TV-Tipp: "Bist du glücklich?" (ARD)

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TV-Tipp: "Bist du glücklich?" (ARD)
2.1., ARD, 20.15 Uhr
Der offenkundigste Unterschied zwischen einer Romanze und einem Drama ist die Platzierung des Happy Ends. "Betrug" nach dem gleichnamigen Theaterstück von Harold Pinter zum Beispiel beginnt mit der Trennung eines Paares und endet mit der ersten Begegnung. David Ungureits Drehbuch zu "Bist du glücklich?" funktioniert ganz ähnlich.

Sonja und Marc (Laura Tonke, Ronald Zehrfeld) sind auf dem Weg in die hessische Provinz; der Verkauf ihres gemeinsamen Wochenendhauses soll der letzte Akt ihrer Beziehung sein. Die Fahrt bildet die Rahmenhandlung, in deren Verlauf Ungureit und Regisseur Max Zähle mit Hilfe einer Rückblendenkonstruktion erzählen, wie sich die Beziehung des Paars in den vergangenen 13 Jahren entwickelt hat. Die entsprechenden Zeitsprünge sind dabei so kunstvoll arrangiert, dass trotz einer zwangsläufig episodischen Erzählweise ein plausibler Handlungsfluss entsteht. In vielen Szenen bedient sich Zähle eines einfachen, aber wirkungsvollen Tricks, um die Übergänge möglichst harmonisch zu gestalten: indem er das frisch verliebte und das frisch getrennte Paar quasi in der gleichen Einstellung zeigt, wenn bestimmte Orte im Verlauf der Reise eine Erinnerung wachrufen.

"Bist du glücklich?" ist eine Produktion der für ihre unkonventionellen Dramen bekannten Fernsehfilmredaktion des Hessischen Rundfunks. Der letzte HR-Film, "Frankfurt, Dezember ’17" (Oktober 2018), hat sich ebenfalls an einer komplizierten Zeitsprungdramaturgie versucht, aber hier funktioniert das Stilmittel dank einer gelungenen Montage ungleich besser: In einem Dorfgasthof haben Sonja und Marc vor vielen Jahren das beste Chili ihres Lebens gegessen, nachdem sie zuvor bei strömendem Regen Sex im Auto hatten. In der Rückblende verlassen sie das Lokal, aber die Tür ist noch nicht zu, da geht sie wieder auf, und das heutige Paar tritt ein. Der einstige Zauber ist jedoch dahin, das Chili schmeckt auch nicht mehr. Andere Erinnerungen werden durch Gegenstände angeregt: In einem Karton mit seinen restlichen Sachen findet Marc einen Stein mit einer Telefonnummer. Er ist Vermessungstechniker und hätte Sonja mit diesem Stein bei ihrer ersten Begegnung beinahe getroffen, als er ein Loch gegraben hat.

Das klingt nach Stichwortdramaturgie, aber der Film funktioniert in dieser Hinsicht ähnlich wie das menschliche Gehirn, das auf Orte oder Begegnungen reagiert. Für die bessere Zuordnung der verschiedenen Ebenen bedient sich Zähle einer naheliegenden Methode: Die unterschiedlichen Zeiten lassen sich am Ausmaß von Ronald Zehrfelds Vollbart oder an Laura Tonkes wechselnden Frisuren identifizieren. Entscheidender aber ist natürlich, wie es den beiden vorzüglichen Schauspielern gelingt, das wechselnde Gefühlsleben des Paars zu vermitteln. Für große Realitätsnähe sorgen vor allem Kleinigkeiten, die Ungureit der Wirklichkeit abgeschaut hat. Typisch ist zum Beispiel die Salzstreuerszene: Marc ärgert sich offenbar regelmäßig darüber, dass Sonja nach dem Essen immer auch den Salzstreuer abräumt. Seiner Ansicht nach gehört er auf den Esstisch, wo sie ihn kurzerhand festklebt. Was im ersten Moment komisch klingt, ist eine feine Beobachtung jener Nebensächlichkeiten, über die zu Beginn einer Beziehung niemand ein Wort verlieren, die aber später einen handfesten Streit auslösen können. Die Titelfrage wird zwar erst am Schluss gestellt und nicht beantwortet, aber es geht ohnehin nicht um Glück, sondern um Liebe. Sonja hat stets bedauert, dass Marc nie "Ich liebe dich" gesagt hat, sondern immer nur "Ich dich auch". Für ihn ist Liebe wie ein Volkswagen: nicht extravagant, aber zuverlässig im Alltag. Liebe, sagt er, sei die Fähigkeit, über die Macken des anderen hinwegzusehen.

"Bist du glücklich?" ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Film. Dazu gehört die sorgfältige Verschränkung der Zeitebenen, der souveräne Umgang mit beiläufig eingeführten Details, die erst später wieder aufgegriffen und erklärt werden, sowie die unverkrampfte Nacktheit. Außerdem gelingt es Ungureit und Zähle, eine unspektakuläre Geschichte mit einer ganz eigenen Spannung aufzuladen. Dabei ist dieser Film für beide durchaus ungewöhnlich: Max Zähle ist nach seinem originellen Kinodebüt "Schrotten!" (2016) mit einem nicht weiter auffälligen Beitrag zur ARD-Krimireihe "Nord bei Nordwest" ("Sandy", 2018) recht bald im Fernsehalltag angekommen, hat aber immerhin mit "Der steinerne Gast" eine der bislang besten Episoden der Krimireihe "Wolfsland" (2018, ARD) gedreht. Ungureit wiederum hat viele Drehbücher für die ARD-Märchenreihe "Sechs auf einen Streich" geschrieben und dabei stets eine höchst unterhaltsame Mischung aus spannenden und komischen Situationen gefunden. Seine Fernsehfilme waren meist Komödien wie "Ein Reihenhaus steht selten allein" (2013) und in der Regel ebenfalls sehenswert. "Bist du glücklich?" ist zwar schon allein wegen der latent gereizten Gegenwartsstimmung alles anderes als komisch, aber die Rückblenden enthalten durchaus heitere oder verblüffende Momente; wer hätte gedacht, dass sich ein hartnäckiger Ehering mit Zahnseide entfernen lässt? Und schließlich gibt es noch ein romantisches Komplott: Ein befreundetes Ehepaar (Eleonore Weisgerber, Günther Maria Halmer), das sich um das Ferienhaus kümmert, verschiebt den Termin mit den Kaufinteressanten frech auf den nächsten Tag; Roman schraubt sogar die Glühbirnen aus den Lampen.