TV-Tipp: "Schwarzes Gold"

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29. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Schwarzes Gold"
Auch wenn die männlichen Nebenrollen mit Stephan Kampwirth, Slavko Popadic und Liliom Lewald markant besetzt sind: Die dominanten Figuren sind allesamt Frauen.

Ob Gold, Silber oder Diamanten: Die Gier ist stets die gleiche. In "Schwarzes Gold" ist es das Erdöl, das die schlechtesten Seiten der Menschen zum Vorschein bringt. Die NDR-Serie sieht aus wie ein Western, aber die Geschichte spielt nicht in Texas, sondern um 1900 in der Lüneburger Heide. Chefautor Justin Koch hat sich durch wahre Ereignisse inspirieren lassen. Tatsächlich gab es damals einen regelrechten Boom, das Dorf Wietze war "ein Mekka der Ölförderung", wie es in einer begleitenden Dokumentation heißt: "Die Fördertürme standen dicht an dicht, Bohrloch reihte sich an Bohrloch."

Vor diesem Hintergrund erzählen Koch, sein dreiköpfiges Drehbuchteam sowie das Regieduo Nina Wolfrum und Tim Trachte ein bis hin zum Dreck unter den Fingernägeln eindrucksvoll um Authentizität bemühtes Werk, das alles zu bieten hat, was ein Epos dieser Art braucht: Drama, Action und Tragödie, große Gefühle, verbotene Liebe, einen heimtückischen Mord, Korruption und Intrigen, aber auch mutige Männer und Frauen, die den Mächtigen trotzen. 

Weil die ARD mit solchen Produktionen vor allem Menschen erreichen will, die deutlich jünger sind als ihr Stammpublikum, rankt sich die Erzählung rund um eine junge Frau, die von den Ereignissen mitgerissen wird. Die darbenden Eltern von Johanna Lambert (Harriet Herbig-Matten) sitzen womöglich auf einer Quelle ungeahnten Reichtums: Nachbar Wilhelm Pape (Tom Wlaschiha) ist überzeugt, dass sich unter ihren Waldgrundstück ein beträchtliches Ölvorkommen befindet, doch Johannas Vater (Peter Schneider) will nicht verkaufen.

Als er unter ungeklärten Umständen zu Tode kommt, scheint der Widerstand gebrochen, und nun gibt es kein Halten mehr: Die Gier nach dem schwarzen Gold fegt jegliche Moral hinweg und lockt neben Arbeitern auch allerlei Gesindel an. Die tragische Figur der Geschichte ist jedoch Papes Sohn. Richard (Aaron Hilmer), Johanna seit gemeinsamen Kindheitstagen in stiller Zuneigung verbunden, hat seinen Vater überhaupt erst auf die Idee gebracht, Öl zu fördern, und ist anscheinend für Lamberts Tod verantwortlich.

Seine jüngere Schwester Luisa (Lena Urzendowsky) wiederum soll nach dem Willen der herrischen Mutter (Henny Reents) einen Bauern heiraten, den sie zutiefst verabscheut. Bei allem Respekt vor dem Aufwand, mit dem die Produktion umgesetzt worden ist: Die wie ein langer Spielfilm konzipierten sechs Folgen dauern insgesamt über viereinhalb Stunden und sind damit deutlich zu lang, zumal die Geschichte aufgrund der vielen handelnden Personen über weite Strecken recht episodisch konzipiert ist.

Größeres Manko sind jedoch die fehlende innere wie äußere Spannung; richtig packend werden erst die beiden letzten Teile, als sich die Dinge zuspitzen und Johanna und Richard dem alten Pape ein für alle Mal sein schmutziges Handwerk legen wollen. Die Bildgestaltung (Jörg Widmer, Andreas Köhler) ist zwar vorzüglich, doch die diversen Zeitlupenstudien sind bloß effekthascherisch. Einige Nebenstränge hätten sich ohne größere inhaltliche Verluste komplett streichen lassen, und die "Western"-Szenen erinnern mitunter an die Darbietungen im 150 Kilometer weit entfernten Bad Segeberg (gedreht wurde im Museumsdorf Hösseringen). 

Auch die Arbeit mit dem Ensemble ist nicht durchweg überzeugend. Dem Charisma Tom Wlaschihas als Schurke haben die jungen Mitwirkenden nicht viel entgegenzusetzen. Umso größer ist die Musik, zumal es den Verantwortlichen gelungen ist, keinen Geringeren als Hans Zimmer zu gewinnen, den gefragtesten Komponisten der Gegenwart. Mitunter klingen die Klänge des zweifachen "Oscar"-Preisträgers und seines langjährigen russischen Kompagnons Aleksey Igudesman fast zu wuchtig für eine TV-Serie, selbst wenn "Schwarzes Gold" dank Partnerfirmen aus USA und Großbritannien mit Blick auf den Weltmarkt produziert worden ist.

Der Soundtrack wirkt dank der englischen Lieder der kanadischen Sängerin Ekaterina Shelehova ohnehin international. Tatsächlich ist die Geschichte mit ihren großen Motiven universell und ließe sich ohne große Änderungen auch in Nordamerika ansiedeln; Papes Schergen wirken mit ihren schwarzen Hüten und den locker sitzenden Colts ohnehin wie Revolvermänner. Auch wenn die männlichen Nebenrollen mit Stephan Kampwirth, Slavko Popadic und Liliom Lewald markant besetzt sind: Die dominanten Figuren sind allesamt Frauen.

Das gilt neben Johanna, die gleich zu Beginn ihren Mut beweist, und Luisa, die sich gegen die Zwangsheirat wehrt, auch für Papes Gattin, die im Hintergrund die Fäden zieht und aus Rache nicht mal vor einem kaltblütigen Mord zurückschreckt. Dass ihr Mann erheblichen Dreck am Stecken hat, lässt sich angesichts des puren Hasses von Johannas Mutter (Jessica Schwarz) früh erahnen, weshalb die "Romeo und Julia"-Liebe der beiden jungen Leute von Anfang an unter keinem guten Stern steht. Das "Erste" zeigt heute die Episoden eins bis vier, die beiden letzten Folgen gibt es nur in der ARD-Mediathek.