TV-Tipp: "Wiener Blut"

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TV-Tipp: "Wiener Blut"
2. November, ZDF, 20.15 Uhr
Der Titel mag für einen Krimi nicht sonderlich originell sein, aber die Geschichte und die Figuren sind es umso mehr. Dafür steht in erster Linie Martin Ambrosch, der sämtliche Drehbücher für die ZDF/ORF-Reihe "Spuren des Bösen" mit Heino Ferch geschrieben hat.

Heldin von "Wiener Blut" ist eine Staatsanwältin mit ägyptischen Wurzeln. Fida Emam (Melika Foroutan), gebürtige Wienerin, lebt mit Mutter und Tochter in einem Drei-Generationen-Haushalt, der auch aus einer Komödie stammen könnte: Mutter Afifa, von Charlotte Schwab mit Racke-rauchzart-Stimme und spürbar großer Freude an ihrer Rolle verkörpert, ist eine verbitterte Trinkerin, die ihrer Karriere als weltweit gefragter Geigerin nachtrauert. Tochter Aline (Noelia Chirazi), säkulär erzogen, hat sich in einen jungen Moslem verliebt und von ihm indoktrinieren lassen; neuerdings trägt sie Kopftuch und verteilt den Koran. In den Büchern findet Fida den Stempel eines islamischen Kulturvereins, der sich als Brutstätte des Islamismus entpuppt.

Parallel dazu erzählt Ambrosch eine zweite Geschichte, die mit der ersten zunächst nichts zu tun hat: Der Polizist Markus Glösl (Harald Windisch) ruft Fida zu einer Donaubrücke, von der die Leiche eines Mannes baumelt. Der Ermittler ist überzeugt, dass der Schein trügt, und die Obduktion besättigt seine Vermutung: Der Mann wurde erst erdrosselt und dann aufgehängt. Er hat für die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA gearbeitet und war einer Geldwäsche in großem Stil auf der Spur: Stefan Meer (Harald Schrott mit Schmiss auf der Wange), Eigentümer einer Privatbank und bestens in der Politik vernetzt, hat ein Haus zu offenkundig völlig überteuertem Preis gekauft; Verkäufer war der islamische Kulturverein. Auf diese Weise kommen Glösl und die Staatsanwältin einer unheiligen Allianz auf die Spur: Der nationalkonservative Banker fürchtet eine Unterwanderung Europas durch Islamisten, was ihn nicht davon abhält, mit dem Leiter des Kulturvereins (Stipe Erceg) gemeinsame Sache zu machen, um die liberalen Eliten zu beseitigen. Ein Anschlag mit vielen Opfern soll dafür sorgen, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippt; und ausgerechnet Aline ist dazu erkoren, als Selbstmordattentäterin mitten im Hauptbahnhof eine Bombe zu zünden.

Die Handlung ist derart komplex, dass sie auch das Zeug zum Zweiteiler gehabt hätte. Die Konstellation der Figuren lässt ohnehin darauf hoffen, dass ZDF und ORF noch weitere Geschichten mit Fida Emam erzählen, zumal auch ihr Privatleben Stoff für eine (bislang allerdings nicht geplante) Fortsetzung enthält: Die Juristin hat seit 15 Jahren ein Verhältnis mit einem Richter (Martin Niedermair) am Obersten Gerichtshof, er ist der Vater von Aline. Aber nun bekommt er Konkurrenz: Schon bei der ersten Begegnung mit Ferdinand Mahler (Florian Stetter), einem Kollegen des Mordopfers, bringt die verwirrte Fida kaum noch einen geraden Satz heraus. Bei einem Besuch Ferdinands in der Wohnung von Familie Emam hält sich Mutter Afifa ausnahmsweise zurück, aber ihre Blicke sprechen Bände. Ansonsten beschert Charlotte Schwab dem Film mit ihren mal süffisanten, mal sarkastischen Bemerkungen ein komisches Element, das in reizvollem Kontrast zur Thriller-Handlung steht. Eine weitere schillernde Figur in diesem vorzüglich besetzten Film wird von Florian Teichtmeister verkörpert: Er spielt einen Sektionschef aus dem Innenministerium, der aus dem Caféhaus heraus seine Intrigen organisiert und dafür sorgt, dass die Staatsanwältin nicht gegen Meer vorgehen darf.

Gerade zum mit großem Aufwand gefilmten Finale, als Fida den Plan der Islamisten in letzter Sekunde durchkreuzen will und dabei selbst in Lebensgefahr gerät, entwickelt "Wiener Blut" nicht zuletzt dank der Musik von Johannes Vogel eine enorme Spannung. Auch zuvor setzt der Komponist immer wieder interessante Akzente, indem er nicht nur den titelgebenden Walzer, sondern auch die Klassikwerke, die Mutter Afifa hört, in seine Filmmusik einbaut. Melika Foroutan hat sich ebenfalls akustisch gut integriert: Für eine Frau, die im Rheinland aufgewachsen ist, spricht die gebürtige Iranerin ein durchaus glaubwürdiges Wienerisch. Regie führte Barbara Eder, die zuletzt mit dem zweiteiligen ZDF-Thriller "West of Liberty" (2019, mit Wotan Wilke Möhring) einen Abgesang auf klassische Heldenfiguren gedreht hat. Zuvor hat sie mit "Virus" (2017) und "Her mit der Marie!" (2018) zwei vorzügliche Beiträge für den "Tatort" aus Wien inszeniert.