TV-Tipp: "In Wahrheit: Jagdfieber"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "In Wahrheit: Jagdfieber"
12. September, ZDF, 20.15 Uhr
Es ist ein Alptraum: Finster entschlossen stapft ein Mann durchs Feld auf ein Haus zu, legt sein Jagdgewehr an und schießt; zwanzigmal. Später stellt sich raus, dass infolge der Schießerei eine Frau gestorben ist; offenbar ein furchtbares Versehen. Der Mann sieht ohnehin nicht wie der klassische Krimimörder aus.

Tatsächlich entpuppt sich Wolfgang Abeck (Joachim Król) mehr und mehr als tragische Figur dieser Geschichte: Vor drei Jahren hat seine Tochter mit zwei Männern einen ausgelassenen Abend verbracht. Es ging um Sex, Drogen und sehr viel Alkohol. Als die Männer am nächsten Morgen erwachten, war Nadine Abeck nicht mehr ansprechbar. Seither lag sie im Koma; kürzlich ist sie gestorben. Vater Wolfgang will, dass der Fall noch mal aufgerollt wird. Juristisch scheint das aussichtslos. Die beiden Männer, André Collmann (David Rott) und Robert Haffner (Tristan Seith), standen damals zwar wegen unterlassener Hilfeleistung vor Gericht, konnten sich aber angeblich an nichts erinnern und sind aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, zumal der Sex offenkundig einvernehmlich war. Damit Judith Mohn (Christina Hecke) trotzdem ermittelt, hat Abeck seiner Forderung Nachdruck verliehen: erst mit der Schießerei, bei der auf denkbar unglückliche Weise Collmanns Frau gestorben ist, dann mit der Entführung von Haffner. Er setzt der Kommissarin aus Saarlouis ein Ultimatum von 72 Stunden, dann wird er den Mann erschießen; zu verlieren hat er ohnehin nichts mehr, selbst wenn die ältere Tochter Tanja (Barbara Prakopenka) nach wie vor bedingungslos zu ihrem Vater hält.

Das klingt nach einem packenden Thriller-Stoff, aber Thomas Roth erzählt die Geschichte trotz vereinzelter spannender Szenen vergleichsweise gelassen, was auch dem Duktus der drei bisherigen Episoden der saarländischen ZDF/Arte-Reihe „In Wahrheit“ entspricht. Der österreichische Regisseur hat diverse ausnahmslos sehenswerte Beiträge zu Krimiformaten wie „Der Kommissar und das Meer“, „Spreewaldkrimi“ und „Kommissar Dupin“ gedreht. Seine Filme leben vor allem von der Atmosphäre, der Arbeit mit den Schauspielern, einer stets sorgfältigen Bildgestaltung (hier kommt noch die gute Musik von Johannes Brandt dazu); und gern auch von besonderen Geschichten. Das ist bei „Jagdfieber“ nicht anders: Die Handlung – das Drehbuch schrieb Roth gemeinsam mit Fabian Thaesler – nimmt schließlich eine völlig unerwartete Wendung, als Mohn klar wird, dass mindestens noch eine weitere Person an dem nächtlichen Gelage beteiligt war; und dass es keineswegs um unterlassene Hilfeleistung, sondern um Mord geht.

Geschickt sorgt Roth dafür, dass die Sympathien unmerklich wechseln: Witwer Collmann, anfangs Opfer, erscheint zunehmend als potenzieller Täter. Abeck wiederum, immerhin ein Mörder (wenn auch nicht im juristischen Sinn), wandelt sich vom Täter zum Getriebenen, was auch viel mit dem vielschichtigen Spiel von Joachim Król zu tun hat; Abecks väterliche Verzweiflung lässt sich jedenfalls jederzeit gut nachvollziehen. Andere Figuren sind dagegen eher Mitläufer. Es ist zwar schön, dass Rudolf Kowalski als pensionierter Kommissar auch im vierten Film weiter mitwirken darf, aber letztlich beschränkt sich das darauf, immer wieder mal vorbeizuschauen. Ähnlich unterfordert ist Jeanne Goursaud als Mohns Kollegin Lisa: Sie darf zwar allerlei Recherchearbeit erledigen, aber im Grunde muss die junge Schauspielerin dabei bloß gut aussehen, was ihr allerdings vortrefflich gelingt. Christina Hecke kann die Filme zwar problemlos alleine tragen, aber für eine Rolle als reine Stichwortgeberin ist Goursaud viel zu schade.

Deutlich wichtiger für die Handlung ist Jean-Yves Berteloot, auch wenn der französische Weinhändler Jérôme  Lambert zunächst bloß wie ein Wiedergänger aus Mohns Vergangenheit wirkt. Die beiden haben sich einst nicht im Guten getrennt, aber jetzt verdankt die Polizistin ihrer Jugendliebe den entscheidenden Hinweis zur Lösung. Und während alte Rechnungen im Krimi sonst meist eine Bedrohung darstellen, sorgt Lambert mit der Begleichung seiner Schuld für einen derart versöhnlichen Schluss, dass einer Weiterbeschäftigung Berteloots nichts im Wege steht; es wird ohnehin Zeit, dass das Privatleben der Kommissarin ein bisschen Schwung bekommt.