TV-Tipp: "Kommissarin Heller: Herzversagen"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Kommissarin Heller: Herzversagen"
15.8., ZDF, 20.15 Uhr
"Kommissarin Heller" ist regelmäßig sehenswert, aber "Vorsehung", der achte Film der Reihe, war nicht zuletzt wegen der reizvollen Verknüpfung von Fall und Schicksal herausragend. Titelheldin Winnie Heller (Lisa Wagner) musste erstmals ohne ihren langjährigen Partner Verhoeven ermitteln, der aber dennoch auf wundersame Weise präsent blieb.

Der neunte und bislang letzte Film, "Herzversagen" (eine Wiederholung aus 2019), emanzipiert sich endgültig von den Romanvorlagen Silvia Roths ("Heller und Verhoeven"), in denen der Partner eine ungleich prägendere Rolle spielt als in den Filmen. Erneut gelingt es Mathias Klaschka in seinem siebten "Heller"-Drehbuch, die Ermittlungen perfekt mit den Ereignissen auf der persönlichen Ebene zu kombinieren, zumal sich diese beiden Perspektiven bei Heller ohnehin kaum trennen lassen. Außerdem stellt er der Polizistin eine neue Mitstreiterin zur Seite, und auch das ist spannend. Es war schon eine Herausforderung für Heller, sich mit einem männlichen Partner zu arrangieren, aber mit einer Frau?

Zu allem Überfluss ist Hauptkommissarin Isabel Voigt (Lavinia Wilson) vom LKA weisungsbefugt. Da Heller ein alles andere als schmeichelhafter Ruf  vorauseilt, erkundigt sich Voigt vorsorglich bei der Kollegin, ob sie ein Problem mit Hierarchien habe. Hat sie nicht, behauptet sie keck, und das ist ein weiterer Einfall, der die Freunde der Reihe entzücken wird: Die notorische Einzelgängerin gibt sich nach einer stationären Therapie plötzlich ganz handzahm, hat für jeden im Revier ein nettes Wort und besucht sogar den Bowlingabend des Kommissariats. Amüsiert stellt Voigt fest, dass sich im Buchumschlag "Alice im Wunderland" ein Ratgeber verbirgt ("Endlich beliebt"). Später stellt sich zwar raus, dass der Sinneswandel keineswegs das Ergebnis einer grundlegenden Veränderung ist, aber dem Vergnügen, eine völlig neue Winnie Heller zu erleben, tut das keinen Abbruch.

Angesichts einer derart ausführlichen Beschäftigung mit der Persönlichkeitsstruktur der Heldin würde sich anderswo die Frage stellen, ob der eigentliche Fall nicht zu kurz kommt, aber auch dafür finden Klaschka und Regisseurin Christiane Balthasar, die bis auf eine Ausnahme alle Episoden der Reihe inszeniert hat, genau die richtige Lösung: Es ist die berufliche Ebene, die den roten Faden der Geschichte bildet. Der Fall ist nicht spektakulär, aber interessant: Der verurteilte Vergewaltiger Dirk Köster hat einen JVA-Mitarbeiter getötet und ist geflohen. Die Lebensgefährtin des Verbrechers weiß angeblich von nichts. Zwischenzeitlich verdächtigen die beiden Polizistinnen die Gefängnisdirektorin und die Anstaltspsychologin, die dem Vergewaltiger eine positive Prognose gestellt hat, aber natürlich ist die Flucht von einer völlig anderen Person eingefädelt worden. Am Ende kommt es zu einem dramatischen Finale, bei dem sich zeigen muss, ob Hellers Ausflug in die Empathie bloß ein vorübergehendes Phänomen war.

Das klingt nach handelsüblichem Krimi, und tatsächlich signalisiert schon die Besetzung Kösters (Karsten Mielke), dass der Mann nicht zum großen Gegenspieler avancieren wird, sonst hätte Balthasar einen prominenten Schauspieler für die Rolle gewählt. Die kriminalistische Ebene lebt vor allem vom Zusammenspiel der beiden divergenten Ermittlerinnen, zumal die medizinische Ursache für Hellers Sozialverträglichkeit gefährliche Nebenwirkungen hat: Ohne Vorwarnung steckt die Kommissarin plötzlich in einer Zeitschleife; eines dieser Ereignisse hat zur Folge, dass die Kollegin angeschossen wird. Zum Glück ist Hellers Dasein als guter Mensch nicht von Dauer, denn als Grenzgängerin ist die Figur natürlich viel interessanter: Als sie beim ersten Knastbesuch von einem Häftling bespuckt wird, wischt sie sich den Rotz stillschweigend von der Schulter. Als beim nächsten Mal ein Typ drohend die Nase hochzieht, tritt sie ihm seine Krücke weg.

Solche Rollen bleiben im TV-Krimi in der Regel Männern vorbehalten. Dass "Kommissarin Heller" eine Ausnahmestellung genießt ist, hat jedoch einen anderen Grund. Normalerweise kommen Reihen, die auf hohem Qualitätsniveau gestartet sind, irgendwann fast unvermeidlich im Fernsehalltag an. In diesem Fall ist das anders: Die Filme haben sich kontinuierlich gesteigert; gerade die letzten Episoden gehörten zum Besten, was die jeweiligen Krimijahrgänge zu bieten hatten. "Herzversagen" ist schon deshalb ein großes Vergnügen, weil Klaschka und Balthasar nicht nur die Freunde der Reihe mit vielen kleinen Präsenten erfreuen.

Das beginnt schon mit dem verblüffenden Auftakt, als Lisa Wagner wie einst Esther Williams Teil eines Wasserballetts ist; die Musik dazu, "Anything Goes" von Kate Capshaw, stammt aus der Eröffnungsszene von "Indiana Jones und der Tempel des Todes". Mit der Handlung hat dieses Intro nichts zu tun, es ist ein purer Spaß, nimmt aber immerhin in gewisser Weise Hellers Bereitschaft vorweg, sich in Gemeinschaften einzufügen. Dass sie später auf der Bowlingbahn das Kaninchen mit der Taschenuhr aus "Alice im Wunderland" sieht, ist dagegen das Resultat der unkalkulierbaren Nebenwirkungen eines Medikaments; und selbst das ist Fiktion. Einen Gruß an Verhoeven gibt es auch, als Heller wehmütig sein Namensschild betrachtet. Voigt übernimmt den Schreibtisch des Kollegen, aber zumindest noch nicht seine Rolle; Verhoeven, von Heller in "Vorsehung" so schmerzlich vermisst, dass sie ihn herbei imaginierte, war das, was in der Welt der Polizistin einem Freund am nächsten kommt. Trotzdem ist es eine gute Nachricht, dass Lavinia Wilson auch im nächsten Film mitwirken wird.