TV-Tipp: "Unsere wunderbaren Jahre" (ARD)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Unsere wunderbaren Jahre" (ARD)
18.3., ARD, 20.15 Uhr
Die Nachkriegsjahre sind schon allein wegen ihrer Widersprüchlichkeit ein faszinierender Filmstoff: eine Zeit des Aufbruchs, in der die Menschen voller Elan nach vorn schauen wollten, während immer noch die Vergangenheit auf ihnen lastete.

Die Siegermächte wollten dem Land im Schnelldurchlauf eine Demokratisierung verpassen und mussten dafür in kauf nehmen, mit ehemaligen (oder immer noch überzeugten) Nationalsozialisten zu kooperieren. In seinem Roman "Unsere wunderbaren Jahre" hat der Autor Peter Prange dieser Epoche wie auch seiner sauerländischen Heimatstadt Altena ein literarisches Denkmal gesetzt. Der Titel bezieht sich nicht nur aufs Wirtschaftswunder: Anders als heute war die Welt damals noch übersichtlich.

Hauptfiguren der Geschichte sind die drei Töchter des Metallfabrikanten Eduard Wolf, die für typische Lebensentwürfe jener Jahre stehen. Dank der klugen Adaption des Werks durch Robert Krause und Florian Puchert erinnert die gleichnamige ARD-Verfilmung in ihrer Konzeption an den gleichfalls von UFA Fiction produzierten ZDF-Dreiteiler "Ku’damm 56". Dort ging es ebenfalls um drei Töchter; auch die Rolle der Mutter (hier Katja Riemann, dort Claudia Michelsen) ist sehr ähnlich. Allerdings erzählt "Unsere wunderbaren Jahre" vor allem dank der Figur des Patriarchen eine ungleich umfassendere Geschichte: Wolf gilt als Mann mit weißer Weste, der zudem einen jüdischen Apotheker vor den Faschisten gerettet hat. Trotzdem ist es auch für ihn 1948 nicht leicht, an Aufträge zu kommen; seinen Arbeitern kann er nur einen Hungerlohn zahlen. Notgedrungen lässt er sich auf einen Handel mit dem zwielichtigen Geschäftsmann Walter Böcker (Hans-Jochen Wagner) ein: Der frühere Waffenhersteller hat wegen seiner Nazi-Vergangenheit keinen "Persilschein" bekommen, wird aber dank der Beziehungen zu den alten Kameraden den Auftrag für die Produktion der neuen D-Mark erhalten. Der Fabrikant macht Böcker zum Teilhaber, es geht wieder aufwärts, doch dann folgt ein abrupter Absturz: Wolf wird angezeigt, während des Krieges Stacheldraht für ein Vernichtungslager produziert zu haben. Böcker, der die Produktion mit Blick auf die zu erwartende Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ohnehin auf Munition umstellen will, wähnt sich am Ziel, aber er hat die Rechung ohne die Schwestern gemacht.

Roman und Film bilden eine clevere Mischung aus Fiktion und Fakten; die D-Mark-Rohlinge zum Beispiel sind tatsächlich in Altena hergestellt worden. Auch das Zeitgefühl ist gut getroffen: Die einen leben den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufbruch, die anderen singen in der Kneipe immer noch die Nazi-Lieder. Geschickt verquickt der Film den historischen Hintergrund mit dem Schicksal der Töchter, zu denen der Patriarch gänzlich unterschiedliche Beziehungen hat. Die jüngste, Ulla (Elisa Schlott), ist Papas Liebling und soll dereinst seine Nachfolge antreten. Dass sie sich auf eine Liebelei mit dem Arbeiter Tommy (David Schütter) einlässt, der die Kollegen mit aufrührerischen Ideen infiziert, gefällt ihm allerdings gar nicht. Ulla hat jedoch andere Pläne: Sie will Tübingen Medizin studieren. Die durch ein Kriegserlebnis traumatisierte Gundel (Vanessa Loibl) wäre mit ihrem klaren Blick für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge ohnehin die geeignetere Nachfolgerin, aber Wolf nimmt sie nicht ernst. Schwarzes Schaf des Trios ist die älteste, Margot (Anna Maria Mühe). Ihr gilt die ganze Verachtung des Vaters, denn sie hat einen hochrangigen SS-Mann geheiratet. Als ihr Gatte mit Tuberkulose aus der Vergangenheit zurückkehrt, weigert sich Wolf, seine Arztkosten zu übernehmen; Margots Rache hat zur Folge, dass sich das Drama zur Tragödie wandelt.

Dank der großzügigen Erzählzeit von 270 Minuten können sich die Charaktere in all’ ihrer Komplexität entfalten. Das gilt auch für die männlichen Nebenrollen. Tommy ist dabei so etwas wie die Lieblingsfigur der Autoren, weshalb David Schütter den Kommunisten als Hommage an den jungen wilden Marlon Brando verkörpern darf. Tatsächlich ist der Arbeiter der einzige Mann, der ohne Einschränkung zur Identifikation einlädt, selbst wenn er sich von Gundel verführen lässt. Enttäuscht über die Zustände im Westen zieht Tommy nach Ostberlin, wo er studieren darf und eine neue Liebe (Marleen Lohse) findet, aber nicht glücklich wird. Politik prägt schließlich auch das Leben von Ullas erstem Freund und späteren Ehemann Jürgen (Ludwig Trepte), der für die SPD in den Stadtrat einzieht. Dritter im Bunde ist Benno, der Gundel heiratet; Franz Hartwig, der in der Sky-Serie "Der Pass" den Mörder mit einer irritierenden Mischung aus Unscheinbarkeit und Charisma versehen hat, sorgt mit seinem tiefgründigen Spiel dafür, dass dem Schuhverkäufer nicht zu trauen ist. Das gilt in ungleich erheblicherem und allzu offenkundigem Maß auch für Böcker, weil Wagner den Unternehmer als Elefant im Porzellanladen verkörpert. Trotzdem ist selbst Böcker keine rein böse Figur, weshalb ihm Margot schließlich ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann.

Es ist vor allem der Facettenreichtum der Geschichte wie auch der handelnden Personen, die "Unsere wunderbaren Jahre" zu einem fesselnden Fernsehereignis machen, zumal gerade die drei Frauen unerwartete Entwicklungen durchlaufen. Beeindruckend ist auch die Ausstattung: K.D. Gruber hat dafür gesorgt, dass die später Vierziger und frühen Fünfziger sehr glaubwürdig zum Leben erwachen. Regie führte Elmar Fischer. Der mit einigen schwungvollen Kamerafahrten versehene und in ein stellenweise fast verklärend schönes Licht getauchte historische Dreiteiler (Bildgestaltung: Felix Novo de Oliveira) ist seine bislang größte Herausforderung und neben dem Überwachungs-Thriller "Unterm Radar" (2015) sicherlich seine beste Arbeit. Das Ensemble ist ausnahmslos vorzüglich, aber Elisa Schlott und David Schütter zeigen, warum sie zu den interessantesten Schauspielern ihrer Generation gehören.