TV-Tipp: "Tatort: Das Team"

Altmodischer Fernsehapparat steht auf Tisch.
Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Das Team"
1.1., ARD, 20.15 Uhr
Bislang ging’s in Jan Georg Schüttes Filmen vorwiegend heiter zu. Natürlich gab es auch tragische Figuren, aber "Altersglühen - Speed-Dating für Senioren (2014), "Wellness für Paare" (2016) und "Klassentreffen" (2019) waren im Großen und Ganzen Komödien. Das jüngste Improvisationskunstwerk des vor allem als Schauspieler bekannten Regisseurs fällt als außer der Reihe produzierte "Tatort"-Episode völlig aus diesem Rahmen. Dass sich die ARD auf das Experiment eingelassen hat, ist nach den zum Teil völlig verunglückten Erfahrungen des SWR mit zwei improvisierten Beiträgen aus Ludwigshafen ("Babbeldasch", "Waldlust"; 2017/18) durchaus mutig. Der WDR hat zwar auch Schüttes bisherige Filme beauftragt und wusste also, worauf er sich einlässt, aber trotzdem kauft ein Sender in solchen Fällen immer die Katze im Sack: weil vermutlich nicht mal der Drahtzieher selbst vorher sagen kann, was am Ende dabei rauskommt, zumal er stets mit immer wieder neuen Schauspielern arbeitet.

Der Reiz von Schüttes Krimidebüt als Regisseur (inklusive Gastauftritt von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet) besteht nicht zuletzt in der Versammlung bekannter Figuren: Sieben Kommissarinnen und Kommissare werden in ein abgeschiedenes Hotel bestellt, darunter die "Tatort"-Größen Bönisch und Faber (Anna Schudt, Jörg Hartmann) aus Dortmund sowie Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) aus Münster. Die vier weiteren Mitwirkenden gehören zwar nicht zur "Tatort"-Familie, haben aber ebenfalls alle mal TV-Ermittler verkörpert: Elena Uhlig, Ben Becker, Nicholas Ofczarek und Friedrich Mücke (vor einigen Jahren Kommissar im allerdings sehr kurzlebigen "Tatort" aus Erfurt). Hintergrund des Treffens ist eine Mordserie, der in den zurückliegenden Monaten bereits vier Polizisten zum Opfer gefallen sind. Mit Hilfe zweier Krisenspezialisten (Charly Hübner, Bjarne Mädel) sollen sich die sieben völlig verschiedenen Charaktere zusammenraufen, um den Killer zu finden. Oder dient die Maßnahme womöglich bereits der konkreten Tätersuche, weil der Mörder einer von ihnen ist?

Die Konstellation erinnert an das beliebte Partyspiel "Mord im Dunkeln", bei dem die Teilnehmer einen Zettel mit jeweiliger Rollenzuweisung ziehen; auf einem dieser Zettel steht "Mörder". Schüttes Arbeitsweise funktioniert im Grunde ganz ähnlich: Seine Schauspieler haben für die beiden Drehtage, die von 36 Kameras aufgezeichnet wurden, eine kurze Beschreibung ihrer jeweiligen Rolle bekommen, wissen aber nichts über die anderen; und nur der Mörder weiß, wer der Mörder ist. Trotzdem ist "Das Team" kein Krimi, denn zunächst scheinen die Polizisten gar kein Interesse an der Aufklärung der Mordserie zu haben, weil alle viel zu sehr damit beschäftigt sind, sich aufzuplustern. Das ändert sich, als ein Mitglied der Gruppe während der Mittagspause erschlagen wird. Nun ahnen die anderen: Der Mörder ist einer von ihnen.

Beim Schnitt wird Schütte ja neben einer schlüssigen Dramaturgie auch darauf geachtet haben, dass alle Mitglieder des hochkarätigen Ensembles zu ihrem Recht kommen. Trotzdem ließ sich vermutlich nicht vermeiden, dass Nicholas Ofczarek und Ben Becker die Szenerie dank ihrer auch physisch enormen Präsenz fast zwangsläufig dominieren. Die beiden verkörpern auch das interessanteste Duo der Runde: Die Kommissare Mitschowski und Rettenbach waren einst Partner, bis der eine den anderen bei einem Einsatz im Stich gelassen hat; seither ist Rettenbach in psychiatrischer Behandlung. Die Feindseligkeit zwischen den Männern und das energiegeladene Spiel von Ofczarek und Becker prägt den Film über weite Strecken und hat prompt zur Folge, dass sich zum Beispiel Mücke kaum profilieren kann. Elena Uhlig hat als trauernde Witwe eines der Opfer ohnehin kaum Spielraum.

Interessanter als die Kommissare sind daher die beiden Workshopleiter. Gerade Charly Hübner geht in seiner Rolle als "Agent Provocateur" auf und lockt die Teilnehmer mit gezielten Herausforderungen immer wieder aus der Reserve. Weniger geglückt wirken dagegen die verschiedenen Versuchsanordnungen, weil sich der Sinn der Maßnahmen nicht immer erschließt und die Handlung irgendwann beginnt, sich im Kreis zu drehen. Schütte rechnet ohnehin damit, dass sein Film polarisieren wird: "Dafür macht man ja Kunst." Mit seinem ungewöhnlichen "Tatort" wird er allerdings womöglich gleich zwei Lager enttäuschen: die Freunde des Sonntagskrimis sowie all’ jene, die mit "Altersglühen" die Improvisationskunst schätzen gelernt haben.