Belarussische Theologin fordert Beistand für Gewaltopfer

Belarussische Theologin fordert Beistand für Gewaltopfer
Die belarussische Theologin und Menschenrechtsaktivistin Natalia Vasilevitsch hat die Kirchen in ihrem Heimatland aufgerufen, sich für die Opfer der staatlichen Gewalt einzusetzen.
15.08.2020
epd
epd-Gespräch: Irene Dänzer-Vanotti

"Wir erwarten von Kirchenvertretern jetzt vor allem, dass sie Verfolgten beistehen", sagte Vasilevitsch, die zurzeit an der Universität Bonn arbeitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für unrealistisch hält sie jedoch die Einrichtung eines Runden Tisches, der die Wahlergebnisse ermitteln und die Zukunft des Landes planen soll, wie ihn Vertreter der Kirche in Belarus fordern. Es sei nicht möglich, dass der autokratisch regierende Präsident Alexander Lukaschenko Gespräche mit der individuell agierenden Opposition führen werde.

Die Mehrheit der Belarussen gehört der Orthodoxen Kirche an. Sie ist traditionell eng mit dem Staat verbunden. Vasilevitsch beobachtet aber auch hier ungewöhnlich unterschiedliche Meinungen: während manche Bischöfe Lukaschenko bereits zum Wahlsieg gratuliert hätten, distanzierten sich andere Geistliche auf Facebook ausdrücklich von dieser Haltung.

Aufrufe zu Gebeten für ein Ende der Gewalt

Für Sonntag haben Kirchenvertreter zu Gebeten für ein Ende der Gewalt im ganzen Land aufgerufen. In der westbelarussischen Stadt Grodno haben Geistliche nach Informationen der Aktivistin Opfer der staatlichen Gewalt besucht. Andere Geistliche nähmen mit Plakaten wie "Stoppt die Gewalt!" an den Demonstrationen teil.

Den für viele politische Beobachter unerwarteten Aufschwung der Opposition hält die Theologin für eine Folge des Umgangs der Behörden mit der Corona-Pandemie. "Da die Regierung das Virus lange geleugnet und keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hat, wurden die Menschen selbst aktiv, kauften Masken und informierten sich gegenseitig", berichtete Vasilevitsch. Die Notwendigkeit und der Erfolg dieser Selbsthilfe habe sich dann im Wahlkampf auf die Unterstützung der Kandidatin Swetlana Tichanowskaja ausgeweitet.

Der seit 1994 regierende Lukaschenko hat sich zum Sieger der Wahl vom vergangenen Sonntag erklärt, die laut EU und USA weder frei noch fair war. Die Opposition spricht von Fälschung. Oppositionskandidatin Tichanowskaja hat das Land verlassen. Bei Protesten gegen die offiziellen Wahlergebnisse setzen die Behörden Gewalt ein. Tausende Menschen wurden festgenommen und nach eigenen Aussagen misshandelt.