volker Kutscher, dem Auftakt zu einem mittlerweile achtteiligen Zyklus über den Kölner Kriminalkommissar Gereon Rath, der im Berlin der späten 20er Jahre ermittelt.

Sein erster Fall trägt sich im Frühjahr 1929 zu und hat einen pikanten Hintergrund: Er ist auf der Suche nach einem "unappetitlichen" Film, bei dem der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer eine eher unrühmliche Rolle gespielt hat. Die Geschichte ist zwar weit mehr als nur ein Vorwand, um das rauschende Leben der Goldenen Zwanziger zu erzählen, dessen Ende 1929 längst in Sicht war, aber die Zeitläufte spielen natürlich eine große Rolle.

Weil die Serie auch die ökonomischen und politischen Schattenseiten jener Jahre betont, machen gerade die Kontraste den Reiz der Erzählung aus: hier der Tanz auf dem Vulkan, dort die unbeschreibliche Armut der Menschen als Vorbote der Weltwirtschaftskrise sowie die Bedrohungen von links und rechts für die noch junge Weimarer Republik.

Und mittendrin ein Polizist (Volker Bruch) aus dem Sittendezernat, der allen Intrigen und Komplotten zum Trotz versucht, ein guter Mensch zu bleiben. Wie alle anderen Figuren hütet auch Rath ein Geheimnis: Seit dem Krieg ist er ein "Zitterer" und somit für den Polizeidienst eigentlich nicht mehr tauglich. Parallel zur Suche nach dem Film, die Rath in die Untiefen der Berliner Unterwelt führt, erzählt die Serie die Geschichte von trotzkistischen Revolutionären, denen ein spektakulärer Coup gelingt.

Neben den Schauwerten und der faszinierenden Handlung imponiert die Serie durch eine Besetzung, die in der deutschen Fernsehgeschichte ihresgleichen sucht. Es gibt vier Dutzend Sprechrollen, die fast ausnahmslos namhaft besetzt sind. Herausragend neben Bruch sind dabei Peter Kurth als Oberkommissar Wolter, der den Kollegen unter seine Fittiche nimmt und ihm seine eigenen Methoden der Verbrechensbekämpfung beibringt, sowie Liv Lisa Fries als Stenotypistin in der Mordinspektion. Die hübsche junge Frau ist arm, aber sexy, außerdem ziemlich klug und wird sich nicht nur in beruflicher Hinsicht als unverzichtbar für Rath erweisen.

In weiteren Rollen wirken unter anderem Matthias Brandt als Chef der Politischen Polizei, Mišel Matičević als König der Unterwelt sowie Lars Eidinger als Industriellensohn mit, außerdem Hannah Herzsprung, Ernst Stötzner, Thomas Thieme, Benno Fürmann und Udo Samel. Sehr speziell sind auch die Auftritte der Litauerin Severija Janušauskaitė als Königin der Nacht; ihr Lied "Zu Asche, zu Staub" ist ein echter Ohrwurm. 3sat startet heute mit drei Episoden.

Die Teile vier bis sechs folgen nächsten Freitag, der Abschluss am 23. April. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat Kutschers Buch anlässlich der ARD-Premiere (2018) neu aufgelegt und um Fotos aus der Serie, Hintergrundinformationen zur Verfilmung und einem Interview mit dem Autor ergänzt (566 Seiten, 12 Euro).

Nicht minder reizvoll ist die zuvor im Carlsen erschienene Comic-Adaption von Arne Jysch ("Der nasse Fisch", 216, Seiten, 17,99 Euro). Die Graphic Novel ist ebenfalls in einer erweiterten Ausgabe neu herausgegeben worden: In einem ausführlichen Interview beschreibt der Zeichner die Zusammenarbeit mit Kutscher. Die letzten beiden Rath-Romane sind im Piper-Verlag erschienen.