Pferde- und Schweinerennen im Schatten des Papsttums

Pferde- und Schweinerennen im Schatten des Papsttums
Rom, die Stadt der Päpste, entdeckt seine Karnevalstraditionen neu: Die Römer feiern ihren ganz eigenen Karneval mit Pferderennen rund um die Piazza del Popolo.
18.02.2011
Von Bettina Gabbe

Der Karneval von Venedig mit seinem "Engelsflug" ist weltberühmt, doch in Italien freuen sich Kinder und andere Faschingsnarren in der fünften Jahreszeit auch andernorts der Maskenfreiheit. In Viareggio in der Toskana verspotten die Bewohner Politiker aus aller Welt mit riesigen Karikaturen aus Pappmaché. Und auch Rom, die Stadt der Päpste, besinnt sich auf alte Faschingstraditionen, unter anderem  mit Pferderennen rund um die Piazza del Popolo.

Maskierte Reiter wetteifern um Ehrenpreise

In Anlehnung an das gefährliche Spektakel früherer Jahrhunderte mit reiterlosen Pferden werden diesmal maskierte Reiter um Ehrenpreise wetteifern. Das römische Opernhaus liefert dazu Kostüme und Tribünen im Stil des 16. Jahrhunderts. Von der Piazza del Popolo starten daraufhin Kutschen, Artisten mit Pferden und Darstellern der Commedia dell?arte zu einem Maskenzug durch die Altstadt. Zu dem Spektakel mit Straßentheater, Musik und Kunststücken erwarten die Veranstalter nicht nur Kinder. Sie hoffen wieder auf ein "Fest für Kinder aller Lebensalter".

Dem Pferderennen auf der zentralen Via del Corso verdankt die einstige "Via Lata", die "breite Straße" zwischen Piazza del Popolo und Piazza Venezia, ihren Namen. Schon Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) beobachtete auf seiner Italienreise mit einer Mischung aus Faszination und Irritation diesen Wettkampf. Ohne Reiter galoppierten damals Berberpferde, die im 19. Jahrhundert durch robuste Maremma-Pferde aus der Toskana ersetzt worden waren, an einem Korridor aus Kutschen und begeistertem Publikum vorbei bis zur Piazza Venezia.

Trotz der verstreuten Vulkanerde "gibt das Pflaster Feuer, die Mähnen fliegen, das Rauschgold rauscht, und kaum dass man sie erblickt, sind sie vorbei", beschrieb Goethe das Spektakel in "Das römische Karneval". Nur wenige Augenblicke dauerte der für Tiere und Zuschauer gleichermaßen gefährliche Spaß, der einen "gewaltsamen, blitzschnellen, augenblicklichen Eindruck" hinterließ und "auf den so viele tausend Menschen eine ganze Weile gespannt waren".

Karneval: Unmut über die herrschende Papstkirche

Das neu gegründete Italien verzichtete zunächst auf große Festivitäten zum Karneval. Schließlich dienten die ausgelassenen Feierlichkeiten dazu, Unmut über die herrschende Papstkirche zu ventilieren. In den umliegenden Städten halten sich Festumzüge mit allegorischen Darstellungen bis heute. In Rom nutzten in der Zwischenzeit vor allem Kinder die Freiheit, sich zu kostümieren.

"Wir verkleideten uns grundsätzlich als Prinzessinnen", berichtet eine Mutter, die bereits vor dem offiziellen Beginn des Karnevals ihre beiden Söhne als Cowboy und Spiderman kostümiert hat. "Heute gehen Mädchen als Punk, Jungs auch mal als Militärs". Die Mittvierzigerin freut sich am Spaß ihrer beiden sechs- und achtjährigen Buben, die wie ihre Altersgenossen gern Passanten mit bunter Farbe besprühen, um dann mit übermütigem Lachen wegzulaufen. "Mich hat der Fasching früher eher traurig gemacht", sagt die Römerin.

Neue Akzente mit Petersburger Artisten

Seinen Ursprung hat der römische Karneval in antiken Traditionen wie den Festen zu Ehren der Götter Bacchus und Saturn. In der Renaissance und im Barock wurde der Karneval nicht nur mit eleganten Festen zwischen Piazza Navona und Piazza del Popolo gefeiert. Auf der anderen Seite des Tiberufers ergötzten sich breite Bevölkerungskreise gern an Schweinerennen. Juden, Laufburschen und Alte wurden dabei zu Wettläufen verpflichtet.

Noch heute zeugt das römische Ghetto gegenüber des Vatikans von einer der ältesten jüdischen Gemeinden in Europa. Die Ghettobewohner mussten nicht nur beim Karneval Läufer für Wettrennen stellen, sie waren auch angehalten, jeden neu gewählten Papst auf Prozessionen mit festlichen Lobsprüchen auf Transparenten zu begrüßen. Heute gehören die fantasievoll formulierten Hymnen zum Bestand des Museums in der Synagoge am Tiber.

Dass der römische Karneval nicht mehr auf Kosten von Minderheiten geht, sondern im Zeichen der kulturellen Öffnung steht, soll in diesem Jahr die Partnerschaft mit Sankt Petersburg zeigen. Artisten und Tänzer aus Petersburg sollen in dem bunten Treiben einen neuen Akzent setzen. Auf Wettkämpfe mit Schweinen, die im volkstümlichen Viertel Testaccio vor Kutschen gespannt wurden, wird inzwischen aus Gründen des Tierschutzes verzichtet.

epd