TV-Tipp: "Tatort: Amour fou" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Amour fou" (ARD)
5.6., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Amour fou"
Exakt ein Jahr ist seit der Ausstrahlung des letzten "Tatort"-Krimis aus Berlin vergangen; Zeit genug für einen Neuanfang. Die in den ersten vier Filmen horizontal erzählte Vorgeschichte von Karow (Mark Waschke), die meist interessanter war als die eigentlichen Fälle, ist endlich abgeschlossen und offenbar ad acta gelegt; sie findet in der fünften Episode keinerlei Erwähnung mehr. Das ist auch gut so.

Den wechselnden Autoren ist es meist nicht gelungen, die Verwicklungen des Kommissars ins organisierte Verbrechen harmonisch in die Handlung zu integrieren. Ein deutlich größerer Fremdkörper war allerdings das Privatleben der Kollegin Rubin (Meret Becker); in "Amour fou" spielt es endlich nur noch eine Nebenrolle. Trotzdem ist auch dieser Film nicht rundum gelungen. Das liegt nicht zuletzt an den Hauptfiguren, die beide nicht sonderlich sympathisch sind. Regie führte Vanessa Jopp, deren kürzlich im "Ersten" ausgestrahlter Kinofilm "Lügen und andere Wahrheiten" das gleiche Problem hatte. Die Regisseurin ist für ihre ersten Arbeiten - "Vergiss Amerika", 2000, sowie "Engel & Joe", 2001 - vielfach ausgezeichnet worden und hat seither vor allem anspruchsvolle Kinokomödien ("Meine schöne Bescherung") gedreht. Ihre Fernseharbeiten waren dagegen mit Ausnahme von "Klimawechsel" (Grimme-Preis) eher durchwachsen; das gilt auch für ihren einzigen bisherigen "Tatort" ("Der schwarze Troll", 2003).

An "Amour fou" hat Jopp vermutlich vor allem das komplizierte Mit- und Gegeneinander der verschiedenen Figuren gereizt; auf konventionelle Krimispannung hat sie offenbar weniger Wert gelegt. Drehbuchautor Christoph Darnstädt erzählt allem Anschein nach eine klassische Dreiecksgeschichte, was sich später jedoch als raffinierte Finte erweist. Weil der Film aber besonders clever sein will, entpuppt sich die Geschichte vom Schluss her betrachtet als komplett konstruiert und völlig unglaubwürdig. "Amour fou" lebt in erster Linie von der kraftvollen Melancholie Jens Harzers, der schon in dem Kinothriller "Boy 7" und zuletzt in einem "Tatort" aus Frankfurt ("Es lebe der Tod") formidable Schurken verkörpert hat. Hier spielt er einen Witwer unter Mordverdacht: Als in einer Gartenlaube eine mit Hilfe von Benzin verbrannte Leiche gefunden wird, deutet zunächst alles auf einen Mord aus Homophobie. Der tote Enno war homosexuell und Lehrer an einer Neuköllner Gesamtschule, deren Schüler größtenteils Migrationshintergründe haben; es hatte schon vorher schwulenfeindliche Vorfälle gegeben, bei denen sich einige Jungs mit ehemals jugoslawischen Wurzeln besonders hervorgetan haben. Karow glaubt jedoch an eine Beziehungstat: Enno und sein Mann Armin (Harzer) haben Duran, einen Jungen aus der Clique, quasi adoptiert. Enno soll Duran in der Schule missbraucht haben und ist deshalb suspendiert worden. Die Videobilder einer Tankstelle zeigen den Jungen, wie er einen Kanister mit Benzin füllt. Karow ist überzeugt, dass Armin und Duran den Dritten im Bunde gemeinschaftlich ermordet haben; aus Rache, Eifersucht oder beidem. Die titelgebende verrückte Liebe bezieht sich jedoch auf eine völlig andere Beziehung, denn zwischen all’ den Männern steht die schwangere junge Jasna; Lisa Vicari hat sich erst kürzlich in der ARD-Freitagskomödie "2 Sturköpfe im Dreivierteltakt" für eine Hauptrolle empfohlen.

Natürlich erhält die Geschichte einen besonderen Reiz, weil Karow ebenfalls schwul oder zumindest bisexuell ist, schließlich flirtet er auch mit der Rechtsmedizinerin (Maryam Zaree). Kein Wunder, dass Rubin einigermaßen irritiert ist, als der Kollege eine Nacht bei Armin verbringt. Anschließend verschweigt er boshafter Weise, dass er nur seelischen Beistand geleistet und nebenbei ein wenig ermittelt hat. Die Beziehung des Duos ist ohnehin nach wie vor von einer seltsamen Mischung aus Abneigung und Distanz geprägt; und Karows Undankbarkeit gegenüber der jungen Mitarbeiterin Anna (Carolyn Genzkow), die klaglos in Nachtschichten die undankbare Recherchearbeit am Computer erledigt, ist ausgesprochen unkollegial.

Am Ende gibt es zwei Geständnisse, beide gelogen, einen kleinen Knüller sowie eine etwas umständliche Rechtfertigung dafür, warum Darnstädt die Geschichte so unnötig kompliziert erzählt. Zuschauer mit einer Abneigung gegen allzu derbe Dialoge werden da womöglich längst umgeschaltet haben.