Chef der Innenministerkonferenz: Grenzschließung unrealistisch

Chef der Innenministerkonferenz: Grenzschließung unrealistisch
Bayerns Pläne zur Begrenzung der Zuwanderung stoßen in den Bundesländern und im Bundestag auf Kritik.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) nannte das Vorhaben unrealistisch, Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen. "Realistisch ist: Grenzen können nicht mehr zugemacht werden", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Koblenzer "Rhein-Zeitung" (Samstagsausgabe). Das habe Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) deutlich gemacht. "Hier weckt Bayern falsche Erwartungen, die am Ende zu noch größerer Enttäuschung in der Bevölkerung führen", warnte Lewentz.

Die bayerische Staatsregierung hatte am Freitag vom Bund verlangt, Flüchtlinge an den Grenzen zurückzuweisen, wenn der ungleiche Umgang mit Asylsuchenden in der EU anhalte. Sollte der Bund nicht handeln, werde der Freistaat "anlassbezogen auch eigene Maßnahmen ergreifen", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er drohte auch mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl räumte ein, dass es "keine Rechtsgrundlage für die Zurückweisung von Flüchtlingen" durch die bayerische Polizei oder die Bundespolizei gebe. "Eine solche Zurückweisung müsste als Notstandsmaßnahme zum Schutz der bayerischen Bürger deklariert werden", sagte Uhl der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe). Das lasse sich juristisch begründen. Dass es zu einer Zurückweisung von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze kommen werde, sei nur eine Frage der Zeit. "Wir müssen zum geltenden Recht zurückkehren", betonte Uhl.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) kritisierte das Vorgehen des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) scharf. "Wer wie Seehofer glaubt, mit ein paar Grenzkontrollen und verstärkten Rückführungen Bayern einzäunen zu können und so die Anzahl der Flüchtlinge zu begrenzen, der hat das Ausmaß der Krise im Nahen Osten nicht verstanden", sagte Roth der "Rheinischen Post". Mit der angedrohten Verfassungsklage mache sich Seehofer "nur noch lächerlich".

SPD-Vize Schäfer-Gümbel wirft Seehofer "gefährliches Spiel" vor

Der SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel hat CSU-Chef Horst Seehofer ein "gefährliches Spiel" vorgeworfen, wenn er an der Grenze zu Österreich Flüchtlinge zurückweisen oder Asylsuchende innerhalb Deutschlands direkt weiterleiten wolle. "Die CSU holt sich Rat bei Regierungschef Viktor Orban aus Ungarn, der zu Hause mit Nato-Draht und Schlagstöcken gegen Flüchtlingsfamilien vorgeht", sagte Schäfer-Gümbel der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe).

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende hielt dem bayerischen Ministerpräsidenten vor, sich damit am Rechtspopulisten Orban zu orientieren. Damit falle Seehofer auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "direkt in den Rücken" statt an Lösungen bei der Bewältigung des Flüchtlingszustroms mitzuarbeiten. Schäfer-Gümbel sicherte der Kanzlerin Rückhalt zu: "Eine Politik, die jetzt die Herausforderungen konkret anpackt, die Asylverfahren beschleunigt und damit auch für eine Atempause sorgt bei den vielen Ehrenamtlichen, der Polizei und allen, die aufopfernd helfen, hat unsere volle Unterstützung."

Der SPD-Vize wies zugleich Kritik aus der CDU an SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zurück. Dieser hatte von Merkel das Eingeständnis verlangt, dass Deutschlands Kräfte in der Flüchtlingskrise begrenzt seien. Oppermann habe wie viele Ministerpräsidenten und SPD-Parteichef Sigmar Gabriel darauf hingewiesen, dass ehrenamtliche Helfer, Bürgermeister und Landräte bis an die Grenze ihrer Kräfte arbeiten, betonte Schäfer-Gümbel. Das sei "kein Grund, die SPD in die Nähe der ressentimentgeladenen CSU-Rhetorik zu rücken".