"Egal wer der Präsident ist, Jesus ist der König"

Bennett Tobias/lighstock
"Egal wer der Präsident ist, Jesus ist der König"
Reaktionen von Christen in den USA auf die Präsidentschaftswahl
Das Rennen um die US-Präsidentschaft ist entschieden: Donald Trump hat die Wahl gewonnen. Reaktionen darauf gibt es nicht nur vom politischen und kirchlichen Führungspersonal. evangelisch.de hat exemplarisch auch Christinnen und Christen in den Gemeinden vor Ort in den USA, vorwiegend Pfarrerinnen und Pfarrer, um erste Reaktionen gebeten.

Larry Smith, Pfarrer der Mount Zion United Church of Christ, Spring Grove, York County, Pennsylvania: 

"Unglaublich - aber nicht überraschend. Wir haben wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand gesteckt. Die Medien sowie die etablierten Politiker haben die Frustration der amerikanischen Bevölkerung massiv unterschätzt. Jetzt sehen wir, vielleicht zum ersten Mal, wieviele Menschen sich vom "System" vernachlässigt und übergangen fühlen. Auch wenn die ökonomische Statistik besser aussieht, empfindet die Mittelklasse keine konkrete Verbesserung ihrer Situation. Angst und Unsicherheit sind weit verbreitet. Und deshalb wollten so viele Menschen eine spürbare Veränderung. Weil Hillary Clinton offensichtlich Mitglied des "Establishment" ist, war für diese Menschen Donald Trump als selbsternannter "Außenstehender" die einzige Alternative - auch wenn er weder beliebt noch besonders erwünscht war.

Aus meiner christlichen Perspektive meine ich, dass der Rückzug von so vielen Menschen aus allen organisierten Religionen auch eine große Rolle spielt. Wir sind als eine Gesellschaft zunehmend egozentrisch und materialistisch geworden. Respekt und Mitgefühl für andere Menschen, besonders für diejenigen die anders als wir sind, sind größtenteils weggeschoben worden. In solch einer Atmosphäre kann eine egozentrische und materialistische Person wie Donald Trump den Gipfel erreichen. Selbstverständlich ist sein Erfolg beängstigend. Aber für uns als Christen bietet die Sitaution auch eine Aufgabe, eine Chance: Unsere Gesellschaft ist reif für eine erneute Verkündigung des Evangeliums von der Liebe und Gnade Gottes. Wir können und müssen die Gute Nachricht in neuen und alten Formen erklären.  "Die Ernte is groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende."  (Matthäus 9, 37-38, Luther 2017) Wir müssen echt "evangelisch" werden!

Auf das Schild vor unserer Kirche habe ich geschrieben: "Egal wer der Präsident ist, Jesus ist der König." Und so ist es."

Kathleen Reed, Pastorin der University Lutheran Church, Cambridge, Massachusetts:

"Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Treffen des Cambridge Klerus. Die meisten davon sind schwarz und neben Christen werden auch muslimische und jüdische Vertreter dabei sein. Ich bin dankbar, dass wir das Treffen schon lange geplant hatten und ich gemeinsam mit einer Gruppe denken, beten und Vorgehensweisen planen kann. Bereits heute Morgen tauchen neue Kreise für öffentlichen Dialog, Überlegungen und Handeln auf. Ich lebe allerdings an einem privilegierten Ort, an dem ich viel einfacher Beziehungen pflegen kann als andere Menschen in unserem Land. Doch wie man sehen kann, wachten viele Menschen mit einer Überzeugung auf – falls sie überhaupt schliefen – Ungerechtigkeiten mit noch mehr Energie zu bekämpfen, in Solidarität und gewaltlos."

Cynthia Moe-Lobeda, Ethik-Professorin am Pacific Lutheran Theological Seminary:

"Gerade jetzt müssen wir politisch engagierter werden, um unsere Arbeit in unseren Netzwerken und Organisationen zu stärken, damit wir das schützen können, was wir unter Trump verlieren könnten. Wir müssen ganz deutlich machen, dass Wählen nur ein kleiner Teil davon ist, sich als Bürger einer Demokratie einzubringen. Lasst uns alle "politisch" engagierter werden ("politisch" im klassischen Sinne: engagiert im Prozess, der unser gemeinsames Leben formt). Lasst uns lebensspendende und engagierte Gemeinschaften aufbauen, die die allgemeine Krankenversicherung schützen, Gerechtigkeit in der Wirtschaft und für alle Hautfarben einfordern und uns vor dem Ausbau fossiler Brennstoffe und anderen ökologischen Zerstörungen bewahren.

Wir haben guten Grund, entmutigt zu sein. Aber wir haben kein Recht, jegliche Hoffnung aufzugeben oder uns dem Schrecken der Präsidentschaft von Trump hinzugeben. Gemeinsam mit anderen können wir mehr gerechte, mitfühlende und ökologisch vernünftige Einrichtungen, Nachbarschaften, Städte und Gesellschaften aufbauen - auch im Angesicht von allem, das gegen Gerechtigkeit, Mitgefühl und ökologisches Bewusstsein wütet, wie eine Präsidentschaft von Trump. Wir Menschen haben die Fähigkeit aktive Hoffnung zu verkörpern, um eine bessere Welt zu schaffen. So, mit Gottes Hilfe lasst uns genau das tun."

Olaf Waßmuth, Pastor der Deutschen Evangelischen Kirchengemeinde in Washington D.C.:

"Natürlich muss die Wahl von Trump akzeptiert werden – das gehört zu den demokratischen Spielregeln, an die Trump selbst erinnert werden musste. Wenn Trump auch nur einen Teil von dem umsetzt, was er angekündigt hat, wird es allerdings massiven zivilen Widerstand gegen ihn geben müssen. Ich hoffe sehr, dass die 50 Prozent Amerikaner, die Trump nicht gewählt haben, dann auf die Straße gehen. Alle Menschen mit Anstand und Mitgefühl werden sich in den nächsten Jahren aktiv vor die stellen müssen, die Trumps Politik bedroht und abwertet.

Eine riesige Aufgabe kommt da insbesondere auf die Christen dieses Landes zu: Sich im Namen Jesu gegebenenfalls auch gegen die eigene Regierung zu stellen, wird sie womöglich einiges kosten. Ich bin aber überzeugt, dass es in den USA auch solche Christen gibt.

(...) Eines wird Trump sicher nicht gelingen: die zutiefst gespaltene amerikanische Gesellschaft zu einigen. Amerika hätte dringend jemanden gebraucht, der versöhnt statt zu spalten. Mit Trump wurde der Bock zum Gärtner gemacht – die Polarisierung wird noch zunehmen. Nicht ausgeschlossen, dass sie sich auch gewaltsam entlädt. Das ist eine überaus beängstigende Perspektive."