Exportschlager Orgel

Orgelpfeifen aus der Nähe
Foto: pixabay/gewa
Orgelpfeifen - bald Teil des Weltkulturerbes?
Exportschlager Orgel
Die Orgel ist ein weltweites Phänomen geworden. Selbst im ewigen Eis oder im Regenwald – heute findet man Instrumente auf allen Kontinenten und an den abgelegensten Orten. Dass dem so ist, daran haben Instrumentenbau und Orgelkultur in Deutschland mit ihrer Jahrhunderte alten Geschichte einen erheblichen Anteil.

Deshalb hat die Bundesregierung Orgelbau und Orgelmusik für die "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“, die von der Unesco geführt wird, vorgeschlagen.

"Die Orgel ist ein Exportschlager“, sagt Martin Kares von der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands (VOD). Rund 400 Orgelbaubetriebe mit zusammen etwa 2.800 Mitarbeitern gibt es heute in Deutschland – vom Ein-Mann-Betrieb bis hin zur mittelständischen Firma mit 50 Beschäftigten. Einige von ihnen bauen neue Instrumente heute eher in Asien oder Australien als hierzulande. Der deutsche Orgelbau hat einen guten Ruf, erworben durch technische wie klangliche Innovationen, mit denen er seit den Tagen von Arp Schnitger oder Gottfried Silbermann immer wieder zur Weiterentwicklung beigetragen hat.

Lauter Unikate

Doch es geht um mehr als den Bau von qualitätvollen Instrumenten: "Die Orgel ist ein Stück lebendige Kultur“, sagt Kares, der als Sachverständiger für Orgeln und Glocken in der Evangelischen Landeskirche in Baden zuständig ist. Bis heute würden Organisten ausgebildet, die Zahl der Kirchenmusik-Studierenden steige sogar wieder. "Die Orgel ist ein atmendes Instrument“, sagt Markus Zimmermann, Pressesprecher des Bundes deutscher Orgelbaumeister (BDO). "Sie steht an besonderen Orten und gibt ihnen ihre Stimme.“ Mithin sei jedes Instrument im Zusammenspiel mit dem Raum ein Unikat, nahezu jedes Teil werde bis heute individuell gefertigt. "Diese Einzigartigkeit wird sehr geschätzt – nicht nur von Kennern, sondern auch von Menschen, die eher zufällig in eine Kirche kommen.“

Um die Orgelkultur auch bei Jüngeren und Kirchenfernen bekannt zu machen, tun die Verbände manches. Es gibt ein Orgelbuch für Kinder, Veranstaltungen in Schulen und Kindergärten und den Deutschen Orgeltag, der in diesem Jahr zum sechsten Mal parallel zum Tag des Offenen Denkmals stattfindet. Er bietet Konzerte, Orgelführungen und Werkstattbesuche im ganzen Land an.

Die Orgel gilt als Mutter aller Tasteninstrumente, ist aber auch ein Blasinstrument. Wie das funktioniert, erklärt der Landeskirchenmusikdirektor der Evangelisch-reformierten Kirche, Winfried Dahlke.

Bereits vor drei Jahren wurde die Orgelkultur in die Liste des nationalen Erbes aufgenommen – auf maßgebliches Betreiben der VOD. Und die Sachverständigen haben sich auch jetzt, da es um den Auftritt auf internationaler Bühne geht, wieder ins Zeug gelegt und auf eigene Kosten den von der Unesco-Kommission geforderten Informationsfilm produziert. Vom Status Weltkulturerbe, sollte die Orgelkultur denn zum Zuge kommen, erhofft man sich weitere öffentliche Aufmerksamkeit. Auch für die Ausbildung zum Orgelbauer – "ein Beruf, der unheimlich vielseitig ist“, wie Kares betont. Die Auszubildenden würden in den Betrieben nicht nur Kenntnisse über Holz-, Metallbearbeitung, Elektrik und Elektronik erwerben, "sondern sie lernen auch selbstständiges Denken“.

Natürlich geht es mittelbar auch um Geld: So hat die Bundesregierung erstmals ein Förderprogramm von fünf Millionen Euro pro Jahr für die Restaurierung historischer Instrumente aufgelegt. "Und ich hoffe auch auf weitere Zustifter für die Stiftung Orgelklang“, sagt Kares. Denn während Bundesmittel wohl eher für größere Projekte wie etwa die Orgel in der Mannheimer Christuskirche wichtig seien, fördere die Stiftung der Evangelischen Kirche in Deutschland mit jährlich etwa 100.000 Euro Renovierungen auf breiter Ebene. "Bei manchen kleineren Orgeln ist ein Zuschuss der Stiftung der entscheidende Mutmacher in den Gemeinden“, erzählt Kares.

Die Zeit der vielen Neubauten auch kleiner und mittlerer Instrumente ist hierzulande vorbei. Heute gibt es im Durchschnitt noch rund 100 Orgelneubauten bundesweit pro Jahr. "Der Nachkriegsstau ist abgearbeitet“, erklärt Kares. Der Schwerpunkt liegt inzwischen eben auf Restaurierung und Sanierung. Und die kann durchaus auch jüngere Instrumente betreffen. Denn in den Boom-Jahren, in denen es vor allem schnell gehen und wenig kosten sollte, "hat man es mit der Qualität nicht überall so genau genommen“, sagt Markus Zimmermann vom BDO.

Dass die Innovation nicht zu kurz kommt, dafür sorgen "Leuchtturmprojekte“, wie das in der Martinskirche Kassel. Dort entsteht ein Instrument, das mit einem vierteltönig gestimmtem Manual und variablem Winddruck ganz neue Klänge bietet und dem alten Instrument Orgel einen Weg in die Zukunft weisen soll. "Denn wir wollen kein Museum sein“, betont Zimmermann, dessen Verband in diesem Jahr 125 Jahre alt ist.