Rapper Deeb: "Steh auf, Ägypter"

Rapper Deeb: "Steh auf, Ägypter"
Rapper in Ägypten zu sein, hat mit Ruhm und Reichtum wenig zu tun. Doch der arabische Frühling hat Musikern wie Deeb Auftrieb gegeben. Ob kritischer Hip-Hop in der ägyptischen Gesellschaft in Zukunft Platz hat, ist ungewiss. Für den Rapper Deeb ist die Revolution noch nicht vorbei.
31.10.2011
Von Jasmin Maxwell

Die Straßen von Kairo sind Deebs Bühne. Der Rapper läuft durch verfallene Hinterhöfe, vorbei an belebten Bars, über stillgelegte Bahngleise. "Meine Leute brauchen Medizin", singt er. Ihnen werde das Blut ausgesaugt.

Das Video zu dem Lied "Masrah Deeb" (Deebs Bühne) drehte der 27-Jährige nur wenige Tage, bevor im Januar junge Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo eine Revolution gegen das Regime begannen. Nach drei Wochen zwangen sie den Präsidenten Husni Mubarak zum Rücktritt. Auch Deeb war damals auf dem Tahrir-Platz, und nach dem Sieg der Revolution trat er dort vor Tausenden Demonstranten auf. So wurde der Platz zu Deebs Bühne, der besten seines Lebens, sagt er.

In Ägypten Rapper zu sein, hat mit Ruhm und Reichtum wenig zu tun. Hip-Hop ist in der arabischen Welt ein junges Genre, für Rapper gibt es kaum Plattenfirmen oder Manager. Vor dem arabischen Frühling konnte Deeb von Auftritten auf großen Bühnen nur träumen, nach der Revolution wurde er von der britischen BBC interviewt und zur Frankfurter Buchmesse eingeladen. Leben kann er von seiner Musik trotzdem nicht, erzählt der Musiker vor seinem Auftritt in Frankfurt.

Zensierte Texte: Lieder von den "großen Männern"

Deeb, der eigentlich Mohamed el-Deeb heißt, rappt seit sechs Jahren, 2010 veröffentlichte er seine erste Solo-CD. Die meisten seiner Lieder produziert sein Bruder, die Technik bezahlt Deeb aus eigener Tasche. Seine Lieder stellt er zum kostenlosen Download ins Internet.

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Die Musik finanziert Deeb mit seiner Arbeit als Finanzanalyst. Vielleicht wirkt er deswegen auf den ersten Blick so wenig wie ein Rapper. Er ist eher ruhig und sehr höflich. Die Selbstinszenierung, die amerikanische Hip-Hop-Stars bis zum Exzess betreiben, scheint ihm fremd. An seinem Aussehen ist nur die markante Brille auffällig.

Unter Mubarak musste Deeb seine Texte zensieren, er sang nie von der Regierung, sondern von "den großen Männern". Als politisch will er seine Lieder aber nicht verstanden wissen. "Ich rappe über das, worüber die Menschen auf der Straße sprechen. Und wenn sie über Politik reden, dann rappe ich eben über Politik."

"Im Ausland hält man stärker an seinen Wurzeln fest"

Um seinen Hals trägt der Kairoer eine Kette mit einem Adler, dem ägyptischen Nationalwappen. "Die hatte ich schon vor der Revolution", betont er. Auch wenn er in seinen Liedern die ägyptische Gesellschaft kritisiert - auf seine Herkunft war er immer stolz.

Sechs Jahre seiner Kindheit verbrachte Deeb in Dubai. "Wenn man im Ausland lebt, hält man stärker an seinen Wurzeln fest." Vielleicht rappt er deshalb nicht auf Englisch, sondern auf Arabisch. In seinen Liedern benutzt Deeb traditionelle ägyptische Musik, in "Bilady" fragt er seine Landsleute: "Habt ihr schon mal daran gedacht, Ägypten zu besingen?"

Tatsächlich konnten viele Freunde lange nicht verstehen, warum Deeb sein Land liebt. "Als ich nach Ägypten zurückkam, sind mir die soziale Ungleichheit und die Korruption aufgefallen. Das hat auf die Moral der Leute geschlagen." Viele wollten das Land verlassen - Deeb rappte.

Glaube an die Macht der Massen und der modernen Technologie

Der arabische Frühling hat dem Hip-Hop in der Region Auftrieb gegeben. In Ägypten läuft immer mehr Rap im Radio. "Ich will bald meinen Job kündigen", erzählt Deeb. Dann könnte er nur noch Musik machen.

Die Gelegenheit scheint günstig - auch wenn die Zukunftsaussichten für einen gesellschaftskritischen Musiker in Ägypten ungewiss sind. Am 28. November sind Parlamentswahlen. Den fundamentalistischen Muslimbrüdern werden gute Chancen eingeräumt, es ist unklar, wie viel Macht die aktuelle Militärführung behalten wird.

Die Offiziere haben in den vergangenen Monaten Tausenden Aktivisten den Prozess gemacht. Gerade hat Deeb ein neues Lied veröffentlicht, es heißt "Steh auf, Ägypter". Darin fordert er die Leute auf, weiter zu demonstrieren. "Die Revolution ist noch nicht vorbei", sagt er.

Doch nachdem er erlebt hat, was die jungen Ägypter zusammen erreicht haben, glaubt Deeb fest an die Macht der Massen und der modernen Technologie: "Ich habe heute keine Angst, öffentlich zu sagen, was ich denke. Wenn ich festgenommen werden sollte, würde ich twittern: Leute, ich bin im Gefängnis. Dann würden meine Freunde protestieren, solange, bis ich wieder frei komme."

epd