TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Familienbande" (ARD)

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TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Familienbande" (ARD)
20.3., ARD, 20.15 Uhr
Das Erstaunlichste an "Praxis mit Meerblick" ist womöglich die Kontinuität: Seit der Auftaktepisode "Willkommen auf Rügen" (2017) haben wechselnde Autoren und Regisseure die Geschichte von Ärztin Nora Kaminski (Tanja Wedhorn) weitererzählt, aber den Filmen war das nie anzusehen; im Unterschied zu anderen Reihen gab es zudem bislang noch keinen Ausreißer nach unten.

Das hat auch mit dem klug zusammengestellten Ensemble zu tun, zumal die Drehbücher dafür sorgen, dass die Nebenfiguren mehr als bloß Stichwortgeber für die Heldin sind. Den Abschluss der aktuellen Trilogie, "Familienbande", hat Anja Flade-Kruse geschrieben. Dank der vorübergehenden Wiedervereinigung des Ex-Ehepaars Nora und Peer Kaminski (Dirk Borchardt) lag der Schwerpunkt der letzten beiden Filme stärker auf dem Privatleben der Ärztin. Natürlich baggert Peer immer noch, doch diesmal rückt wieder eine medizinische Herausforderung in den Vordergrund. Der Fall gibt zwar anders als sonst keine Rätsel auf, aber dafür ist Nora als Familienhelferin gefragt: Als eine ältere Frau (Franziska Troegner) mit Nierenversagen kollabiert und ins Krankenhaus muss, stellt sich die Frage, wer sich um ihren Mann kümmert; Bodo Fischer (Jürgen Heinrich) leidet unter Demenz und kann sich nicht allein versorgen. Es gibt zwar einen Sohn (Sascha Goepel), aber der hat den Kontakt zu den Eltern abgebrochen. Als Nora ihn ausfindig macht, weil Hilde Fischer dringend eine Nierentransplantation braucht, stößt sie auf ein Drama, das die Familie vor vielen Jahren entzweit hat.

Diese Ebene der Geschichte könnte allerdings auch eine Nebenhandlung aus der ganz ähnlichen konzipierten Reihe "Die Eifelpraxis" sein. Spannender ist daher die Frage, wie es mit Praxishelferin Mandy und Noras Sohn Kai weitergeht. Es gibt zwar kaum ein abgenutzteres Filmklischee als die junge Frau, deren Übelkeit ein untrüglicher Hinweis auf eine Schwangerschaft ist, aber natürlich sorgt die Entwicklung für eine Menge Dynamik zwischen den Figuren; zumal Kai nicht der Vater ist. Das mag zwar nach typischer Soap-Handlung klingen, ist aber vortrefflich gespielt; Morgane Ferru und Lukas Zumbrock sind neben Tanja Wedhorn und Dirk Borchardt echte Einschaltgründe. Und während es anderswo gern auch mal einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen Haupt- und Nebendarstellern gibt, sorgen hier zum Beispiel Petra Kelling als Noras Vermieterin Roswitha und Michael Kind als Noras Patient und Roswithas stiller Schwarm dafür, dass die untergeordneten Handlungsstränge ebenfalls Vergnügen bereiten. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist auch die Entwicklung der Figuren; so hat zum Beispiel die Beziehung zwischen Nora und Klinikarzt Heckmann (Patrick Heyn) nach anfänglich innige Feindschaft mittlerweile einige Metamorphosen durchlaufen. Am hohen Ensemble-Niveau müssen sich natürlich auch die Episodenhauptdarsteller messen lassen. In "Familienbande" ist es vor allem Jürgen Heinrich, der sich nahtlos einfügt, zumal seine Verkörperung des hilflosen alten Mannes tiefes Mitgefühl weckt.

Regisseur der neunten Episode war Wolfgang Eißler, der immerhin in die Fußstapfen von Jan Růžička treten musste. Der renommierte Regisseur hat bislang fünf "Meerblick"-Episoden inszeniert; Eißler knüpft jedoch nahtlos an deren Qualität an. Er hat nach seinem Debüt "Berlin am Meer" (2008) vorwiegend für die ZDF-Reihe "Löwenzahn" gearbeitet und einige ARD-Märchen inszeniert, die sich nicht zuletzt durch die gute Führung der Darsteller auszeichneten; für "Die kluge Bauerntochter" wurde er 2011 mit dem Robert-Geisendörfer-Preis ausgezeichnet. Sein letzter Film war "Wenn’s um Liebe geht" (2019), ein sympathisches Gesangsmärchen mit Inez Bjørg David als Winzertochter, die als Duettsängerin entdeckt wird. Auch wenn Eißler die Drehbücher nicht selbst schreibt: Die munteren Dialogduelle sind so etwas wie ein Markenzeichen seiner Filme. In "Praxis mit Meerblick" liefern sich Nora und ihr Kollege Hannes Stresow (Benjamin Grüter) wunderbare Wortgefechte, wobei Tanja Wedhorn stets das bessere Ende für sich hat; bei ihr ist tatsächlich jeder Satz ein Treffer. Hörenswert ist auch in der neunten Episode der Reihe die stets gefällige, aber nie beliebige Musik von Jan Janssons, die ebenfalls für Kontinuität sorgt und außerdem so gut ist, dass die Filme problemlos ohne die diversen Popsongs auskommen würden.