Der Ebola-Schock

Foto: dpa/Ahmed Jallanzo
Der Ebola-Schock
Warum die G-7-Länder jetzt auch über Krankheiten reden
Ebola hat gezeigt, wie schnell eine tropische Krankheit die Industriestaaten tangieren kann. Mangelndes Wissen und Armut haben zum Ausmaß der Epidemie beigetragen. Die G-7 haben darüber beraten, wie solche Szenarien künftig vermieden werden können.

Die Ebola-Epidemie hat die ganze Welt erschreckt. "Wir haben auf einmal gemerkt, dass Infektionen und Gesundheitsbedrohungen zur globalen Großkrise werden können", sagt der Ebola-Beauftragte der Bundesregierung, Walter Lindner. Die Reaktionen schwankten zwischen Schockstarre, unorganisiertem Aktionismus und Verneinung.

Die Katastrophe mit bislang mehr als 11.100 Toten und über 27.000 Erkrankten hat für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gezeigt, dass international dringend gehandelt werden muss. "Eine Lehre, die wir alle ziehen müssen, ist: Wir hätten früher reagieren müssen", sagte sie bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf. Wie solche Krisen künftig vermieden werden können, ist Thema beim G-7-Gipfel am 7./8. Juni im bayerischen Elmau.

Die Ebola-Epidemie wurde deshalb so schlimm, weil es an Wissen, Medikamenten und Impfstoffen fehlt. Deshalb rücken nun armutsbedingte und vernachlässigte Krankheiten wie Tuberkulose, Malaria, Lepra, Chagas oder die Schlafkrankheit und die Mechanismen der Medikamentenforschung in den Blick. Ein vergleichbarer Ausbruch wie bei Ebola sei bei den meisten dieser Krankheiten nicht zu erwarten, erläutert Maximilian Gertler, Vorstandsmitglied von "Ärzte ohne Grenzen". "Daran sterben kontinuierlich Menschen, 1,5 Millionen jährlich allein an Tuberkulose." Doch die meisten Arzneien gegen die "Schwindsucht" seien in den vergangenen 50 Jahren kaum weiterentwickelt worden. "Das liegt daran, dass die Menschen, die die Medikamente bräuchten, nicht zahlungskräftig sind."

Kaum öffentliche Fördergelder

Immer öfter entwickeln die Erreger zudem Resistenzen gegen die vorhandenen Mittel, für diese Patienten gibt es kaum mehr Therapiemöglichkeiten. Ähnlich ist es bei Aids und Malaria, wo es zwar neue Wirkstoffe gibt, die jedoch zu teuer für die meisten Menschen in Entwicklungsländern sind.

Vernachlässigte tropische Krankheiten wie die Schlafkrankheit, Chagas oder verschiedene Wurmerkrankungen, an denen jedes Jahr mehr als eine Milliarde Menschen leiden, werden derweil kaum erforscht. "Forschung muss öffentlich gefördert werden und darf nicht länger davon abhängen, ob es für die Pharmakonzerne lukrativ ist oder nicht", fordert Gertler.

Der Leiter des tropenmedizinischen Instituts in Tübingen, Peter Kremsner, sieht noch einen anderen Faktor: "Diese Krankheiten sind keine Gefahr für europäische oder nordamerikanische Länder, deshalb gibt es kaum öffentliche Fördergelder wie für Krebs oder Allergien." Das Bildungsministerium hat die Forschung zu vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten von 2011 bis 2013 mit rund 36 Millionen US-Dollar gefördert. In die Krebsforschung fließen nach Ministeriumsangaben allein 2015 weit über 200 Millionen Euro.

Laut "Ärzte ohne Grenzen" stellt Großbritannien mehr als doppelt so viel für die Erforschung von Armutskrankheiten zur Verfügung, die USA sogar mehr als 30 Mal so viel. Der deutsche Beitrag soll nun nach den Worten von Staatssekretär Georg Schütte steigen. Aber Kremsner ist skeptisch: "Die vernachlässigten Krankheiten haben es jetzt auf die große Bühne geschafft, inwieweit das auch in Geld und Förderung umgemünzt wird, wird man nach dem G-7-Gipfel sehen."

Nicht schnell wieder zur Tagesordnung zurückkehren

Doch es geht nicht nur um die Vermeidung von Epidemien, sondern auch um eine bessere Reaktionsfähigkeit. Viel Geld ist auch für die Gesundheitssysteme in den armen Ländern nötig. "Je schwächer das Gesundheitssystem, desto später werden Epidemien erkannt und bekämpft", sagt Lindner. Es brauche massive Investitionen. Doch wegen der Epidemie werden die drei Schwerpunktländer Guinea, Sierra Leone und Liberia nach Weltbank-Berechnungen 2015 Verluste von etwa 2,2 Milliarden US-Dollar verzeichnen.

Ein weiterer Ansatz ist die Bildung eines Pools von Gesundheitsexperten, die bei Bedarf schnell in entlegene Regionen entsandt werden können. Was Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit dem Begriff "Weißhelme" ins Gespräch brachte, stößt auf geteilte Reaktionen. Während Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) die Initiative begrüßt und den Pool in der staatlichen Entwicklungsorganisation GIZ verankert sehen will, zweifelt Gertler am Sinn einer neuen Institution. Der Geschäftsführer der Hilfsorganisation medico international, Thomas Gebauer, fordert statt einer Einsatztruppe einen Fonds, um Gesundheitssysteme in armen Ländern aufzubauen.

Dass sich die Staatengemeinschaft wegen Ebola wieder verstärkt mit Gesundheit im Süden der Erdhalbkugel befasst, sieht Gertler positiv. "Aber es ist natürlich eine große Herausforderung, dies auch noch in den kommenden Jahren zu tun und nicht schnell wieder zur Tagesordnung zurückzukehren."