Kirchen müssen Politik zu Maßnahmen gegen Armut drängen

Ein Großteil des Solidaritätszuschlags wird von Wohlhabenderen und Reichen unter anderem über die Kapitalertragssteuer bestritten.
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Das Baukindergeld und Abschaffung des Soli gehen genau in die falsche Richtung, sie entlasten die Reichen und belasten Geringverdiener.
Kirchen müssen Politik zu Maßnahmen gegen Armut drängen
Der Armutsforscher Christoph Butterwegge hat der Bundespolitik vorgeworfen, die Spaltung der Gesellschaft in Reiche und Arme voranzutreiben. Dazu trügen auch Maßnahmen wie das Baukindergeld und die von verschiedenen Politikern geforderte Abschaffung des Solidaritätszuschlags in der Einkommensteuer bei, sagte der Sozialwissenschaftler am Donnerstag bei der Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in Berlin.

Die Kirchen müssten die Politik wieder stärker drängen, ihrer Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerecht zu werden, betonte Butterwegge. Seit dem Sozialwort der Kirchen von 1997 seien diese in der Öffentlichkeit dabei deutlich zurückhaltender geworden. Mit Entlastungen für Reiche wie durch Baukindergeld und Soli-Abschaffung wachse zugleich die Armut anderer. Dagegen müssten die Kirchen ihr Wort lauter und deutlicher erheben und stärker Partei für die Armen ergreifen.

50 Prozent der Deutschen zahlten nur einen minimalen Bruchteil des Solidaritätszuschlags, betonte Butterwegge. Der Großteil werde von Wohlhabenderen und Reichen unter anderem über die Kapitalertragssteuer bestritten. Von einer Abschaffung des Soli profitierten deshalb Arme und Menschen mit geringem Einkommen nicht. Das Baukindergeld und ähnliche Leistungen kämen Wohlhabenden zugute und würden zugleich von Alleinerziehenden über die Mehrwertsteuer mitfinanziert. Baukindergeld und Abschaffung des Soli gingen deshalb genau in die falsche Richtung.



Die wachsende Ungleichheit und die Spaltung in Arm und Reich seien in Deutschland und weltweit das "Kardinalproblem" der Gesellschaften, betonte Butterwegge. Diese Spaltung führe zu ökonomischen Krisen, Kriegen und Bürgerkriegen und in der Folge zu Fluchtbewegungen, die dann zum Teil auch in Europa und Deutschland ankommen. Der Seehofer-Spruch, dass die "Migration die Mutter aller Probleme" sei, sei Unsinn, betonte der Sozialwissenschaftler: "Die Armut ist die Mutter aller Migrationsbewegungen."

Wer Armut wirksam bekämpfen will, müsse an den Reichtum heran, forderte Butterwegge: "Wer über den Reichtum nicht sprechen will, der soll auch von der Armut schweigen." Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken will, müsse dafür sorgen, dass die Kluft zwischen Arm und Reich geschlossen werde, dafür sei Umverteilung von oben nach unten notwendig.