Hanau: Generalbundesanwalt nimmt fremdenfeindliches Motiv an

Am Tatort im Stadtteil Kesselstadt wurden Blumen abgelegt und Kerzen aufgestellt.
© Andreas Arnold/dpa
Am Tatort im Stadtteil Kesselstadt wurden Blumen abgelegt und Kerzen aufgestellt. Bei Schüssen an zwei Shisha-Bars in Hanau wurden mehrer Menschen getötet und verletzt.
Hanau: Generalbundesanwalt nimmt fremdenfeindliches Motiv an
Kirchen in Hanau öffnen Türen für Trostsuchende
Der Generalbundesanwalt geht nach der tödlichen Schießerei mit elf Opfern in Hanau von einem "fremdenfeindlichen Motiv" aus. Angesichts des Gewaltverbrechens haben alle evangelischen Kirchen in der Stadt am Donnerstag ihre Pforten geöffnet.
20.02.2020
epd/evangelisch.de/weiteres

Der Generalbundesanwalt geht nach der tödlichen Schießerei mit elf Opfern in Hanau von einem "fremdenfeindlichen Motiv" aus. Das teilte ein Sprecher des Generalbundesanwalts am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. In Hanau hatte ein Mann nach Angaben der Polizei Südosthessen am Mittwochabend neun Menschen erschossen.

Angesichts des Gewaltverbrechens haben alle evangelischen Kirchen in der Stadt am Donnerstag ihre Pforten geöffnet. Man wolle den Menschen Orte bieten, an denen sie Trost finden könnten, sagte Martin Lückhoff, Dekan des Kirchenkreises Hanau, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In den Kirchen lägen Texte aus, die für solche Krisenfälle vorbereitet seien.

Während der Nacht bis in die frühen Morgenstunden hinein seien insgesamt sieben Pfarrer als Notfallseelsorger vor Ort gewesen, sagte Lückhoff. Fünf Pfarrer kamen aus Hanau, zwei weitere aus Schlüchtern. Die Seelsorger hätten Angehörige, aber auch Rettungskräfte betreut. Am Abend wolle man bei einem Treffen der Hanauer Pfarrer in Absprache mit Bischöfin Hofmann überlegen, welche kirchlichen Angebote es über die Notfallseelsorge hinaus für die Menschen geben könne, sagte Lückhoff.

Er selbst stehe in Kontakt mit dem Büro des Oberbürgermeisters, auch mit der muslimischen Gemeinde sei eine Kontaktaufnahme erfolgt. Es zeichne sich ab, dass möglicherweise viele Jugendliche unter den Opfern seien.

Bischöfin spricht Beileid aus

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beate Hofmann, zeigt sich erschüttert über das Gewaltverbrechen in Hanau: "Wir trauern mit den Angehörigen der Toten und sprechen Ihnen unser Beileid aus. Wir beten für die Trauernden. Wir beten für die an Leib und Seele Verletzten, dass sie wieder gesund werden. Wir wissen uns verbunden mit allen Einsatzkräften und mit den Notfallseelsorgern, die im Einsatz waren und sind", so die Bischöfin in einer ersten Stellungnahme.

Beate Hofmann ist Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

"Die vergangene Nacht hat das Leben in Hanau verändert. Wir werden uns als Evangelische Kirche weiter für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt einsetzen. Viele Kirchen der Stadt stehen an diesem Tag zur Einkehr, zum Gebet und zum Gespräch offen", sagte Hofmann am Donnerstagmorgen in Kassel.

Der Bischof des Bistums Fulda, Michael Gerber, hat ebenfalls mit Bestürzung auf den Terroranschlag reagiert. "Was wir aktuell an Informationen bezüglich der Hintergründe dieser Tat erfahren, verstört uns zutiefst", erklärte er in einer ersten Stellungnahme. Die Solidarität der Kirche gelte den Verletzten und den Hinterbliebenen der Toten sowie allen Ersthelfern und Einsatzkräften, die an der Aufarbeitung und Aufklärung der Tat beteiligt seien. In den Gebeten in der Gemeinden hätten sie einen festen Platz.

Gebetsgedenken im Gottesdienst

In einem Brief an den Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) brachte Bischof Gerber zudem seine Trauer und Verbundenheit zum Ausdruck. Für die Stadtgesellschaft Hanaus bedeute dieses Verbrechen eine tiefe Zensur, heißt es in dem Brief. Er habe alle Gemeinden im Bistum, zu dem auch Hanau gehört, aufgefordert, in die Sonntagsgottesdienste ein Gebetsgedenken an die Opfer von Hanau einzubinden.

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm zeigt sich erschüttert und fassungslos: "Wenn sich bewahrheitet, was jetzt bekannt geworden ist, dann ist diese Gewalttat ein trauriger Beleg für die brutalen Konsequenzen des Gifts, das rechtspopulistische und rechtsextreme Kreise zu streuen versuchen. Wer Rassismus und Ausländerfeindlichkeit sät, der muss auch damit rechnen, dass daraus brutale Gewalt erwächst", schrieb er in einer Pressemitteilung der EKD.

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Aus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, zu der ebenfalls zwei Hanauer Stadtteile gehören, kamen ebenfalls Worte der Anteilnahme. Über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitete die Landeskirche ein Gebet.

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Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker schreibt außerdem auf seiner Facebookseite: "Wir sind entsetzt über das grausame Verbrechen in Hanau. Wir beten für die Opfer und alle, die jetzt trauern. Wir beten für die Menschen, die ermitteln und Hilfe leisten. Wir beten für Hanau."

