Alles über Sex, Glaube und Gott

Christus and Maria Magdalena von Auguste Rodin
© The J. Paul Getty Museum, Los Angeles/Auguste Rodin, Christ and Mary Magdalene
Beim Sex sollte jeder fröhliche Christenmensch jubelnd Gott danken.
Alles über Sex, Glaube und Gott
Die endgültige Antwort zum Thema
Auf unserer Fragen-Seite bei evangelisch.de erreichen mich immer wieder Fragen und Kommentare zum Thema, ob Gott wohl diese oder jene Form der Sexualität bevorzugt oder ablehnt. So reifte in mir der Wunsch, einen Artikel zum Thema Gott und Sex zu schreiben, der ein für alle Mal alle Fragen beantwortet. Unmöglich? Nun, hier ist er.

An alle, die mit Gott etwas anfangen können: Es ist verständlich, dass Ihr Euch über Euren Sex Gedanken macht. Schließlich ist Sex einerseits eine schöne und andererseits eine komplizierte Angelegenheit. Sobald man anfängt, Sex mit sich selbst zu haben, gesellt sich zu dem schönen Gefühl auch ein Unbehagen.

Und wenn dann noch ein anderer Mensch hinzukommt, wird es erst recht schwierig. Man kann so viel falsch machen! Zu sanft, zu hart, zu direkt, zu angedeutet, zu trocken, zu nass? Die Liste der möglichen "Zus" ist länger als das Wunschmaß eines Heranwachsenden für den eigenen Penis. Dazu kommen die Maßstäbe, die unsere Gesellschaft an den Sex anlegt. Was man im eigenen Ausprobieren und im gemeinschaftlichen Experimentieren und Entdecken noch als befriedigend und beglückend erleben kann, muss sich vor dem behaupten, was andere von uns verlangen. Die Normen, die zu erfüllen sind, sprengen jedes E-Körbchen. Hat man genügend Sex? Ist er ausreichend befriedigend? Reicht die Experimentierfreude?

Beim Sex sollte jeder fröhliche Christenmensch jubelnd Gott danken

Sich dem Sexualleistungsdruck zu entziehen, ist schwierig, denn es ist vollkommen egal, wofür man sich entscheidet: Jede Entscheidung bedeutet, dass man sich für sie rechtfertigen muss, sei es vor dem eigenen Anspruch, sei es vor der besten Freundin, sei es vor der Peergroup, den Social Media-Followern oder der Orgasmustherapeutin.

Bei so viel Erklärungsdrang, bei so viel Rechtfertigungsdruck sollte jedem Christenmenschen sofort die befreiende Botschaft des Gottes einfallen, der uns vom Zwang befreit hat, uns selbst zu rechtfertigen. Beim Sex sollte jeder fröhliche Christenmensch jubelnd Gott danken, dass wenigstens Gott nicht danach fragt, ob man es gerade richtig macht! Lächelnd sollten wir Ejakulationen und Eisprünge erleben und Gott danken, dass wir uns vermehren können. Selig sollten wir einander in den Armen liegen und Narben und Runzeln streicheln. Zur vollen Größe aufgerichtet sollten wir auf Geschlechtsverkehr verzichten können. So sollte es sein, angesichts eines Gottes, der uns in jeder Lebenslage erlöst hat.

Die Bibel ist ebenso wenig ein Sexratgeber wie ein Ratgeber für Heimwerker

Stattdessen wird Gott missbraucht. Gottes Segen für die Schöpfung wird absichtlich als Befehl missdeutet. Wenn da steht: "Seid fruchtbar, mehrt euch!" wird gelehrt: "Kein Sex ohne Fortpflanzung!" Wenn die Bibel sagt "Gott schuf sie als Mann und Frau", wird gelehrt: "Es gibt zwei Geschlechter. Die müssen miteinander Sex haben!" Es ist zum Verzweifeln: Niemand hält mehr Sklaven, obwohl die Bibel es erlaubt. So weit, so gut. Aber Sex zwischen zwei Männern "ist dem HERRN ein Gräuel". Das muss scheinbar gelten bis in alle Ewigkeit. Und weil über lesbischen Sex nichts in der Bibel steht, werden Frauen unter diesem Verbot gleich mit verhaftet.

Dieser Missbrauch Gottes muss endlich aufhören. Wer in der Bibel Rat für sein Leben sucht, sollte sich immer das ganze Bild vor Augen führen. Die Bibel ist ebenso wenig ein Sexratgeber wie ein Ratgeber für Heimwerker, nur weil Bauanleitungen für schwimmende Kästen darin zu finden sind. Die Bibel erzählt von der wechselhaften Beziehung zwischen Gott und Menschheit. Es ist eine dramatische Geschichte von Versprechen, Enttäuschungen, Hoffen, Irrwegen und unglaublichen Zielen. Liebe, Eifersucht, Wut – all das auf beiden Seiten. Kurz vor Schluss kommt es zu Schlachten, die gewaltiger und größer sind als in Game of Thrones. Und schließlich, ganz am Ende, kommt das vollkommene Happy End: Menschheit und Gott zusammen bis in alle Ewigkeit.

"Ich hatte gehofft, dass sie Spaß am Sex haben"

Um solche Dimensionen geht es in der Bibel. Es geht um buchstäblich alles. Und wir reden ständig über Gottes Einstellung zum Sex! Ich mag mir ausmalen, wie Gott darauf reagiert, wenn er wieder einmal hören muss: "Gott liebt den Sünder, aber er hasst die Sünde!" Wahrscheinlich spitzt Gott dann die Ohren, denn es handelt sich ja um eine theologisch interessante Aussage. Erwartungsvoll lauscht er dem Rest des Gedankengangs, denn dass die Menschen denken können, darauf ist Gott besonders stolz und freut sich daran. Und wenn die Menschen sich über Sünde Gedanken machen, bedeutet das, dass sie sich mit ihrem Verhältnis zu Gott beschäftigen. Aber, ach, wie enttäuscht ist Gott, als es doch nur wieder um Homosexualität geht! Ob Gott sich wohl traurig seufzend denkt: "Ich hatte gehofft, dass sie Spaß am Sex haben. Ich habe ihnen doch alle Voraussetzzungen dafür mitgegeben! Erogene Zonen! Phantasie! Spielfreude! Einfühlungsvermögen!"?

Darum an alle, die mit Gott etwas anfangen können: Lasst Gott mit dem Sex in Ruhe! Es sei denn, Ihr wollt danken. Oder Euch Vergebung zusprechen lassen für Momente beim Sex, in denen Ihr nicht geliebt habt, weil Ihr jemanden verletzen oder demütigen wolltet oder weil Ihr Abhängigkeiten ausgenutzt habt. Und wenn Ihr Gott auch sonst alles erzählt, dann mag es in Eurem Gebet auch ruhig um Sex gehen. Bittet um mehr Empathie, um mehr Zärtlichkeit, um Gottes Willen auch um mehr Ekstase, aber zuallererst bittet um mehr Gelassenheit!