Koalition ringt weiter um Flüchtlingspolitik

Koalition ringt weiter um Flüchtlingspolitik
Nach zweieinhalb Stunden beendeten sie das Gespräch, keiner der Parteichefs stellte sich der Presse. Bei ihrem Krisentreffen konnten die Koalitionsspitzen den Streit um die Flüchtlingspolitik nicht beilegen. Am Donnerstag kommen sie erneut zusammen.

Das Krisentreffen der großen Koalition zur Flüchtlingspolitik ist am Sonntag ohne konkretes Ergebnis geblieben. Nach rund zweieinhalbstündigen Gesprächen im Kanzleramt in Berlin teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit, es gebe einige noch zu klärende Punkte. Am Donnerstag soll es ein weiteres Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) geben. Die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" berichtete unterdessen, dass Kanzlerin Merkel inzwischen eine Million Flüchtlinge für dieses Jahr in Deutschland erwartet. 

Seibert sprach von einem konstruktiven Gespräch. Es habe auch eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten gegeben. Ob sich die Atmosphäre zwischen den Parteispitzen nach teils heftigen gegenseitigen Angriffen tatsächlich entspannt hat, war schwer zu beurteilen. Keiner der Parteichefs stellte sich nach dem Treffen der Presse.

Streitpunkte: Begrenzung der Flüchtlingszahlen und Transitzonen

Vor der Begegnung im Kanzleramt hatte es vor allem in zwei Punkten Streit gegeben. Seehofer drängte Merkel ultimativ zu einer Begrenzung der Flüchtlingszahlen, andernfalls werde er "Notmaßnahmen" ergreifen. Die beiden Vorsitzenden der Schwesterparteien, durch die momentan anscheinend ein tiefer Riss geht, hatten sich bereits am Samstag zu einem Gespräch getroffen. Über die Ergebnisse drang zunächst nichts nach außen.

Die zweite Konfliktlinie verläuft zwischen Union und SPD beim Thema Transitzonen. CDU und CSU befürworten solche Zonen für schnelle Asyl-Verfahren an den Landesgrenzen, die SPD lehnt sie ab und unterstellt, es sollten Haftzonen errichtet werden.

Zuletzt hatte es bei dem Thema allerdings eine leichte Annäherung gegeben. Die Unionsseite widersprach dem Vorwurf, es sei eine Inhaftierung von Flüchtlingen geplant. Die SPD räumte indes ein, dass große Zentren zumindest zur Registrierung von Flüchtlingen sinnvoll sein könnten.

SPD-Chef plädiert für "Einreisezentren"

Am Samstag hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Einrichtung von "Einreisezentren" in jedem Bundesland vorgeschlagen. Die Registrierung von Asylsuchenden solle künftig ausschließlich dort erfolgen. Anschließend müssten die Flüchtlinge in den Zentren auf ihre Weiterverteilung warten. Über offenbar aussichtslose Anträge könne direkt in den Einreisezentren entschieden werden. Zumindest diese Erwartung hatte die Union auch an die Transitzonen.

Auch in anderen Details deuteten sich Gemeinsamkeiten an. Gabriel plädierte dafür, die Ausgabe von Sozialleistungen an die freiwillige Registrierung in den Zentren zu koppeln. Damit folgte er einem entsprechenden Vorschlag von Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU).

Merkel rechnet mit einer Million Flüchtlingen

Der Deutsche Landkreistag bekräftige nach dem Treffen der Koalitionsspitzen seine Forderung nach einer Zuzugsbegrenzung. Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke erklärte: "Jetzt ist es Zeit für Lösungen, nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen." In den Kommunen herrsche Einigkeit darüber, dass es nicht so weitergehen könne. Der Landkreistag unterstütze die Forderung nach Transitzonen an den Grenzen, wo das Bleiberecht der Asylsuchenden überprüft werden könne.

Kanzlerin Merkel wird am frühen Donnerstagabend erneut mit Seehofer und Gabriel beraten und anschließend mit den Regierungschefs der Länder zusammenkommen. Bis dahin sollen Seibert zufolge auch weitere Gespräche zwischen Fachleuten aus Bund und Ländern stattfinden.

Laut "Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung" hat Merkel hat erstmals die bisherige Prognose der Bundesregierung korrigiert, wonach in diesem Jahr 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Beim EU-Sondertreffen zur Situation auf der Westbalkan-Route vor einer Woche habe Merkel erklärt, es würden dieses Jahr eine Million Asylbewerber erwartet, meldete das Blatt unter Berufung auf Teilnehmerkreise.