TV-Tipp: "Waldgericht - Ein Schwarzwaldkrimi" (ZDF)

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TV-Tipp: "Waldgericht - Ein Schwarzwaldkrimi" (ZDF)
4.1., ZDF, 20.15 Uhr
Heute gehen die Menschen in den Wald, um Kraft zu schöpfen und Bäume zu umarmen. In früheren Zeiten waren Wälder Orte, die man lieber gemieden hat, weil hier allerlei unheimliche Bewohner ihr Unwesen trieben. Um besonders düstere Waldstücke ranken sich nach wie vor allerlei Legenden, was sich TV-Krimis immer wieder mal zunutze machen.

Das gilt seit einiger Zeit auch für den Schwarzwald, der seinen Namen den Römern verdankt; der riesige Forst erschien ihnen düster und unheimlich, weshalb sie ihn "silva nigra" nannten und lieber einen Umweg nahmen. Wenn man Anna Tebbe glauben darf, verbirgt sich hier quasi hinter jedem Baum ein Erdgeist; oder Schlimmeres. Die Drehbuchautorin heißt eigentlich Annette Reeker und ist hauptberuflich Produzentin; eine praktische Personalunion, der das ZDF unter anderem die "Taunuskrimis" nach den Romanen von Nele Neuhaus sowie die Filmreihe "Gipfelstürmer – Das Berginternat" verdankt. Mit letzteren hatte ihr erster "Schwarzwaldkrimi", "Und tot bist Du!" (2019), nicht viel gemein, mit ersteren immerhin die Tatsache, dass die Ermittlungen von einem gemischten Doppel (hier: Jessica Schwarz und Max von Thun) geführt werden. Eigentlicher Hauptdarsteller auch von "Waldgericht" ist jedoch der Handlungsort, weil Marcus O. Rosenmüller, Stammregisseur der "Taunuskrimis", und sein bevorzugter Kameramann Stefan Spreer die bei Touristen überaus beliebte Gegend von ihrer düsteren Seite zeigen. Für die Handlung gilt das nicht minder, zumal Tebbe erneut eine äußerst reizvolle Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit gelungen ist.

Der besondere Reiz der Geschichte liegt in der persönlichen Betroffenheit von Kommissarin Maris Bächle (Schwarz), auch wenn sie davon zunächst keine Ahnung hat, als sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Diener (von Thun) von der Kripo Freudenstadt eine Mordserie aufklären muss. Erstes Opfer ist ein reicher Obstbauer, der als Vogelscheuche ausstaffiert worden ist. Der Mann war ein äußerst unsympathischer Zeitgenosse, dem niemand eine Träne nachweint; unter anderem hat er einen jungen Angestellten aus Ghana (Bless Amada) wegen vermeintlichen Diebstahls gezüchtigt, was den Flüchtlingssohn automatisch verdächtig macht. Als Nächstes ertrinkt der cholerische Besitzer einer Gerberei in der eigenen Lauge, und schließlich geht der Sportanzug eines früheren Bankers in Flammen auf. In den Umgebungen der Männer findet sich eine Art Rune, die selbst dem nie um eine Antwort verlegenen Stadtarchivar Zollner (David Zimmerschied) Rätsel aufgibt. Die Umstände der Taten wecken in Bächle diffuse Erinnerungen, die im Verlauf der Handlung immer konkreter worden: Die Kommissarin war ein Findelkind. Als Achtjährige hat sie eine Weile in der Obhut einer jungen Waldfrau verbracht. Als sich Dieners 14jähriger Sohn Emil (Arved Friese) während eines Zeltlagers im Wald verirrt, begegnet auch er der mysteriösen Waldhüterin (Jeanette Hain). Tags drauf kehrt er wie verwandelt zurück: Aus dem von seinem Mitschülern gemobbten Duckmäuser ist über Nacht ein selbstbewusster Teenager geworden; und Bächle ahnt, dass die Lösung für die Morde eng mit ihrer eigenen Kindheit verknüpft ist.

Die Handlung ist gerade auch dank der vielen Brauchtümer und Schauergeschichten von mindestens der gleichen Komplexität wie "Und tot bist Du!", zumal Tebbe das Format des Zweiteilers weidlich ausnutzt. Nicht alle Nebenebenen dienen unmittelbar der Wahrheitsfindung, aber sie tragen enorm dazu bei, den Nebenfiguren Tiefe zu geben; das gilt vor allem für Nadja Bobyleva als Hintergrundrechercheurin und Robert Schupp als Rechtsmediziner Zabel. Der gebürtige Freiburger Schupp trägt seine Dialoge als einziger der zentralen Schauspieler im Dialekt vor und nutzt den speziellen Humor der Figur weidlich aus. Eindrucksvoll ist zudem die Leistung des jungen Arved Friese: Aufgrund der Wandlung Emils verkörpert er sehr glaubwürdig zwei völlig verschiedene Varianten seiner Rolle. Mysteriös und entsprechend faszinierend ist Jeanette Hain als Hüterin des Waldes, selbst wenn Rosenmüller die schweigsame Figur im ersten Teil fast durchgehend auf ihren bodenlangen schwarzen Fellmantel reduziert. Eine ganz ähnliche Rolle hat Hain zuletzt in dem ARD-Märchen vom "Starken Hans" gespielt, dort allerdings mit magischen Kräften versehen. Zaubern kann Pauline zwar nicht, aber dafür ist es umso fesselnder, wie Tebbe nach und nach die Geschichte dieser Frau erzählt, deren jugendliches Alter Ego mit der ausdrucksstarken Lorna zu Solms sehr treffend besetzt ist.

Über die ausnahmslos guten darstellerischen Leistungen hinaus ist es dennoch vor allem das Zusammenspiel von Bildgestaltung und Musik, das neben der Geschichte den großen Reiz des Films ausmacht. Dominik Giesriegl ergänzt die Aufnahmen Spreers, die den Schwarzwald zum Teil wie eine archaische Landschaft wirken lassen, ganz vortrefflich. Die Musik sorgt für eine Atmosphäre der permanenten Bedrohung, weshalb der Film trotz harmloser Bilder stellenweise recht gruselig ist; auf diese Weise gelingt es Rosenmüller, selbst bei Sonnenschein Unbehagen zu erzeugen. Für Abwechslung sorgen immer wieder subjektive Blickwinkel aus der Perspektive von Geschöpfen, die aus Erdlöchern herausschlüpfen und über den Waldboden wuseln; dabei wird es sich vermutlich um die Erdgeister handeln, von denen neben vielen anderen abergläubischen Mysterien regelmäßig die Rede ist. Den zweiten Teil zeigt das ZDF morgen um 20.15 Uhr.