Wolfgang Huber ruft zu mehr Achtsamkeit im Internet auf

Wolfgang Huber ruft zu mehr Achtsamkeit im Internet auf
Auch um Hass-Rede im Internet geht es auf dem Kirchentag. Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber rief zu mehr Achtsamkeit im Netz auf. Innenminister de Maizière diskutierte mit Markus Beckedahl über den Gesetzentwurf gegen "Hate Speech".

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber hat angesichts einer Zunahme von Hass im Internet zu mehr zwischenmenschlicher Achtung aufgerufen. Das Internet habe sich "zu einer Waffe entwickelt, die anderen Gewalt antut", sagte Huber am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Berlin. Die online massenhaft vervielfachte verbale und psychische Gewalt nehme von Tag zu Tag zu. "Hate Speech ist der neue Ausdruck dafür", sagte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Rufmord ist in vielen Fällen passender."

Ungefilterte Äußerungen und unfertige Gedanken würden unbedacht ins Internet gesetzt. "Oft endet die Achtlosigkeit in Verachtung", sagte der 74-jährige Theologe laut vorab verbreitetem Redemanuskript. "Die Verletzung der Menschenwürde erhält eine neue Dimension. Das Netz wird zum Pranger." Er rief Internet-Unternehmen wie Facebook auf, konsequenter gegen verletzende Äußerungen und Gewaltvideos vorzugehen. Zudem solle sich die Politik für eine globale Vereinbarung "zur Ausübung medialer Macht" einsetzen.

Jeder Internetnutzer müsse sich selbst auf die Wahrheit verpflichten, betonte Huber in seiner Rede zum Thema "Kommunikative Freiheit im digitalen Zeitalter" im Berliner Dom. Nichts unterhöhle die kommunikative Freiheit mehr "als das skrupellose Streuen von Fake News, also wahrheitswidrigen Nachrichten".

Der frühere Berliner Bischof rief Nutzer zudem auf, eigene Daten besser zu schützen. Während staatliche Abhöraktionen auf Empörung stießen, werde die Weiterverwendung persönlicher Daten durch Facebook, Google und Amazon gelassen hingenommen. "Mit einem einzigen Haken überlassen wir einer Internetfirma oder einem Autoverleih die permanente Kontrolle über unseren Aufenthaltsort - eine selbst angelegte elektronische Fessel", sagte Huber. "Wir dürfen nicht zu oft solche Haken setzen. Das verlangt die Selbstachtung."

Huber war von 2003 bis 2009 EKD-Ratsvorsitzender und von 1994 bis 2009 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

De Maizìere: Gesetz gegen Internet-Hass "nicht der Weisheit letzter Schluss"

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat ebenfalls ein respektvolles Miteinander in den sozialen Netzwerken eingefordert. Die "massenhafte Verbreitung von Verunglimpfungen" mache ihm Sorgen, sagte de Maizière am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag in Berlin. Auf Kritik an dem von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgeschlagenen Gesetz gegen Hass im Internet reagierte der CDU-Politiker mit Verständnis. Der Gesetzentwurf sei noch nicht "der Weisheit letzter Schluss." Laut Entwurf sollen soziale Netzwerke offenkundig strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden löschen. In komplizierten Fällen bekommen die Internetkonzerne sieben Tage Zeit. Kommen die Betreiber dem nicht nach, drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro.

Netzaktivist Markus Beckedahl bezeichnete das Gesetz als "gut gemeint, aber schlecht gemacht". Er befürchte "eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung". Die Beurteilung, ob Inhalte strafbar sind oder nicht, sei die Aufgabe der Justiz. Auch Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen äußerte Bedenken. Das Gesetz liefere Anreize zur präventiven Löschung von Inhalten. Plattformen wie Facebook würden dadurch noch mehr Macht gewinnen, obwohl diese eigentlich beschränkt werden solle.

Innenminister de Maizière räumte ein, dass Facebook & Co nicht zu Zensoren werden dürften. Andererseits müsse dafür gesorgt werden, dass sich die Internetkonzerne nicht jeglicher Verantwortung entziehen können. Diesen Konflikt gelte es zu lösen. Unabhängig davon erwarte er, dass Menschen auch im Internet Respekt voreinander zeigten, erklärte de Maizière. Es gebe einen klaren Unterschied zwischen Äußerungen von Wut im Rahmen der freien Meinungsäußerung und "Gossensprache".

Vor dem Hintergrund der Debatte über sogenannte Fake-News wies Netzpolitiker Beckedahl darauf hin, dass im Internet heute jeder zum Sender werden könne. "Und nicht jedem Sender ist diese Verantwortung bewusst." Es sei die Aufgabe der Politik, mehr in die Digitalkompetenz der Bevölkerung zu investieren.