Eine "Jasmin-Revolte" ist in China nicht in Sicht

Eine "Jasmin-Revolte" ist in China nicht in Sicht
In den arabischen Staaten begehren die Bürger gegen ihre Regierungen auf. Angefangen hat es Januar mit dem "Jasmin-Revolution" genannten Sturz des tunesischen Diktators Ben Ali. Auch in China hegen Regimekritiker nun die Hoffnung, dass der Geist des Protests das Reich der Mitte erfassen könnte. Doch die chinesische Einparteienherrschaft sitzt fest im Sattel.
24.02.2011
Von Felix Lee

China steht vor ähnlichen sozialen Problemen wie Tunesien oder Ägypten, wo die Preise für Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs explodiert sind. Auch in China schießen die Preise derzeit in die Höhe. Im Januar lag die Inflationsrate bei fast fünf Prozent. Lebensmittel wurden sogar um mehr als zehn Prozent teurer.

Besonders große Sorge bereitet der kommunistischen Führung in Peking die andauernde Dürre im Nordosten des Landes. In den Provinzen Shandong, Hebei, Henan und Shanxi - Chinas Kornkammer - hat es seit fünf Monaten nicht mehr geregnet. Bleibt der Niederschlag auch in den kommenden Wochen aus, droht der Volksrepublik die schlimmste Dürre seit 60 Jahren.

Steigende Getreidepreise

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schlug Anfang Februar Alarm: Die schwere Dürre werde sich negativ auf den gesamten Weltgetreidemarkt auswirken. Der FAO-Bericht wiederum beflügelte die Spekulanten. Prompt stiegen die Weizenpreise auf den Terminmärkten in Paris und Chicago auf den höchsten Stand seit 2008.

Vor drei Jahren hatten die explodierenden Lebensmittelpreise vor allem in Afrika und in der Karibik Hungerrevolten ausgelöst - in Ländern, die Weizen und Reis in großen Mengen importieren müssen. Auch China führt seit einigen Jahren eine wachsende Menge an Getreide und anderen Grundnahrungsmitteln ein. 2010 betrugen die Getreide-Importe 1,65 Millionen Tonnen, was nach offiziellen Angaben aber noch weniger als fünf Prozent des Gesamtbedarfs ausmacht.

Wenn jetzt wieder die Nahrungsmittelpreise aus dem Ruder laufen, weiß China - im Unterschied zu den arabischen Ländern - massiv gegenzusteuern. So hat die Regierung in der vergangenen Woche angekündigt, mindestens 6,7 Milliarden Yuan (rund 770 Millionen Euro) bereitzustellen, um ein drohendes Getreide-Defizit auszugleichen.

Fixpreise für Grundnahrungsmittel

Bereits jetzt erhalten arme Familien Zuschüsse für Lebensmittel, für die 16 wichtigsten Grundnahrungsmittel hat die Regierung Fixpreise festgelegt. Landesweit sind die lokalen Behörden aufgefordert, Vorräte anzulegen. Und die chinesische Regierung kauft seit einigen Wochen Mais, Soja und Weizen auf - was die Weltmarktpreise noch stärker in die Höhe treibt.

Der Hongkonger Politologe Cheng Yu-shek analysiert das Unruhe-Potenzial in China: Der Unmut über Korruption, soziale Ungleichheit und mangelnde Mitbestimmung sei zwar weit verbreitet, sagte er der "South China Morning Post". Aber anders als in arabischen Ländern habe sich der Lebensstandard für die meisten Chinesen deutlich erhöht. Auch der Pekinger Politologe Hu Xindou glaubt, dass es erst dann zu großen Unruhen kommen würde, wenn die Menschen nicht genug zu essen hätten: "Davon ist China weit entfernt."

Wenige Demonstranten, viele Sicherheitskräfte

Versuche, Proteste in China zu organisieren, gab es dennoch. Am vergangenen Sonntag trafen sich in mehreren Städten jeweils einige Dutzend Demonstranten und verteilten Jasminblüten - in Anlehnung an die "Jasmin-Revolution" in Tunesien. Zuvor hatten Aktivisten im Internet Aufrufe verbreitet.

Doch die chinesischen Sicherheitskräfte waren sofort zur Stelle. In der Pekinger Einkaufsstraße Wangfujing lösten sie die Ansammlung unverzüglich auf, und auch in den anderen Städten waren die Aktionen schnell beendet. Das Informationszentrum für Menschenrechte und Demokratie in Hongkong berichtete von rund 100 Festnahmen.

Ein Blogger auf der regierungskritischen Webseite Boxun hält 2011 soziale Unruhen in jedem anderen Entwicklungsland für wahrscheinlicher als in China. In den Jasmin-Demos vom Sonntag sieht er eher "eine politische Kunstaktion" als einen wirklich ernst gemeinten Plan, das kommunistische Regime zu Fall zu bringen. Allerdings gab es wieder einen Aufruf für nächsten Sonntag.

epd