Repressionen wegen Regenbogenfahne

Einige Zuhörer der libanesischen Gruppe Mashrou Leila hielten beim Konzert am 22.09.2017 in Kairo eine Regenbogenfahne in die Höhe.
Foto: dpa/Benno Schwinghammer
Zuhörer der libanesischen Gruppe Mashrou Leila halten beim Konzert der Gruppe Mashrou Leila eine Regenbogenfahne in die Höhe.
Repressionen wegen Regenbogenfahne
Dutzende Menschen in Ägypten inhaftiert
Nach dem Konzert einer Band nimmt die Verfolgung von Homosexuellen in Ägypten ein neues Ausmaß an. Dutzende werden festgenommen, hohe Haftstrafen verhängt. Parlamentarier diskutieren über ein Gesetz, das gleichgeschlechtliche Liebe kriminalisiert.

Die Verhaftungen begannen nach einem Konzert, bei dem ein Stück Stoff in den Farben des Regenbogens in die Luft gehalten wurde. Vor gut einem Monat, am 22. September, trat in Ägypten Mashrou' Leila (Nachtprojekt) auf, eine libanesische Indieband, die bei jungen und liberalen Arabern sehr beliebt ist. Die Musiker thematisieren in ihren Liedern Tabuthemen der Arabischen Welt, kritisieren religiösen Fanatismus, Korruption und Engstirnigkeit. Frontmann Hamed Sinno ist schwul und im Publikum hielten einige Fans die Fahne hoch, die das Markenzeichen der Bewegung der Homosexuellen ist. Es dauerte nicht lange, bis eine hysterische Debatte begann und Festnahmen folgten.

Nach Angaben der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte EIPR wurden in den Wochen nach dem Konzert fast 60 Menschen festgenommen. Grundlegende Rechte seien von den Strafverfolgern missachtet worden. Den Beschuldigten erlaubten die Behörden demnach nicht, ihre Angehörigen und Anwälte zu kontaktieren. Ihnen sei mit Gewalt gedroht worden und es habe Misshandlungen gegeben - zum Beispiel erzwungene Analuntersuchungen.

Homosexuelle Handlungen in Ägypten nicht verboten

Mit der Verfolgung von Schwulen und Transsexuellen hat der ägyptische Staat nach den Muslimbrüdern und den Demokratie-Aktivisten eine weitere Gruppe ins Visier genommen: Homosexuelle und Transgender-Menschen. Da in Ägypten - anders als in anderen arabischen Ländern - homosexuelle Handlungen nicht verboten sind, werden Artikel zu "Ausschweifungen" im Antiprostitutionsgesetz herangezogen. Mindestens zehn Menschen wurden nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch schon im Oktober in erster Instanz zu Haftstrafen zwischen einem und sechs Jahren verurteilt. Weitere Prozesse stehen bevor.

Zuletzt legte ein Abgeordneter einen Gesetzentwurf beim Parlamentspräsidenten vor, wonach Homosexualität künftig strafrechtlich verfolgt werden soll. Laut ägyptischen Medien haben mehrere Abgeordnete angekündigt, den Entwurf unterstützen zu wollen. Demnach sollen homosexuelle Handlungen mit Haftstrafen zwischen einem und fünf Jahren geahndet werden. Jenen, die Symbole von Homosexuellen zeigten, würden ebenfalls Haftstrafen drohen.

Die deutsch-ägyptische Politikwissenschaftlerin Hoda Salah beurteilt die derzeitige Entwicklung so: "Der ägyptische Staat geht gegen Homosexuelle dann vor, wenn er seine Legitimation in der Gesellschaft verliert und wenn der Islamismus stärker wird." Werden etwa Vorwürfe laut, der Staat sei nicht religiös genug, versuche die Regierung, das Gegenteil zu beweisen. Ägypten hat derzeit ein Problem mit islamistischem Terrorismus. Wegen Anschlägen auf koptische Christen mit Dutzenden Toten gilt seit einem halben Jahr der Ausnahmezustand.

Menschenrechtler und Solidaritätsgruppen werfen den ägyptischen Medien vor, in den vergangenen Wochen eine Hetzkampagne betrieben zu haben. Tatsächlich hatte sich der oberste Medienrat in einem Statement zu dem Konzert geäußert und laut Zeitungsberichten betont, dass Schwule nicht in den Medien auftauchen sollten. Denn Homosexualität sei eine "Krankheit", die versteckt werden müsse.

Einige Medien benutzten in Kommentaren den arabischen Begriff Schawaz, der pervers oder abartig bedeutet und die staatliche Zeitung "Al-Ahram" betitelte ein Meinungsstück mit den Worten: "Das Banner der Abartigen (?) und das Abdriften der Jugend". Eine "unsichtbare Hand", heißt es in dem Artikel, führe ägyptische Jugendliche hin zu "perversem" Benehmen oder zu den radikalen Ideen von Terrorgruppen.

"Der Gedanke macht uns krank"

Eine vergleichbare Verhaftungswelle gegen Schwule gab es zuletzt im Jahr 2001. Damals waren bei einer Nachtclub-Razzia 52 Männer festgenommen worden. Allerdings registrieren Menschenrechtler seit vier Jahren - also seit der Machtübernahme des ehemaligen Armeechefs und heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi - wieder verstärkte Repressionen gegen Schwule, Lesben oder Transgender-Menschen. Laut EIPR wurden zwischen Herbst 2013 und Frühjahr 2017 mindestens 232 Menschen festgenommen, die dieser Bewegung zugeordnet wurden.

Die Band Mashrou' Leila - die in Ägypten nun nicht mehr auftreten darf - reagierte auf ihrer Facebook-Seite erschüttert über die Folgen des Konzerts. "Der Gedanke macht uns krank", schrieben die Musiker, "dass eine solche Hysterie erzeugt wurde wegen Jugendlichen, die ein Stück Stoff in die Luft halten, das für Liebe steht".