EKD-Kulturbeauftragter kritisiert Debatte um schwarze Krippenfigur

Johann Hinrich Claussen
©epd-bild/Patrick Piel
Der EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen hat in der Debatte um die schwarze Krippenfigur in Ulm zur Sachlichkeit aufgerufen.
EKD-Kulturbeauftragter kritisiert Debatte um schwarze Krippenfigur
Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hat in der Debatte um die schwarze Krippenfigur in Ulm zur Sachlichkeit aufgerufen. Die mediale Erregung darüber sei "abseitig und völlig überdreht".

Dagegen sei die Entscheidung der Kirchengemeinde des Ulmer Münsters, nun in Ruhe über den Umgang mit der Figur des Königs Melchior nachdenken zu wollen, klug und vernünftig. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst warnte der EKD-Kulturbeauftragte im Umgang mit heute anstößigem historischen Erbe generell vor Überreaktionen.

Die drei Könige mit der umstrittenen Melchior-Figur der Krippe im Ulmer Münster.

Im Ulmer Münster werden die "Heiligen Drei Könige" dieses Jahr nicht wie üblich vor Weihnachten in der Krippe aufgestellt. Die darin enthaltene Melchior-Figur sei mit ihren wulstigen Lippen, ihrer Körperfülle und ihren Goldreifen an den nackten Fußknöcheln so geschaffen, dass sie rassistisch geprägte Stereotype anspreche, so der Ulmer evangelische Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Dies hatte eine Debatte darüber ausgelöst, ob die Darstellung des Königs klischeehaft oder diskriminierend ist.

Anstößigkeiten aushalten

Ältere Kunst entspreche "nicht immer unseren heutigen Wertvorstellungen", sagte Claussen. Man müsse sich den "Anstößigkeiten aussetzen, das ist immer lehrreich. Wir dürfen diese nicht ausradieren, sondern müssen uns dazu in ein reflektiertes Verhältnis setzen." Beispiel in den Kirchen sei etwa die für Juden abwertende Gegenüberstellung von Kirche und Synagoge, "auch ein klassisches Motiv der mittelalterlichen Kunst".

Die Figur des Königs sei vor 100 Jahren zu einer Zeit erschaffen worden, als man oftmals noch gar keine eigene Anschauung von schwarzen Menschen hatte, fügte Claussen hinzu. Deshalb sei sie so karikaturenhaft geraten. Das mag früher kein Problem gewesen sein, "heute aber gibt es in der Gemeinde und in der Stadt Ulm viele Menschen, die schwarz sind. Da stellt sich die Frage, ob solch eine Krippenfigur die Andacht fördert oder stört." Generell müssten Betroffene bei solchen Fällen immer mit eingebunden werden, das "passiert aber schon in Kirchen oder Museen, die sich mit ihren kolonialen Gegenständen auseinandersetzen müssen".

Traditionen sind nicht mehr bekannt

"Großer Schwachsinn aber ist, dass einige Medien versuchen, aus der Ulmer Geschichte einen Skandal zu machen, und aufgeregt berichten, dass an Heilig Abend in Ulm die Weihnachtsgeschichte nach Lukas gelesen wird, weil darin die Heiligen Drei Könige nicht vorkommen", so Claussen. An Heilig Abend werde aber immer die Weihnachtsgeschichte nach Lukas vorgelesen, "die nach Matthäus ist erst am 6. Januar dran". Diese "politisch inkorrekte Überreaktion" zeige nur, dass die "meisten Menschen, sogar vermeintlich konservative, mit christlichen Traditionen gar nicht mehr vertraut sind und deshalb beim kleinsten Kram durchdrehen".

Obwohl immer von den Heiligen Drei Königen gesprochen wird, ist in der Bibel nicht von ihnen die Rede. Das Matthäus-Evangelium überliefert, dass Weise oder Sterndeuter aus dem Morgenland zur Krippe kamen, um Jesus anzubeten. Dass es sich um drei gehandelt haben soll, wurde aus der Zahl und der Kostbarkeit der Geschenke - Gold, Weihrauch und Myrrhe - abgeleitet. Die Namen Caspar, Melchior und Balthasar erhielten die drei "Könige" wohl um das 8. Jahrhundert herum. Später wurde einer von ihnen, oft Caspar, mit dunkler Hautfarbe dargestellt.