Studie: Wenig Inklusion beim Gymnasium

Studie: Wenig Inklusion beim Gymnasium
Behindertenverbände mahnen mehr Förderung an
Gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung funktioniert - aber bislang vor allem im Kindergarten und in Grund-, Haupt- und Gesamtschulen. An Gymnasien bleiben behinderte Schüler jedoch Ausnahmen. Experten fordern mehr Hilfen.

Trotz großer Fortschritte gibt es an höheren Schulen nur selten ein gemeinsames Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern. Je höher die Bildungsstufe, desto geringer seien die Chancen auf Inklusion, bemängelten Experten der Bertelsmann Stiftung am Donnerstag in Gütersloh bei der Vorstellung einer Studie. Behindertenverbände beklagen die großen Unterschiede bei der Inklusion in den Bundesländern. Die Lebenshilfe mahnte mehr Investitionen für gemeinsames Lernen an.

Nur jeder zehnte Förderschüler lernt an Realschule oder Gymnasium

Von den knapp 71.400 Förderschülern in der Sekundarstufe lerne nur jeder zehnte an Realschulen oder Gymnasien, heißt es in der Studie. Der Inklusionsanteil an deutschen Schulen insgesamt stieg den Angaben zufolge auf den höchsten Wert seit Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention im Jahr 2009: Im Schuljahr 2013/14 habe fast jedes dritte Kind mit Förderbedarf (31,4 Prozent) eine Regelschule besucht. Grundlage der Studie sind die aktuellen Zahlen der Kultusministerkonferenz aus den Bundesländern für das Schuljahr 2013/14.

Inklusion finde hauptsächlich an Hauptschulen und Gesamtschulen statt, kritisierten die Autoren der Studie. Gegenüber dem Schuljahr 2008/09 nahm der Studie zufolge die Zahl der behinderten Schüler im gemeinsamen Unterricht um 71 Prozent zu. Je höher die Bildungsstufe, desto geringer seien jedoch die Chancen auf Inklusion.

Bremen topp, Hessen und Niedersachen flopp in Sachen Integration

An deutschen Kitas lag im vergangenen Schuljahr der Inklusionsanteil bei 67 Prozent und in den Grundschulen bei 46,9 Prozent. In der Sekundarstufe fällt der Anteil auf 29,9 Prozent ab. "Inklusion ist insbesondere an weiterführenden Schulen und in der Ausbildung oft noch ein Fremdwort", sagte der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger.

In den Bundesländern gibt es laut der Studie große Unterschiede bei den Fortschritten auf diesem Gebiet. Den höchsten Inklusionsanteil hat Bremen: Hier werden 68,5 Prozent der Behinderten an Regelschulen unterrichtet. Es folgen Hamburg mit 59,1 Prozent, Berlin (54,5 Prozent) sowie Schleswig-Holstein (60,5 Prozent). In Hessen und Niedersachsen hingegen lerne weniger als ein Viertel der Förderschüler an Regelschulen (21,5 Prozent und 23,3 Prozent). Nordrhein-Westfalen liegt mit 28,9 Prozent leicht unter dem Bundesdurchschnitt.

Die Vorsitzende der Bundesvereinigung der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, kritisierte, dass es weiterhin große Unterschiede bei der Umsetzung der Inklusion gebe.  Unterschiede des Inklusionsanteils von fast 69 Prozent in Bremen und gerade mal rund 22 Prozent in Hessen seien unhaltbar. "Wir müssen noch stärker in die inklusiven Schulen investieren", forderte die frühere Bundesgesundheitsministerin. Nur so könnten Kinder in all ihrer Unterschiedlichkeit "unsere Zukunft" sein. Damit meine sie "ausdrücklich auch Kinder aus Flüchtlingsfamilien".

Zahl der als behindert eingestuften Kinder steigt

Der Elternverein "mittendrin" erklärte, die Studie zeige, dass die Erfolgsmeldungen über die Inklusion "mehr als zweifelhaft" seien. Während die Zahl der behinderten Schüler an den allgemeinen Schulen vorgeblich steige, sei auch die Zahl der als behindert eingestuften Kinder gestiegen. Zwar bemühten sich in Nordrhein-Westfalen viele Schulen um Inklusion, erklärte der Verein in Köln. Familien mit schwerbehinderten Kindern werde insgesamt jedoch wenig Mut gemacht, ihr Recht auf inklusive Bildung wahrzunehmen. "Stattdessen wird viel wegberaten und abgeschreckt."