TV-Tipp: "Meine Schwestern" (ARD)

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TV-Tipp: "Meine Schwestern" (ARD)
5.10., ARD, 20.15 Uhr: "Meine Schwestern"
Es gibt Filme, die sind im Kino einfach deplatziert. Weil sie nur ein paar tausend Zuschauer hatten, gelten sie als Flop, was prompt auch den Filmemachern als Makel anhängt. Das Drama "Meine Schwestern" zum Beispiel, eine Kinokoproduktion von Arte und dem NDR, sieht aus wie ein Fernsehfilm und ist daher auf dem Bildschirm eindeutig besser aufgehoben. Im Kino hatte der Film rund 35.000 Zuschauer, obwohl er mit Jördis Triebel und Nina Kunzendorf sowie einigen prominenten Nebendarstellern hervorragend besetzt ist. Der zweifache Grimme-Preisträger Lars Kraume ("Guten Morgen, Herr Grothe"), zuletzt für "Der Staat gegen Fritz Bauer" mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, gehört ohnehin zu den besten seines Fachs.

In "Meine Schwestern" erzählt der Regisseur nach einem Drehbuch von Esther Bernstorff die Geschichte eines angekündigten Todes. Der Prolog nimmt das Ende bereits vorweg: Ein lebloser Körper wird in einem Bett durch ein Krankenhaus geschoben. Aus dem Off erzählt Linda (Triebel), dass ihr Tod keine Überraschung gewesen sei: Als sie mit einem Herzfehler zur Welt gekommen ist, haben die Ärzte ihr nur drei Monate gegeben; es sind immerhin dreißig Jahre draus geworden. Sie habe jedes Jahr als Geschenk betrachtet, und schon allein diese Botschaft macht den Film sympathisch. Als der Leichnam an seinem Bestimmungsort eingetroffen ist, erscheint der Filmtitel. Das Bild dazu zeigt drei Frauen, die eng aneinander gekuschelt in einem Bett liegen; eine schmerzlich schöne Aufnahme, weil ja gewiss ist, dass sie aus der Vergangenheit stammt.

Als nächstes stellt Linda ihre beiden Schwestern vor. Während solche Ausführungen anderswo fast immer entweder überflüssig sind oder wie Gebrauchsanweisungen wirken, stören sie hier nicht weiter, haben aber den Nachteil, dass die ältere Katharina (Kunzendorf) und die jüngere Clara (Lisa Hagmeister) nun bereits beide in einer Schublade stecken: Katharina ist laut Linda nach außen hart wie Stahl, aber innen ganz weich, und Clara schlicht das Nesthäkchen. Viel wichtiger für den Film aber ist die Zusammenstellung des Ensembles, und die funktioniert prächtig, weil die drei Schauspielerinnen wunderbar miteinander harmonieren; außerdem verfallen die Schwestern umgehend in die gewohnten Rollenmuster.

Kraumes Inszenierung verlässt sich voll und ganz auf die Wirkung dieses Trios, das er auf eine gemeinsame Reise an die Nordsee zu dem Ort schickt, mit dem sie viele gemeinsame Kindheitserinnerungen verbinden. Der Film lässt den Schauspielerinnen dank langer Einstellungen genügend Raum, um sich zu entfalten; und weil sich Geschwister verständigen können, ohne große Worte zu machen, wird auch mal geschwiegen. Natürlich schwebt Lindas bevorstehender Tod wie ein Damoklesschwert über den mal ausgelassenen, mal nachdenklichen Episoden, die Kraume geschickt miteinander verknüpft, aber die Stimmung ist trotzdem tendenziell heiter, weil Triebel die Frau mit einer großen spirituellen Kraft ausstattet. Obwohl Linda mehrmals zusammenbricht, strahlt sie eine tiefe Ruhe und Gelassenheit aus, während ihre Schwestern immer wieder mal ausrasten: Katharina, weil sie keine Lust hat, ständig die Rolle der Erziehungsberechtigten zu übernehmen; und Clara, weil sie schon mit ihrem eigenen Leben überfordert ist. Von der Nordsee fahren die drei kurzentschlossen mit dem Zug nach Paris, wo eine Tante (Angela Winkler) und ihr Mann (Ernst Stötzner) leben. Dort kommt es zu einer etwas skurrilen Begegnung Lindas mit einer Fremden (eine kleine Gastrolle für die vor dreißig Jahren als "Betty Blue" schlagartig bekannt gewordene Beatrice Dalle): Gemeinsam klauen die beiden Frauen einem Kellner eine Flasche Wein und laufen eine schier endlose Treppe Richtung Sacré-Cœur hinauf; hier und kurz darauf auch im Inneren der Basilika hat Kraumes Kameramann Jens Harant Bilder gestaltet, die sich auch auf einer Kinoleinwand sehr gut machen. Spätestens jetzt schlägt die Stimmung jedoch um; Linda ahnt, dass es zu Ende geht. Trotzdem gelingt Kraume das Kunststück eines Films, der von einer Reise in den Tod erzählt und dennoch eine Ode an das Leben ist.