Emmanuel Macron erhält Aachener Karlspreis

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron
Foto: Martin Meissner/AP/dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron winken nach der Verleihung des Karlspreises von dem Balkon des Rathauses in Aachen.
Emmanuel Macron erhält Aachener Karlspreis
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat ein starkes, selbstbewusstes, solidarisches und angstfreies Europa gefordert. "Wir dürfen nicht schwach sein, wir dürfen nicht einfach etwas hinnehmen", sagte er am Donnerstag bei der Verleihung des Internationalen Karlspreises im Krönungssaal des Aachener Rathauses. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in ihrer Laudatio, Europa müsse sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und könne sich nicht mehr auf andere verlassen. Bis zum Sommer werde es gemeinsame deutsch-französische Reformvorschläge für die EU geben.

Macron wurde für seine "Vision von einem neuen Europa und der Neugründung des europäischen Projekts" mit dem Karlspreis ausgezeichnet. "Wir müssen ablehnen, dass andere für uns entscheiden", sagte der französische Staatspräsident mit Blick auf den Ausstieg der USA aus dem Internationalen Klimaabkommen und dem Nuklearabkommen mit dem Iran. Europa müsse für seine Positionen und Werte, für seine eigene Souveränität eintreten. "Wir dürfen uns nicht aufspalten lassen", mahnte er. In der Finanzkrise habe sich Europa in die Länder des Nordens und Südens, in der Flüchtlingsfrage in die Länder des Ostens und Westens trennen lassen. "Spaltung treibt uns in die Untätigkeit", kritisierte Macron.

Bei seinen Reformvorschlägen etwa für einen gemeinsamen Haushalt für die Eurozone gehe es nicht um Frankreichs Vorteil oder ein Europa der Defizite. "Frankreich will ein Europa um Europas Willen", unterstrich der Karlspreisträger. Europa müsse auf Solidarität gebaut sein, es sei mehr als nur der Club einiger weniger. Es brauche eine gemeinsame Politik etwa im Bereich der Migration, der Sicherheit, des Handels, der Forschung und Entwicklung.

"Wir dürfen keine Angst haben", sagte Macron. Es brauche eine lebendige Diskussion sowie tiefgreifende Reformen. "Wir dürfen nicht warten", unterstrich er. "Nationalisten, Demagogen und Ängste äußern sich klar." Wer Europa wolle, müsse sich ebenso klar äußern. Es brauche eine gemeinsame Vision für die nächsten 30 Jahre. Danach könnten alle gemeinsam auch kleine Schritte zu diesem Ziel gehen.

"derzeit größter Impulsgeber des heutigen Europa"

Bundeskanzlerin Merkel würdigte Macron in ihrer Laudatio als einen jungen, dynamischen Politiker, der Begeisterungsfähigkeit für Europa verkörpere. "Wir sind gemeinsam mit Frankreich überzeugt, dass wir einen neuen Aufbruch in Europa brauchen", betonte sie.  Sie unterstütze Macron in seinen Forderungen nach europäischen Universitäten, einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik sowie Innovationen und Investitionen im Bereich der Digitalisierung.

Deutschland und Frankreich näherten sich oft aus unterschiedlicher Richtung den Herausforderungen der Zeit, betonte Merkel. Doch die Unterschiede trennten nicht, sondern führten zusammen und ermöglichten gemeinsame Lösungen. "Das ist für mich die Herausforderung und der Zauber Europas", sagte die CDU-Politikerin. Die europäische Entwicklung sei in einer entscheidenden Phase.

Der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) bezeichnete Macron als den "derzeit größten Impulsgeber des heutigen Europa". Er habe das Preisdirektorium mit seiner Geschwindigkeit und der inhaltlichen Tiefe seiner Ideen sehr beeindruckt. Es liege nun an allen Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, Ideen für die Zukunft zu entwickeln, auch wenn diese sehr unterschiedlich seien. "Nur Schweigen ist nicht akzeptabel, denn das ist unser gemeinsames Europa", betonte Philipp.

Der Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als älteste und wichtigste Auszeichnung für Verdienste um die Verständigung und Zusammenarbeit in Europa. Er ist nach Kaiser Karl dem Großen (747/748-814) benannt, der als Vordenker eines geeinten Europas angesehen wird und schon zu Lebzeiten als "Vater Europas" bezeichnet wurde. Verliehen wird der undotierte Bürgerpreis seit 1950, die Idee dazu hatte ein Jahr zuvor der Aachener Textilkaufmann Kurt Pfeiffer. Über die Preisträger entscheidet bis heute ein unabhängiges Gremium Aachener Bürger.

Die Auszeichnung wird traditionell an Christi Himmelfahrt im Krönungssaal des historischen Aachener Rathauses überreicht. Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer Medaille, die auf der Vorderseite das älteste Stadtsiegel aus dem zwölften Jahrhundert mit thronendem Karl dem Großen zeigt. Die Rückseite enthält eine Inschrift für den jeweiligen Preisträger.

Zu den ausgezeichneten Politikern gehören Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008) und ihre Amtsvorgänger Konrad Adenauer (1954) und Helmut Kohl (1988, alle CDU), der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (2015, SPD), der heutige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (2006), der frühere US-Präsident Bill Clinton (2000) sowie der damalige spanische König Juan Carlos (1982). Auch die früheren französischen Präsidenten François Mitterrand (1988) und Valéry Giscard d'Estaing (2003) erhielten den Preis.

Als Institution wurde unter anderem 1969 die Europäische Kommission geehrt, 2002 der Euro. Im vergangenen Jahr erhielt der britische Historiker Timothy Garton Ash die Auszeichnung. Er war mit weiteren früheren Preisträgern wie etwa Martin Schulz (SPD) ebenfalls bei der Preisverleihung dabei. Auch zahlreiche Staats- und Regierungschefs nahmen teil, unter ihnen der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko und der spanische König Felipe. Am Nachmittag wollte Macron mit Aachener Studenten über die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft diskutieren.

WWF fordert Klimaschutz-Initiative von Merkel und Macron

Anlässlich der Verleihung des internationalen Aachener Karlspreises an den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron hat der Umweltverband WWF zu mehr Einsatz gegen den Klimawandel aufgerufen. "Im Kampf gegen die Klimakrise ist die gemeinsame europäische Initiative unverzichtbar", erklärte der WWF am Donnerstag in Berlin: "Macron wirbt für gemeinsames Engagement in Europa, dafür werben auch wir, besonders beim Klimaschutz."

Derzeit falle die EU noch weit hinter das zurück, was nötig wäre, um dem internationalen Klimaabkommen von Paris gerecht zu werden, erklärte Eberhard Brandes vom WWF Deutschland. Die EU müsse ihr Klimaziel für 2030 deshalb von 40 Prozent auf mindestens 55 Prozent Treibhausgasverringerung anheben. Dazu sei auch der Ausstieg aus der Kohle nötig.