Die deutschen Kirchengemeinden und das Coronavirus Covid-19 in Asien

Pastor Sommer bei der Übergabe von Masken an Flüchtlinge in Hongkong.
© Privat/ Martin Sommer
Pastor Sommer bei der Übergabe von Masken an Flüchtlinge in Hongkong.
Die deutschen Kirchengemeinden und das Coronavirus Covid-19 in Asien
In Südostasien legt das Coronavirus Covid-19 das gesellschaftliche Leben lahm. Davon betroffen sind auch die Religionsgemeinschaften. Die deutschen Auslandspfarrerinnen und -pfarrer in Südkora, Hongkong und Singapur gehen eigene Weg, um weiterhin sicher Gottesdienst zu feiern.

Da hilft nur noch beten. Das Coronavirus hat von China aus seine Tour um die Welt angetreten und scheint sich zu einer veritablen Pandemie auszuwachsen. Täglich werden neue Infektionszahlen gemeldet und bislang virusfreie Länder verzeichnen erste Infektionsfälle. Kein Lebensbereich ist immun gegen das neue Coronavirus Covid-19. Der Tourismus, einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Südostasiens, bricht massiv ein. Dadurch verlieren viele Menschen ihre Jobs. Die Warnungen von Wirtschaftsexperten über drohende Versorgungsengpässe mit Medikamenten und Gütern des täglichen Bedarfs durch die weitgehend eingestellte Produktion in China werden immer eindringlicher.

Betroffen von der Covid-19-Epidemie in Asien sind auch die Religionsgemeinschaften. Von Südkorea über die Philippinen bis nach Singapur ergreifen die Vertreter der Religionen Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Gottesdienste werden abgesagt, auf den mehrheitlich katholischen Philippinen raten Kirchen dringend vom Berühren oder gar Küssen von Heiligenstatuen ab. Statt zum Aschermittwoch das Aschekreuz auf die Stirn zu malen, wurde die Asche über das Haupt der Gläubigen gesprenkelt. Menschen zu berühren gilt inzwischen als gefährlich.

Südkorea ist das nach China am zweitstärksten von Covid-19 heimgesuchte Land. Als ein wesentlicher Infektionsherd wurden Versammlungen der christlichen Sekte Shincheonji identifiziert, deren Gründer Lee Man-hee von seinen Anhängern als "wiedergekehrter Jesus" verehrt wird. Die Gesundheitsämter wollen jetzt alle 200.000 Sektenmitglieder testen.

Die Behörden haben in der Folge Kirchen angewiesen, zunächst bis zum 5. März alle Gottesdienste, Andachten und andere Veranstaltungen mit vielen Menschen abzusagen. "Wir halten uns daran, auch wenn wir nur eine kleine Gemeinde sind", sagt Mi-Hwa Kong, Pastorin der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Seoul. Die Stimmung in der aus 52 Familien bestehenden Gemeinde sei ambivalent. Die einen würden die Virusschutzmaßnahmen als übertrieben ansehen, während andere sich sagten "lieber auf Nummer sicher gehen". Die Mutter eines fünf Jahre alten Sohnes gibt freimütig zu, ein "mulmiges Gefühl" zu haben. "Ich gehen nur noch mit Gesichtsschutzmaske aus dem Haus."

Pastor Daniel Happel hält eine Onlinepredigt am 23.02.2020 auf der Facebook Seite der Deutschsprachigen Ev. Gemeinde in Singapur.

Sehr rigide sind die Schutzmaßnahmen in Singapur, das in internationalen Medien für seinen Ansatz, jede Infektionskette peinlich genau aufzuspüren, einiges Lob erfährt. Auch in Singapur wurden in den vergangenen Tagen und Wochen Gottesdienste abgesagt, nachdem sich auch in dem Stadtstaat eine evangelikale Kirche als Covid-19-Hotspot entlarvt wurde.

Pastor Daniel Happel von der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde rettete sich am vergangenen Sonntag (23.2.20) in die digitale Welt, in dem er die Andacht einfach aufzeichnen und ins Internet stellen ließ. Sein Debüt als Onlineprediger ist gut gelungen. "Ich habe das ohne vorherige Probe gemacht", sagt Happel, der ein wenig frustriert über einen kleinen Hänger während der Predigt ist. Voll des Lobes aber ist Happel für die professionelle Arbeit der "jugendlichen Helfer und Filmer", die die Videomesse technisch und dramaturgisch realisiert hatten.

Überall Fiebermessen

Der Gottesdienst am 1. März soll nach Stand der Dinge wieder in der Gastkirche Orchard Road Presbyterian Church (ORPC) stattfinden. Unten den jetzt in Singapur üblichen Bedingungen. "Wir werden ab sofort bei all unseren Veranstaltungen Temperaturchecks durchführen", schreibt Happel im aktuellen Rundbrief. Gemäß den Weisungen des Gesundheitsministeriums müssten sich Gottesdienstbesucher am Eingang die Körpertemperatur messen sowie sich in einer Liste mit Namen und Telefonnummern eintragen lassen.

