Kirchen kritisieren den neuen Bundesfreiwilligendienst

Kirchen kritisieren den neuen Bundesfreiwilligendienst
Die christlichen Kirchen in Deutschland haben 100 Tage nach Einführung des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) scharfe Kritik an dem neuen Dienst geübt. Dieser sei nicht geeignet, freiwilliges Engagement zu fördern, sagte die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Karin Kortmann, am Freitag in Erfurt. Oberkirchenrätin Cornelia Coenen-Marx von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte, mit knapp 16.000 Freiwilligen, die den BFD inzwischen angetreten haben, bleibe die Zahl weit hinter den Erwartungen zurück.

Der Bundesfreiwilligendienst ist nach der Aussetzung der Wehrpflicht am 1. Juli an die Stelle des Zivildienstes getreten. In dem neuen Dienst können sich Frauen und Männer jeden Alters engagieren, sobald sie die Schule beendet haben. Ziel der Bundesregierung sind 35.000 Bundesfreiwillige im Jahresdurchschnitt. Das soll in einem Jahr erreicht sein.

Kortmann und Coenen-Marx forderten mehr Anstrengungen, um junge Menschen für ehrenamtliche Tätigkeiten zu gewinnen. Nach ihren Angaben belegen Studien, dass die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur von neun auf acht Jahre zu einem "erheblichen Rückgang" des freiwilligen Engagements von Jugendlichen geführt hat. Viele Kinder hätten nach einem langen Schultag hierfür keine Zeit oder keine Energie mehr, sagte Coenen-Marx am Rande der ökumenischen Tagung zum ehrenamtlichen Engagement in Erfurt. Sie forderte die Träger von sozialer, ökologischer oder auch kultureller Arbeit zu einer engeren Kooperation mit den Schulen auf.

Nicht nur Jugendliche sollten sich engagieren

Insgesamt sei eine stärkere Förderung des bürgerschaftlichen Engagements nötig. Nach Untersuchungen sei zwar fast jeder Dritte in seiner Freizeit ehrenamtlich aktiv, aber Umfragen zeigten auch, dass jeder Dritte der Inaktiven sich gerne engagieren würde. "Auf diese Menschen müssen wir zugehen", sagte Coenen-Marx. Berufstätige Männer seien ebenso wie Menschen über 60 und sozial Benachteiligte unterrepräsentiert. ZdK-Vizepräsidentin Kortmann forderte mehr Fortbildungsangebote für Menschen in Ehrenämtern. Die in Ehrenämtern erworbenen Kompetenzen wie etwa Team- und Konfliktfähigkeit würden von Arbeitgebern zu wenig anerkannt und sollten bei Neueinstellungen eine größere Rolle spielen.

Die Bedeutung des Ehrenamtes werde mit der demografischen Entwicklung und dem zunehmenden Verlust des familiären Zusammenhalts weiter wachsen. In persönlichen Krisensituationen würden sich die Menschen gerne Nachbarschaftshilfen anvertrauen. Dazu fehle aber insbesondere in Westdeutschland oft die Infrastruktur, sagte Coenen-Marx. Hier seien auch die Kirchen gefordert, in deren Gemeinden und sozialen Diensten sich immerhin die Hälfte der in Deutschland ehrenamtlich Engagierten betätige. Ferner sollten es sich die Kirchen zu ihrer Aufgabe machen, sozial Benachteiligte in Ehrenämtern zu aktivieren.

epd