Gysi würdigt Kirchen als Moralträger

Gysi würdigt Kirchen als Moralträger
Linken-Politiker Gregor Gysi hat die Kirchen als moralische Instanzen der Gesellschaft gewürdigt. Die politische Linke sei für diese Aufgabe durch das Scheitern des Staatssozialismus diskreditiert, sagte der 69-Jährige am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion in Leipzig.

Auch der Kapitalismus könne "nicht wirklich Moral erzeugen", ergänzte er. "Wenn wir die Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht hätten, hätten wir keine allgemeinverbindlichen Moralnormen in unserer Gesellschaft. Und das ist ein unglaublich großer Wert."

Bei der Podiumsdiskussion mit der evangelischen Theologin Margot Käßmann äußerten sich beide Diskutanten entschieden antimilitaristisch. Gysi sagte, Deutschland unterstütze den Nato-Partner Türkei mit Waffen, die dann im Kampf gegen die Kurden im Nordirak eingesetzt würden. Zugleich unterstütze Deutschland die kurdischen Peschmerga in ihrem Vorgehen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat". "Darf ich mal nach einem Minimum an Logik fragen?", sagte Gysi. Abgesehen davon sei er der Meinung, "dass wir im Nahen Osten militärisch überhaupt nichts zu suchen haben".

"Für mich ist das Evangelium sehr politisch"

Käßmann sagte, sie habe in den letzten Jahrzehnten nirgends erlebt, dass ein Konflikt militärisch gelöst worden wäre. "Wir wissen doch alle, dass dieser Syrienkrieg nur beendet wird, wenn sich die großen Mächte an einen Tisch setzen", ergänzte die 58-Jährige, die auch Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das 500. Reformationsjubiläum 2017 ist.

Dabei empfinde sie es als sehr schwierig, "dass Du sofort, wenn Du eine pazifistische Position vertrittst, lächerlich gemacht wirst", fügte Käßmann hinzu. Für sie persönlich gehöre politische Einmischung zum Christ-Sein dazu. "Für mich ist das Evangelium sehr politisch", sagte Käßmann und zitierte aus dem Matthäus-Evangelium: "Selig sind die, die Frieden stiften."

Von den Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum erhoffe sie sich, "dass am Ende klar wird, dass das ein Aufbruch ist", sagte Käßmann. Es solle deutlich werden, "wo wir heute eine Reform und eine Reformation brauchen - in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft".