TV-Tipp: "In Wahrheit - Mord am Engelsgraben" (ZDF)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "In Wahrheit - Mord am Engelsgraben" (ZDF)
15.6., ZDF, 20.15 Uhr
Vor einigen Wochen hat Arte den dritten Film mit Christina Hecke als Kriminalkommissarin aus dem Saarland gezeigt. Heute wiederholt das ZDF den Auftakt der Reihe „In Wahrheit“. Auch „In Wahrheit“ ist eher keins jener Projekte, für die ein Sender Plakatwände mieten würde. Der Film erzählt eine gewöhnliche Krimigeschichte nach dem Muster „Die Spur führt in die Vergangenheit“.

Der Regisseur ist beide Male der gleiche: Die Filmografie von Regisseur Miguel Alexandre weist diverse Mehrteiler auf, die in die Kategorie „Event“-Fernsehen gehören. Für die ARD hat er unter anderem den Udo-Jürgens-Film „Der Mann mit dem Fagott“ oder das Mutter-gegen-Stasi-Drama „Die Frau vom Checkpoint gedreht, für RTL das Flieger-Epos „Starfighter“. In den letzten Jahren hat sich der gebürtige Portugiese jedoch darauf konzentriert, die ZDF-Gotlandkrimireihe „Der Kommissar und das Meer“ neu zu erfinden.

Zum Film: Nach der Ermordung einer Prostituierten stößt die ermittelnde Kommissarin Judith Mohn (Christina Hecke) auf einen alten Fall. Damals ist eine junge Ausreißerin spurlos erschwunden. Warum die Ermittlerin ahnt, dass es einen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen gibt, wird zwar nicht recht deutlich, aber der Film spielt im Raum Saarlouis, wo es vermutlich noch weniger Morde gibt als im Rest der Republik; da liegt es dann wohl nahe, nach Zusammenhängen zu suchen. Davon abgesehen könnte sich die Geschichte überall zutragen; Alexandre hätte sie auch als neue Episode der Gotland-Krimis erzählen können. Zumindest aus Sicht des ZDF war „In Wahrheit – Mord am Engelsgraben“ aber offenbar mehr als nur ein Feld-, Wald- und Wiesenkrimi, wie die Darstellerliste zeigt: Selbst für kleinste Rollen wurden namhafte Schauspieler engagiert. Die Eltern des verschwundenen Mädchens zum Beispiel werden von Ulrike Krumbiegel und Peter Kremer verkörpert, die aber kaum was zu tun haben.

Das Drehbuch stammt von Harald Göckeritz, der schon oft mit Alexandre zusammengearbeitet hat. Für „Grüße aus Kaschmir“ wurden die beiden 2005 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet; „Still ruht der See“, der dritte Film der Reihe, ist eine weitere Kooperation der beiden. „Mord am Engelsgraben“ ist allerdings trotz der bekannten Mitwirkenden eher unspektakulär, auch wenn die elegante Bildgestaltung – Alexandre führt seit einigen Jahren stets auch die Kamera - von sichtbarer Sorgfalt geprägt ist. Es gibt diverse schwungvolle Kamerafahrten und –flüge, die mitunter allerdings mehr Dynamik suggerieren, als die Geschichte hergibt. Echte Spannung oder Anteilnahme will sich ebenfalls nicht einstellen, dafür kommen die Nebenfiguren einfach zu kurz. Andererseits erzählt der Film interessante Dramen am Rande, etwa vom Ehepaar Kupka (Anna Loos, Christian Berkel), dem nicht nur die Liebe abhanden gekommen ist, wie ein beiläufiger Blick auf eine Narbe am Handgelenk verrät. Reizvoll ist auch die Figur eines Polizisten im Ruhestand: Markus Zerner (Rudolf Kowalski) hat einst den Dienst quittiert, weil er den Eltern der verschwundenen Maria keine Gewissheit über das Schicksal ihrer Tochter verschaffen konnte; für sie ist die Judith Mohn reaktiviert ihn gewissermaßen. Schließlich stellt sich raus, dass der erste Todesfall ein völlig sinnloses, absurdes Unglück war, und womöglich war diese Idee der Ausgangspunkt der ganzen Geschichte.

Von den verschiedenen Leerstellen abgesehen ist „In Wahrheit“ ein Krimi, der sich gut anschauen lässt, aber Alexandre hat auch für „Der Kommissar und das Meer“ schon ganz andere Filme gedreht. So gesehen ist es fast wieder schade um das Ensemble, zumal die guten Schauspieler angesichts der Kürze ihrer Auftritte nur an der Oberfläche ihrer Figuren ratzen können. Anna Loos, stark geschminkt und dadurch noch strenger wirkend als sonst, gelingen als innerlich verhärmte Fernfahrerfrau dennoch intensive Momente. Fast zu groß für ihre Mini-Rolle ist auch die junge Emilia Bernsdorf, die seit zwei Jahren regelmäßig Glanzlichter setzt; sie spielt in den Rückblenden die verschwundene Maria.

Sehenswert ist der handlungsreiche Film nicht zuletzt wegen Christina Hecke, selbst wenn sie Frauen wie Judith Mohn regelmäßig verkörpert: empathisch, freundlich, ruhig, außerdem attraktiv und langbeinig; abgesehen von den Eheproblemen also eine erfrischend positive Hauptrolle, die komplett ohne die üblichen Ermittlermacken auskommt. Gerade bei ihr bleiben jedoch einige Fragen unbeantwortet; unter anderem wird nicht erklärt, warum ihr Mann (Juergen Maurer) eine derart düstere Figur ist. Den Saarländern wird’s allerdings sehr recht sein, dass das ZDF aus dem Auftakt eine Reihe gemacht hat; mit Ausnahme des „Tatort“ aus Saarbrücken ist das Bundesland weitgehend filmische Diaspora.