Fiebermessen ist derzeit in überall in Singapur angesagt, beim Betreten von Shopping Malls ebenso wie in Fitnessstudios, Büros, Museen oder auch in der German European School Singapur (GESS). "Mein Rekord liegt bisher bei fünf Temperaturmessungen an einem Tag. Ich amüsiere mich darüber, aber finde es irgendwie auch gut, dass ich mir im Moment relativ sicher bin, dass ich nicht krank bin", sagt Happel. Die Gemeinde reagiere auf die Virusgefahr und die engmaschige Gesundheitskontrollen "relativ entspannt".

Kaum anders ist die Lage in Hongkong. "Die Deutsch-Schweizerische Schule als Ort unserer Gottesdienste ist für jeglichen Publikumsverkehr geschlossen. Wir haben die Gelegenheit eines zweitägigen Moratoriums, an welchem Eltern Utensilien ihrer Kinder aus der Schule holen konnten, genutzt um Gesangbücher, Abendmahlsgeschirr und Altarkreuz zu holen. Der erste Exils-Gottesdienst konnte noch im Gemeinschaftraum einer Wohnanlage stattfinden; als dieser auch generell geschlossen wurde, begannen wir die Gottesdienste in der Privatwohnung unseres Vorsitzenden zu feiern", schreibt Martin Sommer, Pastor der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde der chinesischen Sonderverwaltungszone in einer Email an evangelisch.de. "An unserem zweiten Kirchenort, der Siedlung Discovery Bay auf der Insel Lantau, ist die Schule ebenfalls geschlossen. Dort hatten wir im Februar den ersten Gottesdienst am Strand."

Gottesdienst am Strand auf der Insel Lantau.

Für die kommenden Wochen muss Sommer noch Lösungen für die Gottesdienste finden, weil sämtliche Schulen zunächst bis zum 19. April geschlossen bleiben. "Einen Gottesdienst zum Thema des Weltgebetstags werden wir demnächst im Afrika-Zentrum feiern; die Seemansmission bietet uns ihren Kirchenraum für Ostern an. So suchen wir Woche für Woche nach Lösungen."

Dem Beispiel von Happel in Singapur, Andachten und Gottesdienste Online anzubieten, steht Sommer skeptisch gegenüber. Das Hongkong Christian Council als Dachverband der protestantischen Kirchen habe sein Prayer-Meeting am Aschermittwoch auf die auf digitale Veranstaltungen und Webinars spezialisierte Internetplattform ZOOM verlegt. "Ich halte davon recht wenig und zögere, mich zu beteiligen. Sollten sich die Bedingungen in Hongkong noch verschärfen - was im Moment eher nicht zu erwarten ist -, werden wir allerdings nochmals über das Angebot von Zoom nachdenken, beziehungsweise (auch) Andachten in die Homepage stellen."

Keine Panik

Eine Panikstimmung erlebe er in der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde nicht, auch wenn einige Eltern angesichts der Schulschließung bis weit über die Osterferien hinaus überlegten, mit ihren Kindern nach Amerika und Europa zu gehen, um sie dort einzuschulen. Sommer kennt aber auch andere Geschichten. Eine Konfirmandenfamilie kehre in Kürze aus Deutschland zurück und das Kind werde wieder am Unterricht und auch an der Konfirmation zu Pfingsten teilnehmen. "Eine andere deutsche Familie lebt in China, war über Weihnachten in Deutschland und weilt jetzt mit Kind und Kegel bei den Großeltern in unserer Stadt", sagt Sommer und fügt hinzu: "Hongkong gilt als sicher."

Erfreut ist Sommer über die Spende von Mundschutzmasken einer in Hongkong ansässigen deutschen Firma. 10.000 Masken wurden an verschiedene Wohltätigkeitsorganisationen in Hongkong verteilt und 1.800 an die deutschsprachige Gemeinde. "Die legen wir beispielsweise bei Gottesdiensten und bei Veranstaltungen wie Chorproben und Bibelkreis aus. Wir geben sie aber auch weiter an Flüchtlinge in Kowloon und eine Obdachlosen-Initiative", betont Sommer.

Happel in Singapur reflektiert im aktuellen Gemeinderundbrief die allgemeine Nervösität bis hin zu Panikstimmung in der Stadt, die sich in Panikkäufen oder der Selbstisolierung in den eigenen vier Wänden äußert. "Sich auf sich selbst beschränken, möglichst nur das Beste für sich selbst und seine Familie suchen – das sind Fiebersymptome im übertragenen Sinne, man läuft heiß, weil man sich nur noch um sich selbst dreht", schreibt Happel. "Gegen Fieber hilft vor allem Ruhe. Und für diese andere Art von Fieber hilft das auch. Inneren Frieden suchen. Der wird uns dazu bringen, von uns aus auch auf andere zu schauen."

Angetan ist er von dem britischen Durchhalteslogan aus dem Zweiten Weltkrieg "Keep calm and carry on", der derzeit auf einem Transparent der ORPC prangt. "Darunter steht geschrieben, wer uns Glaubenden diese Ruhe gibt, nämlich der Glaube an Jesus Christus, der zu uns in Johannes 14,27 sagt ‚Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht‘."