TV-Tipp: "Nicht tot zu kriegen"

Altmodischer Fernseher vor einer Wand
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Nicht tot zu kriegen"
10.8., ZDF, 20.15 Uhr
Mit dem Etikett "Thriller" hat das ZDF sich selbst, diesem Film und vor allem den Zuschauern keinen Gefallen getan. Die einen werden sich abgeschreckt fühlen, weil sie Hochspannung erwarten, die anderen werden aus genau diesem Grund enttäuscht sein. "Nicht tot zu kriegen" ist zwar ein Krimi, indem es auch mal ein bisschen spannend wird, aber ganz sicher kein Thriller. Dass der Film trotzdem ein Vergnügen ist, hat vor allem zwei Gründe, und beide lassen sich mit dem Namen der Hauptdarstellerin zusammenfassen.

Iris Berben wird am 12. August siebzig Jahre alt. Die ARD hat den runden Geburtstag vorgestern mit dem Selbstfindungsdrama "Mein Altweibersommer" gefeiert. Das ZDF hat sich jedoch etwas einfallen lassen, das dem Anlass viel eher gerecht wird. Das Drehbuch von Regisseurin Nina Grosse, die mit Berben bereits die ZDF-Serie "Die Protokollantin" (2018) gedreht hat, basiert auf Franz Doblers Kriminalroman "Ein Schlag ins Gesicht" (Klett-Cotta), in dem ein abgewrackter Ex-Kommissar zum Leibwächter einer alternden Filmdiva wird. Grosse hat einige nicht unwesentliche Änderungen vorgenommen (die Heldin der Vorlage ist ein früherer Porno-Star), den Film jedoch mit einer Vielzahl popkultureller Hinweise gespickt.

Dank dieser Zitate sowie den Verbeugungen vor dem München der Siebzigerjahre ist "Nicht tot zu kriegen" ein großer Spaß und natürlich auch eine Hommage an Berben, auf deren Leben und Schaffen Grosse fleißig verweist: dank diverser Fotografien sowie Ausschnitten aus längst vergessenen Filmen wie "Brandstifter"(1969) von Klaus Lemke oder "Supergirl – Das Mädchen von den Sternen" (1971) von Rudolf Thome.

Die Geschichte ist ebenfalls interessant: Die Erfolge von Schauspielerin und Sängerin Simone Mankus liegen schon eine Weile zurück; derzeit verhandelt ihr Sohn und Agent Jonas (Barnaby Metschurat) mit einem TV-Sender, um die Mutter in einem Reality-Format à la "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" unterzubringen. Immerhin gibt es die Anfrage einer weiblichen jungen Rock-Combo (verkörpert von der Band Gurr) für einen gemeinsamen Auftritt, und demnächst sollen Mankus’ Memoiren erscheinen. Ausgerechnet jetzt, wo das Comeback zum Greifen nah scheint, wird sie von einem Stalker bedroht, der ihr regelmäßig bedrohliche Präsente macht und sie auffordert, der Welt den Anblick ihres gealterten Gesichts zu ersparen.

Sie wendet sich an eine Sicherheitsfirma, die ihr einen Schutzengel schickt: Polizist Robert Fallner (Murathan Muslu) ist vorübergehend suspendiert, weil er bei einer Razzia einen angeblich unbewaffneten jungen Dealer erschossen hat. Außerdem leidet er unter der Trennung von seiner Freundin. Mit der Glitzerwelt von Simone Mankus kann er ohnehin nichts anfangen; gegen ihre verblühten Reize ist er ebenfalls immun. Seinen Job nimmt er jedoch äußerst ernst, und in dieser Konstellation liegt der eigentliche Reiz: hier die Diva, die den alten Zeiten nachtrauert, dort der verschlossene Personenschützer, der in diesen alten Zeiten herumstochert, weil er überzeugt ist, dass der Stalker einer von Simones verflossenen Liebhabern ist. Sein Favorit ist ein früherer Freund und Geschäftspartner von Jonas, Jimmy Lanz (Philipp Hochmair), der Simone schon mal verprügelt hat.

Iris Berben bietet die Rolle des Ex-Stars dank des Facettenreichtums der Figur ein umfangreiches Spektrum, das sie voll auskostet, zumal Simone ein emotionales Wechselbad erlebt. Das gilt auch für ihr mal verhärmtes, mal mondänes Erscheinungsbild. Dass ihr Stern so hell leuchten kann, liegt nicht zuletzt an Murathan Muslu. Es gibt nur wenige deutschsprachige Schauspieler mit seiner geballten physischen Präsenz, die hier noch stärker als sonst zum Tragen kommt, weil der gebürtige Wiener dem Adjektiv wortkarg eine ganz neue Bedeutung verleiht. Dass auch Fallner verletzt und verletzlich ist, gibt Muslus Spiel eine besondere Note: Er hat regelmäßig Erscheinungen seines Opfers (Mohamed Issa).

Die Krimiebene lebt natürlich von der Frage, wer der Urheber des Psychoterrors ist. Manch’ ein Zuschauer wird womöglich den Sohn verdächtigen; die Schlagzeilen rund um das perfide Spiel kämen zu Simones Comeback gerade recht. Die Fährten, die Grosse legt, sind jedoch derart falsch, dass die Auflösung, als die Diva beim Auftritt mit der Girlband sogar in Lebensgefahr gerät, ziemlich aus dem Hut gezaubert wirkt. Der Film kann sich ohnehin nicht entscheiden, ob er eher komisch oder eher spannend sein soll. Muslu und Berben sind eine ausgezeichnete Kombination, aber einige Nebenfiguren, darunter auch der reichlich kindische Jonas, lassen den Film im Zusammenspiel mit einigen missglückten Dialogen mitunter wie eine unfreiwillige Parodie wirken.