Wie Loriot und seine Steinlaus

Foto: Sarika Feriduni/evangelisch.de
Wie Loriot und seine Steinlaus
Wo steht in der Bibel etwas über Esel, Kamele, Nilpferde und Geier? Bei einer biblischen Zooführung in der Stuttgarter Wilhelma konnten Kirchentagsbesucher ihr Wissen auffrischen - auch wenn viele Bibeltiere sich vor der Sonne versteckt hatten.

Nur noch in den Schatten! Oder gleich rein ins Haus! Das ist an diesem heißen Freitagnachmittag in Stuttgart die beste Entscheidung, die die Tiere im Zoo Wilhelma treffen können: Weg aus der Sonne. Ärgerlich nur für den Theologen und Journalisten Christian Turrey, der – mit Safarihut passend zum Zooflair des 19. Jahrhunderts – einer Gruppe von Kirchentagsbesuchern Tiere aus der Bibel zeigen will.

Das Nilpferd kommt im Buch Hiob vor.

Der Pfau hat sich hinter einem Busch verkrochen, die Schlangen hinter den Steinen in ihren Terrarien. Die Tauben sind an diesem Tag komplett ausgeflogen, Löwen hat der Zoo nicht mehr. Als auch noch das Eselgehege leer ist, meint Turrey resigniert: "Ich komme mir vor wie Loriot und die Steinlaus." Doch wenigstens Geier, Elefanten, Nilpferde und Kamele halten der Hitze stand, ebenso die tierlieben Teilnehmer der Zooführung, die einen Ausflug ins Grüne den heißen Diskussionen des Kirchentages vorziehen.

Turrey beginnt mit einer Zeichnung von der Arche Noah und der Frage: Hätten da überhaupt alle Tiere draufgepasst, bei Maßen von 250 Metern Länge, 42 Metern Breite und 25 Metern Höhe? Keine gute Frage, räumt der Theologe sofort ein: "Die Bibel ist kein Zoologiebuch und auch kein Geschichtsbuch." Im Gegenteil, manche Tiergeschichten geben sogar Rätsel auf. Und doch können Bibelleser von den Tieren lernen, genauso übrigens vom pfleglichen Umgang der Menschen mit den ihnen anvertrauten Geschöpfen im Alten Testament.

Schlangen sind nicht nur böse

Stopp vor der Geier-Voliere. Die grauen Vögel hocken auf ihren Stangen und strecken den Besuchern ihre Hinterteile entgegen. Bibelstellen mit "Geier" sind eher rar, doch man findet ihn womöglich auch unter den zahlreichen "Adlern" im Buch der Bücher: Der edle Raubvogel war den griechischen Übersetzern in manchen Fällen einfach angenehmer als sein aasfressender Verwandter. Der Adler steht für Gottes Macht über die Schöpfung und für seine Fürsorge (5. Mo 32,11 f ). Zum Anblick der Vögel in der Wilhelma passt dagegen das Sprichwort  "Wo das Aas ist, da sammeln sich die Geier", das im Matthäusevangelium (Mt 28,24) Jesus zugeschrieben wird.

Weiter geht es zu den Schlangen. Die Besucher beugen sich über die vergitterten Terrarien, finden aber nur Gestein, Holzstücke und Gestrüpp. Die Tiere scheinen zu wissen, dass sie nicht gut wegkommen bei der Bibelführung: Schließlich ist es die Schlange, die – schlauer als alle Tiere des Feldes – Adam und Eva verführt (1. Mo 3). Doch nicht in allen Kulturen gilt die Schlange als böse, erläutert Christian Turrey: In der griechischen Mythologie begleitet sie den Gott der Heilkunst, Asklepios. Ihre Häutung steht für Erneuerung, sie wird dadurch wieder jung und frisch. Vielleicht kann man, wie Jesus seinen Jüngern empfiehlt, mit den Schlangen auch klug werden? (Mt 10,16).

Ursula Geier und Max Loch spielen "Was bin ich?"

Zeit für eine Pause und ein Spiel: "Was bin ich?" Alle bekommen einen Zettel mit einer Tierzeichnung hinten ans T-Shirt geheftet und müssen ihr Tier durch Ja-Nein-Fragen erraten. Max Loch aus Klein-Gerau spielt mit seiner Patentante Ursula Geier aus Nürnberg. "Lebe ich auf dem Land?", fragt er. Ja. "War ich auf der Arche?" Das weiß Ursula nicht. Dafür gibt sie ihrem Patensohn einen Tipp: Es gab da eine besondere Wurst auf dem Markt der Möglichkeiten des Kirchentages ... "Wildschwein!" Max lacht. Als seine Patentante mit den Fragen: "Hab ich ein Fell?", "Bin ich ein Allesfresser?" und "Warum züchtet man mich, wenn man mich nicht essen kann?" kein Stück weiterkommt, hilft er auch ihr: "Denk mal daran, was außer Fell und Schuppen noch sein kann!" – Ursula rät: "Ich bin ein Stachelschwein!" Wer richtig geraten hat, bekommt von Christian Turrey einen Zoo-Keks.