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland zeigt sich ebenfalls tief erschüttert und ist entsetzt über die Bluttat in Hanau. Auf ihrem Twitter-Kanal gab die EKM bekannt, dass sie die Opfer und ihre Hinterbliebenen in ihre Gebete einschlössen.

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Nach bisherigen Erkenntnissen soll der mutmaßliche Täter gegen 22 Uhr am Heumarkt in der Innenstadt auf Menschen geschossen haben, danach fuhr er weiter zum Kurt-Schumacher-Platz im Hanauer Stadtteil Kesselstadt, wo er erneut mehrere Menschen angriff. Insgesamt wurden nach Polizeiangaben an den beiden Tatorten neun Menschen getötet.

Die Polizei schrieb den Mann noch in der Nacht zur Fahndung aus. Schließlich fand sie den mutmaßlichen Täter am frühen Morgen tot in seiner Wohnung. Außerdem fand die Polizei den Angaben zufolge eine weitere Leiche in der Wohnung.

Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen

Die Generalbundesanwalt übernahm noch in der Nacht die Ermittlungen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) forderte am Donnerstag in Berlin, dass die Hintergründe der Tat gründlich aufgeklärt werden müssten. "Es ist erschütternd, wie viele Menschen dort sinnlos getötet wurden", sagte Lambrecht. "Die brutalen und menschenverachtenden Taten in Hanau lassen uns alle fassungslos zurück", erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Auch Vertreter der Bundesregierung sagten Termine ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte eigentlich zur Einführung des neuen Präsidenten der Wissenschaftsakademie Leopoldina nach Halle reisen. Sie lasse sich fortlaufend über den Stand der Ermittlungen in Hanau unterrichten, teilte ihr Sprecher Steffen Seibert bei Twitter mit.

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Am Mittag trat Merkel schließlich vor die Presse: "Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift", sagte sie in Berlin. Dieses Gift sei "schuld an schon viel zu vielen Verbrechen", sagte Merkel und verwies auf der Morde der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den antisemitischen Anschlag von Halle.

Die Bundeskanzlerin sagte: "Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh." Es werde alles unternommen, um die Hintergründe der Morde bis ins Letzte aufzuklären.

"Die Bundesregierung und alle staatlichen Institutionen stehen für die Rechte und Würde eines jeden Menschen in unserem Land", betonte Merkel. "Wir unterscheiden Bürger nicht nach Herkunft oder Religion. Wir stellen uns denen, die versuchen, in Deutschland zu spalten, mit aller Kraft und Entschlossenheit entgegen."

Verurteilung von Rassismus, Hass und Gewalt

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) änderte seine Terminpläne und wollte nach Angaben eines Sprechers gemeinsam mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am Donnerstag nach Hanau reisen. Der hessische Landtag hatte seine geplante Plenarsitzung wegen der Gewalttat nach einer Gedenkminute abgebrochen. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sprach von einem furchtbaren Verbrechen, das "im Grunde sprachlos" mache.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach den Opfern und Angehörigen seine Anteilnahme aus. "Mit Entsetzen habe ich von der terroristischen Gewalttat in Hanau erfahren", erklärte Steinmeier am Donnerstag in Berlin. "Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden", betonte das Staatsoberhaupt.

Er sei überzeugt, dass die große Mehrheit der Menschen in Deutschland diese Tat und jede Form von Rassismus, Hass und Gewalt verurteile, sagte der Bundespräsident: "Wir werden nicht nachlassen, für das friedliche Miteinander in unserem Land einzustehen."

Anteilnahme aus Brüssel

Auch in Brüssel löste die Tat Entsetzen aus. Der Präsident des Europaparlaments, David Sassoli, erklärte bei Twitter: "Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden."

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat "zutiefst erschüttert" auf die tödlichen Schüsse von Hanau reagiert. "Meine Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Opfer, denen ich mein aufrichtiges Beileid aussprechen möchte", erklärte die frühere Bundesministerin am Donnerstagmorgen auf Twitter. "Wir trauern heute mit Ihnen", fügte sie hinzu.

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Der Präsident des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs, Charles Michel, nannte den sinnlosen Verlust von Menschenleben "eine Tragödie".

Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), twitterte: "Es stockt mir der Atem, wenn ich die schlimmen Nachrichten aus #Hanau verfolge." Weber sprach allen Einsatzkräften und Helfern Dank aus. Die sozialdemokratische Fraktion im Parlament twitterte, sie sei angesichts der "sinnlosen Zurschaustellung von Gewalt schockiert".

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Der Zentralrat der Juden erklärte bei Twitter, die "offenbar rechtsextrem motivierten Morde" seien erschütternd.

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Der Koordinationsrat der Muslime erklärte, die Orte des Angriffs wie auch das bekanntgewordene Bekennerschreiben zeigten, dass Migranten, insbesondere Muslime das Ziel gewesen seien. Es sei jetzt die Zeit, zusammenzurücken und zusammenzustehen, erklärte Koordinationsratssprecher Zekeriya Altug.

Angesichts des Anschlags lädt die Stadt Hanau am Donnerstagabend um 18 Uhr zu einer Mahnwache auf dem Marktplatz ein. Dabei werde auch der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) und weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnehmen, sagte die städtische Pressesprecherin Ute Wolf dem epd. Genaueres sei momentan noch nicht bekannt.