EKD-Synodenpräses: Flüchtlingspolitik muss sich ändern

EKD-Synodenpräses: Flüchtlingspolitik muss sich ändern
Während Irmgard Schwaetzer auf mehr Menschlichkeit dringt, fordert das Bundesinnenministerium konsequentere Abschiebungen aus den Bundesländern. Die Organisation "Pro Asyl" drängte darauf, nicht nur über Geld zu reden.

Vor dem Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel hat die Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, ein grundsätzliches Umdenken in der Asylpolitik gefordert. Gebot der Zeit sei eine solidarische Aufnahme von Flüchtlingen, schreibt sie in der Wochenzeitung "Die Kirche" (26. Oktober). Unterdessen ruft das Bundesinnenministerium die Länder auf, abgelehnte Asylbewerber konsequenter abzuschieben.

"So kann es nicht weitergehen", kritisiert Schwaetzer. Die Zustände bei der Aufnahme und Unterbringung Asylsuchender zeigten, "dass das Asylsystem der 90er Jahre, das auf Abwehr von Flüchtlingen an den Außengrenzen der Europäischen Union ausgerichtet war, weniger denn je dazu taugt, die Probleme zu lösen". Die Chefin des Kirchenparlaments verlangt zudem eine Fortsetzung der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer und eine Unterstützung der
Anrainerstaaten.

###mehr-artikel###

Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte, in den Bundesländern gebe es bei Abschiebungen ein "erhebliches Vollzugsdefizit". Zuvor hatte die "Welt" (Donnerstagsausgabe) berichtet, viele Menschen blieben nach einem abgelehnten Asylantrag in Deutschland, auch wenn für sie kein Aufenthaltsrecht etwa aus humanitären Gründen in Frage kommt.

Das Ministerium sieht die geringe Zahl von Abschiebungen als Hauptgrund für die gewachsene Zahl von Asylbewerbern. Dies sei "ein wesentlicher Sog-Faktor nach Deutschland". Laut Bundespolizei wurden im ersten Halbjahr des laufenden Jahres 5.700 Personen aus Deutschland abgeschoben. Zugleich hielten sich Ende Juni laut Ministerium rund 143.000 abgelehnte Asylbewerber in der Bundesrepublik auf.

Zwei Drittel der Bundesbürger würde es laut einer Forsa-Umfrage nicht stören, wenn es eine Flüchtlingsunterkunft in ihrer Nähe gäbe. 30 Prozent fänden das nicht wünschenswert, teilte der "Stern" am Mittwoch mit. Gegen eine Flüchtlingsunterkunft in ihrer Nachbarschaft sind vor allem Anhänger der AfD (57 Prozent) sowie Ostdeutsche (45 Prozent).

Am Donnerstag trifft sich Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder in Berlin, um über mögliche Entlastungen durch den Bund bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu beraten. Viele Kommunen fühlen sich überfordert. Nach Schätzung des Migrations-Bundesamts wird die Zahl der Asylanträge in Deutschland bis Jahresende auf über 200.000 steigen. 2013 registrierte das Amt rund 110.000 neue Asylantragsteller.

Besonders in Süd- und Westdeutschland waren in den vergangenen Monaten Unterkünfte so knapp, dass Flüchtlinge in Zelten oder Hallen untergebracht wurden. Berlin will Flüchtlinge nun auch in sogenannten Traglufthallen unterbringen, die mit einem Gebläse errichtet werden. Kommunen und Länder erhoffen sich ein dauerhaftes Engagement des Bundes, der derzeit nur für die Bearbeitung der Anträge und die Verteilung der Flüchtlinge Sorge trägt.

Die Hilfsorganisation "Pro Asyl" forderte vor dem Treffen, nicht nur die Finanzierung zum Thema zu machen. "Das legitime Ziel der Umverteilung der Kosten von Ländern und Kommunen in Richtung Bund droht die Inhalte zu überlagern", erklärte die Organisation am Mittwoch. Aufnahme sei mehr als die bloße Unterbringung. Flüchtlinge müssten möglichst schnell Integrationskurse besuchen können, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.