Integration, Frieden, Ökumene: Kirchentag in vollem Schwung

Integration, Frieden, Ökumene: Kirchentag in vollem Schwung
Krieg und Frieden, Integration und Ökumene: Aktuelle gesellschaftliche und kirchenpolitische Fragen haben die ersten Debatten des evangelischen Kirchentages in Dresden geprägt. Insbesondere über die Auslandseinsätze der Bundeswehr wurde am Donnerstag intensiv diskutiert, nachdem am Morgen erneut ein deutscher Soldat in Afghanistan getötet wurde. 5.000 Gäste verfolgten zudem eine Gesprächsrunde zum Thema Integration mit Bundespräsident Christian Wulff.

In der Gesprächsrunde rief Wulff die Christen dazu auf, offen gegenüber anderen Religionen zu sein. Würden sie keine Offenheit zeigen, könnten sie das auch nicht von muslimischen Gesellschaften verlangen, erklärte der Bundespräsident am zweiten Tag des Protestantentreffens. Er mahnte aber auch eine Modernisierung des Islam an.

Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, beklagte beim Kirchentag eine verzerrte Darstellung des Islam in den deutschen Medien. Er warb gemeinsam mit dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, und dem Berliner Bischof Markus Dröge für einen offenen und gelassenen Umgang mit anderen Religionen.

Beim Kirchentag, zu dem rund 118.000 Dauerteilnehmer angemeldet sind, stehen bis Sonntag mehr als 2.000 Veranstaltungen auf dem Programm. Am Donnerstagnachmittag feierten 10.000 Gläubige verschiedener Konfessionen zu Christi Himmelfahrt im Fußballstadion einen gemeinsamen Gottesdienst. "Für die Ökumene darf es keine Schonzeit geben", forderte dabei der katholische Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Joachim Reinelt.

Die Bundeswehr wird zum großen Thema

Die Rolle der Bundeswehr sowie die Ziele und Grenzen militärischer Auslandseinsätze sorgten für hitzige Diskussionen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) übte scharfe Kritik an den Reformplänen von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU).

"Wir dürfen die Bundeswehr nicht zum Instrument einer Kanonenbootpolitik in neuer Form machen", warnte der rheinische Präses unter Anlehnung an einen historischen Begriff aus der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert. "Es ist beunruhigend zu sehen, dass die Bundeswehr Stück für Stück zu einer Einsatzarmee umgebaut wird", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe). Am Freitag soll Schneider bei einer Diskussion mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zusammentreffen.

De Maizière erklärte am Rande des Kirchentags, dass er am Einsatz in Afghanistan festhält. "Vor Gewalt darf man nicht weichen. Wenn wir jetzt gingen, würden das Vertrauen und das Selbstvertrauen der Afghanen erst recht erschüttert", sagte der Minister, der auch dem Präsidium des Kirchentags angehört.

Für eine stärkere Auseinandersetzung mit den Zielen und Grenzen militärischer Einsätze im Ausland sprachen sich auch der Berliner Altbischof Wolfgang Huber, der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms und der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann aus. Der Konflikt in Libyen, aber auch der Tod deutscher Soldaten in Afghanistan zeigten die Aktualität und die Notwendigkeit, sich "lauter für den Frieden auszusprechen", sagte Huber. Brahms betonte, man müsse "mehr über den Vorrang des Politischen nachdenken."

Gabriel fordert schrittweisen Atomausstieg

Auch die Energiewende und der Atomausstieg waren zentrale Themen der Veranstaltungen vom Donnerstag. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte, die Ethikkommission zum Atomausstieg "die ganzen Jahre" weiterzuführen: "Sicherheit ist wichtiger als Geschwindigkeit." Der SPD-Chef warnte auf einem Podium der evangelischen Kirchenpresse vor einer gleichzeitigen Abschaltung aller Atomkraftwerke zu einem festen Zeitpunkt. Er habe Angst vor Energie-Engpässen, wenn gleichzeitig "so viel so schnell abgeschaltet wird".

Der Vorteil des Ausstiegskonzepts der früheren rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sei der Plan zur schrittweisen Abschaltung gewesen. "Meine Angst ist, dass wir am Ende große Schwierigkeiten haben", sagte der ehemalige Umweltminister. Wenn es einen Blackout gebe, würde der Ausstieg aus der Atomkraft von vielen Menschen wieder infrage gestellt: "Bei der Energie reden wir über das Herz-Kreislauf-System unserer Volkswirtschaft", sagte Gabriel: "Wir operieren am offenen Herzen dieses Kreislauf-Systems." Energie müsse sicher, ökologisch und bezahlbar bleiben.
 

epd