TV-Tipp: "Bier Royal" (ZDF)

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TV-Tipp: "Bier Royal" (ZDF)
28.1., ZDF, 20.15 Uhr
Der Titel ist wirklich clever, schließlich geht es in "Bier Royal" um die Geschicke einer Brau-Dynastie. Aber er ist auch riskant, denn die Anspielung auf "Kir Royal" weckt Erwartungen, an denen der zweiteilige Film fast zwangsläufig scheitern muss.

Helmut Dietls 1987 und 1988 gleich zweimal mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Serie handelte von den Erlebnissen eines Klatschreporters und war eine liebevolle Abrechnung mit dem Münchener Schickimicki-Milieu. In diese Richtung zielt auch "Bier Royal": Nach dem Tod des Patriarchen liefern sich die Erbinnen einen Machtkampf um die Münchener Traditionsbrauerei Arnulf. Tochter Vicky (Lisa Maria Potthoff) hat die letzten zehn Jahre in Amerika verbracht, ist mit einem früheren Basketballstar (Michael Klammer) verheiratet und möchte dem Unternehmen eine zukunftsweisende neue Ausrichtung geben. Ihre Stiefmutter Gisela Hofstetter (Gisela Schneeberger) will dagegen alles lassen, wie es ist. Weil sie die größeren Stimmanteile besitzt, beginnt bereits mit der Testamentseröffnung ein munterer Intrigantenstadl, bei dem die beiden Frauen alle Register ziehen, nicht ahnend, dass Geschäftsführer Maxlhuber (Robert Palfrader) noch viel weniger Skrupel hat, seine Interessen durchzusetzen.

Mit "Kir Royal" mag die Geschichte bis hierhin nicht viel zu tun haben, aber es gibt noch eine weitere wichtige weibliche Figur, und die ist die schlimmste von allen: Renate Rottmann (Ulrike Kriener) arbeitet für ein lokales Boulevardblatt, soll eine "Bier Royal" betitelte Reportagereihe über die Münchener Bier-Dynastien schreiben und ist somit das Pendant zu Baby Schimmerlos aus der Dietl-Serie. In dieser Rolle manifestiert sich auch das satirische Potenzial des Stoffs; die bitterbösen Dialogduelle, die sich die Journalistin mit ihrem Chefredakteur (Thomas Lobil) liefert, sind die einsamen Höhepunkte des Zweiteilers. Allerdings hat es auch den Anschein, als habe Drehbuchautorin Carolin Otto ihr Pulver damit bereits verschossen. Dank Ulrike Kriener weht zwar ein Hauch der 2011 gleichfalls mit dem Grimme-Preis gewürdigten (und wie "Bier Royal" ebenfalls von Oliver Berben produzierten) Serie "Klimawechsel" durch die Handlung, aber diese Ebene sticht vor allem deshalb heraus, weil die anderen deutlich braver ausfallen.

Trotzdem ist das Potenzial des Zweiteilers offenkundig, zumal Otto auch die Mauscheleien und Kungeleien aufs Korn nimmt, für die München berüchtigt ist. Eine besondere Rolle spielt dabei die Oberbürgermeisterin (Ute Willing), die ein ambitioniertes Wohnprojekt in zentraler Lage plant und mit dem verstorbenen Hofstetter einen Deal geschlossen hat, an den sich Vicky nicht gebunden fühlt. Außerdem gibt es diverse Nebenschauplätze, die oft allerdings nur mittelbar mit der Handlung zu tun haben. Einige sind amüsant, andere wirken überflüssig, aber das größere Manko von "Bier Royal" ist die Umsetzung: Es ist Christiane Balthasar, Regisseurin unter anderem fast aller Filme der guten Krimireihe "Kommissarin Heller" (Lisa Wagner hat einen winzigen Gastauftritt als Saunabesucherin), nicht gelungen, aus all’ den kleinen und großen Ereignissen einen harmonischen Handlungsfluss zu bilden. Deshalb wirkt der Zweiteiler nicht bloß zu lang, sondern auch episodisch.

Davon abgesehen ist die Kombination dieser Episoden mitunter recht irritierend: Gerade noch hatte Vicky eine Fehlgeburt, in der nächsten Szene wird ein Hund überfahren. Der Vierbeiner war der Liebling des Patriarchen. Sein Frauchen ist nun Rosa, Vickys frühere Kinderfrau; Marianne Sägebrecht repräsentiert gemeinsam mit Fred Stillkrauth, unverzichtbarem Original praktisch aller TV-Produktionen aus Oberbayern, das Lokalkolorit. Rosa rächt sich an der arroganten Witwe, indem sie Reporterin Rottmann mit allerlei pikanten Details über die Familie versorgt. Hätte das ZDF gefordert, den Stoff auf 120 Minuten zu reduzieren, wären Rosa und ihr Freund als erstes gestrichen worden.

Carolin Otto lässt sich mit der Bemerkung zitieren, ihr habe "eine Mischung aus ‚Kir Royal’ und ‚Denver Clan’" vorgeschwebt. Es ist dann, wenn überhaupt, mehr "Denver Clan" geworden, zumal das bei den Fans der Serie bis heute legendäre und von Joan Collins verkörperte "Denver-Biest"  offenbar Patin für gleich beide weibliche Hauptfiguren war. Otto hatte schon beim Schreiben Gisela Schneeberger vor Augen, und natürlich ist die Schauspielerin genau die richtige, aber eben auch eine erwartbare Besetzung. Im Vergleich zur schillernden Stiefmutter ist Vicky Rolle ein bisschen sympathischer, aber auch etwas reizloser, was Otto dadurch ausgleicht, dass Vicky eine Liebschaft mit dem Braumeister (Andreas Kiendl) beginnt. Das führt zwar zu einer immerhin verblüffenden Schlusspointe, ist aber im Grunde genauso unnötig wie ein Erlebnis ihres Gatten in Sachsen. Dort will der dunkelhäutige Dan einen eigenen Betrieb aufziehen, und selbstverständlich ist die Kopfverletzung, mit der er nach Hause kommt, das Ergebnis einer Begegnung mit Neonazis; ein typisches Beispiel für ein misslungenes Spiel mit einem Klischee.

Viel besser ist "Bier Royal", wenn Otto und Balthasar an den richtigen Stellen dick auftragen. Maxlhuber sammelt nationalsozialistische Devotionalien, und als sich die einstige Marxistin Rottmann zwecks Recherche auf eine Affäre mit dem Geschäftsführer einlässt, zeigt ihr der Österreicher voller Stolz seine Sammlung von Devotionalien, darunter auch eine riesige Unterhose von Hermann Göring. Das hat zwar keine tiefere Bewandnis, aber nun weht wenigstens auch noch ein Hauch von "Schtonk!" durch die Handlung. Andere Figuren sind dagegen einfach bloß überzeichnet. Vickys Bruder (Frank Pätzold) zum Beispiel kleidet sich wie Graf Dracula, schläft im Sarg, fährt einen Leichenwagen und führt Geschäftsgespräche im Sadomaso-Club. Da ist ein Gastauftritt Eisi Gulps als koksender Koch mit Veganer-Hass deutlich erfrischender. Über allem aber schwebt ohnehin die Frage, was Helmut Dietl aus diesem Stoff gemacht hätte.