Tatsächlich könnte die Geschichte mit "Es waren einmal zwei Schwestern" beginnen. Dass die beiden nach dem frühen Tod der Mutter nun auch den Vater verlieren, würde ebenfalls noch zum märchenhaften Charakter passen. Aber Léonie-Claire Breinersdorfer, die den gleichnamigen Roman von Petra Durst-Benning adaptiert hat, erzählt mit "Die Glasbläserin" allenfalls ein Märchen für Erwachsene, denn Johanna und Marie Steinmann (Luise Heyer, Maria Ehrich) wachsen in einer Welt auf, die für Frauen wie sie keinen Platz hat.
Tilmann P. Gangloff setzt sich seit 40 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei erwachsenen Kindern und lebt am Bodensee. Er war über 30 Jahre lang Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, ist ständiges Mitglied der Jury Kindermedien beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und 2023 mit dem Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik ausgezeichnet worden.
Regisseurin Christiane Balthasar hat nicht zuletzt dank der ZDF-Reihe "Kommissarin Heller" eine große Krimi-Erfahrung und weiß natürlich auch, wie man eine historische Geschichte spannend erzählt. Kostümbild und Ausstattung sind angemessen aufwändig und sorgen gemeinsam mit der Bildgestaltung (Hannes Hubach) und einem entsprechenden Licht dafür, dass die Zeit glaubwürdig zum Leben erweckt wird. Dank Balthasars Umsetzung wirken gerade die Werkstattszenen jedoch alles andere als museal oder gar verklärend, zumal die Arbeitsbedingungen miserabel sind. Die betont düster gefilmte Gegend (gedreht wurde in der Nähe von Prag sowie im südlichen Böhmen) verhindert ebenfalls, dass eine heimelige Atmosphäre entsteht. Dennoch trägt die Geschichte der beiden Schwestern, deren eigentlich von großer Zuneigung geprägte Beziehung angesichts der existenziellen Not immer gereizter wird, sehr moderne Züge: Was Johanna bei Strobel erlebt, ist mit der Beschreibung "sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz" absurd verharmlost; und wie es Marie nach der für die damalige Zeit ohnehin unerhörten Trennung von Thomas gelingt, sich als alleinerziehende Mutter durchzuschlagen, nötigt größten Respekt ab. Deshalb ist "Die Glasbläserin" aller Tristesse zum Trotz nicht deprimierend, zumal die beiden Schwestern schließlich neben dem geschäftlichen und dem künstlerischen auch noch ihr privates Glück finden. Die Musik (Johannes Kobilke), in Filmen dieser Art für gewöhnlich getragen und erdenschwer, ist ohnehin ungewöhnlich melodiös.