Weiter geht es zu den Raubkatzen. Die Löwen des Zoos sind gestorben. Doch die Geschichte von Daniel in der Löwengrube erzählt Christian Turrey trotzdem, bevor er auf die verwirrende Sache mit den Leoparden zu sprechen kommt: Martin Luther war sich als Bibelübersetzer wohl nicht ganz schlüssig, ob er den Namen des Tieres mit "Leopard" oder "Panther" wiedergeben soll. So ist im Hohelied (Hld 4,8) von "Leoparden" die Rede, doch ausgerechnet, wo es auf das gefleckte Fell ankommt, steht "Panther" (Jer 13,23).

Zwei Elefanten wanken gemächlich durch ihr staubiges Gehege und suchen mit ihren Rüsseln die schon kahlen Bäume ab. Sicher haben diese beiden es ganz gut, denn Elefanten wurden und werden oft missbraucht – so auch in der Bibel. Rätselraten unter den Teilnehmern der Zooführung: Wo denn? Elefanten kommen im ersten Makkabäerbuch vor, das in vielen deutschen Bibelübersetzungen gar nicht drin ist, aber in der Guten Nachricht: Hier findet sich in 1. Makkabäer 6, 33-37 eine detaillierte Beschreibung, wie Elefanten in den Krieg getrieben wurden.

Im 1. Makkabäerbuch werden Elefanten für den Krieg vorbereitet.

Im trüben Wasser vor dem Elefantengehege schwimmen zwei Nilpferde. Wieder Rätselraten: Wo gibt es denn Nilpferde in der Bibel? Jemand kommt darauf: Bei Hiob! In Kapitel 40 (Verse 15-24) beschreibt Gott für Hiob das Nilpferd als ein sehr gelungenes und begabtes Geschöpf. Hobby-Zoologe Turrey ergänzt, dass das Tier eine eingebaute Sonnencremefunktion besitzt: Die Lotion kommt bei Bedarf einfach aus den Drüsen heraus – wirklich klug bei diesem Wetter!

Stoppen ist manchmal klüger als Weiterlaufen

Vor dem leeren Eselgehege erzählt Christian Turrey die Geschichte von Bileam und seiner Eselin, die plötzlich sprechen kann und ihrem Herrn erstmal erklärt, dass Stoppen manchmal besser ist als Weiterlaufen. "Esel sind klug", sagt Christian Turrey. "Sie wissen, bis wohin sie gehen können und wann ein Weg zu schwer für sie wird." Als Langstrecken-Lasttier waren Esel in biblischen Zeiten wertvoll (1. Sam 9) und mussten pfleglich behandelt werden (2. Mo 23,5).

"Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme."

Zum Schluss der Zooführung kommt das größte Rätsel: Das Kamel. Wie war das mit dem Nadelöhr? Vielleicht stand im griechischen Text gar nicht kamelos, Kamel, sondern kamilos, Schiffstau? Damit würde Jesu Vergleichswort Sinn ergeben: "Es ist leichter, dass ein Schiffstau durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme." Christian Turrey hat noch eine andere Interpretation gefunden: Kamele gingen nicht gern unter Toren durch, erklärt er, vielleicht erst recht nicht durch den Stau an den Jerusalemer Stadttoren. Doch ob man zu einer Engstelle schon damals "Nadelöhr" sagte?

Auch wenn das Kamel-Rätsel ungelöst bleibt: Die Teilnehmer der biblischen Zooführung sind klüger geworden. Christian Turreys Wunsch ist es, dass die Menschen ihre Tierliebe auch in Tierethik umsetzen, auch in der Kirche: "Muss man auf dem Gemeindefest unbedingt Bratwurst essen", fragt er, "und wenn, dann die Billigste?" Der Theologe kritisiert, dass Tiere heute entweder als Haustiere "verhätschelt" oder als Nutztiere in Massentierhaltung gequält werden. In den biblischen Geschichten habe es dagegen oft einen klugen Umgang zwischen Mensch und Tier gegeben: Sie seien "mehr aufeinander abgestimmt" gewesen, sagt Christian Turrey.

Christian Turrey ist katholischer Theologe und Journalist.