Gegen Rechts: Dresdner Christen mahnen und beten

Gegen Rechts: Dresdner Christen mahnen und beten
Dresdens Kirchengemeinden rufen für Samstag zum friedlichen Protest gegen Rechtsextremismus auf: Mit rund 50 Mahnwachen wollen sie sich den angekündigten Nazi-Aufmärschen widersetzen. Mahnen und Beten sind die ureigensten Mittel der Christen gegen menschenfeindliche Ideologien.
17.02.2011
Von Anne Kampf

"Überall, wo ein ziviler Bürger steht, kann kein Rechter stehen", sagt Peter Meis, Superintendent des evangelischen Kirchenbezirkes Dresden-Mitte. Das galt für den vergangenen Samstag, an dem schätzungsweise 17 000 Bürger eine Menschenkette um die Innenstadt gebildet haben, um deutlich zu machen, dass sie Rechtsextremen keinen Raum geben wollen. Und das gilt erst recht für den kommenden Samstag: Dann rechnet die Stadt mit einem Aufmarsch von rund 4000 Rechtsextremisten aus Deutschland und ganz Europa. Die Polizei erwartet rund 20 000 Gegendemonstranten.

Am 13. Februar 1945, kurz vor Kriegsende, hatten alliierte Bomber die Stadt angegriffen. Das historische Zentrum Dresdens mit der berühmten Frauenkirche wurde zerstört, zehntausende Zivilisten starben. Bis heute gilt die Stadt Dresden als Symbol, das allerdings unterschiedlich gedeutet wird: Rechte Gruppierungen sehen die Bombenangriffe als verbrecherischen Terror gegen die deutsche Zivilbevölkerung, Demokraten mahnen mit ihren Erinnerungsveranstaltungen zu Frieden und Mitmenschlichkeit.

Sichtbare Zeichen

Mitglieder der Dresdner Kirchengemeinden haben sich am Sonntag in die Menschenkette eingereiht und wollen sich an diesem Sonntag mit Mahnwachen den Rechtsextremen entgegenstellen. "Immer wieder wollen ewig Gestrige, die Verbrechen des Nationalsozialismus leugnend, ihre menschenfeindlichen Ideologien und Hass-Parolen durch unsere Städte und Dörfer tragen", schreibt die Arbeitsgemeinschaft 'Kirche für Demokratie gegen Rechtsextremismus Sachsen'. "In dieser Situation sind wir besonders als Christinnen und Christen - gleich welcher Konfession - herausgefordert, sichtbare Zeichen in unserem Heimatort zu setzen. Dies wollen wir mit unseren ureigensten Mitteln tun: Mahnen und Beten."

An 53 Orten - vor Kirchen, Gemeindehäusern oder auf öffentlichen Plätzen in der Nähe von Kirchen - wird es am Samstag Mahnwachen geben. Organisatoren sind die evangelisch-lutherischen Kirchgemeinden und die Stiftung Frauenkirche, die katholische Kathedralgemeinde sowie zehn Freikirchen aus dem Stadtökumenekreis oder der Evangelischen Allianz. Außerdem lädt die Geschäftsstelle des Kirchentags zu einer Mahnwache auf der Ostra-Allee ein.

Gewaltloser Protest

Die Gemeinden wollen friedlich protestieren - mit Kerzen, Gebeten, Liedern, Plakaten - abseits des Nazi-Aufmarsches und der Blockaden. Superintendent Meis versteht, dass manche Christen lieber zu den Blockaden gehen, um ihr Ziel zu erreichen: "Weder eine Menschenkette noch eine Mahnwache verhindert Aufmärsche," gibt er zu. Aus theologischen Gründen mahnt Peter Meis allerdings zur Gewaltlosigkeit: "Wir Christen haben erfahren, dass Gott bewahren und befreien kann – nicht nur vor zwanzig Jahren. Deshalb muss für uns das Wort der Bergpredigt gelten, die andere Wange auch dann hinzuhalten, wenn auf eine geschlagen wird. Denn dies heißt nichts anderes, als das Unrecht sichtbar zu machen und sich bewusst gewaltlos zu positionieren."

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Vielen Teilnehmern ist das auch aus Sicherheitsgründen recht so. Sie wollen sich ungern dorthin begeben, wo sie Gefahr laufen, in gewaltsame Ausschreitungen hineingezogen zu werden. Für diese Menschen sind die Mahnwachen genau die richtige Form des Protestes. Superintendent Meis rechnet zwar mit versprengten Grüppchen rechter oder auch linker Demonstranten vor den Kirchen, meint aber: "Die Gemeinden im Außenbereich müssen keine Sorge haben." Für den Notfall stehen die Mahnwachen in direktem Kontakt zur Polizei. 

"Gott hört Gebete"

Doch können gerade kleine, abseits gelegene Gemeinden mit ihren Mahnwachen auf diese Weise wirklich etwas gegen Rechtsextremismus ausrichten? Ja, sagt Bürgermeister Dirk Hilbert: Mahnwachen seien "eine vielleicht leise, aber flächendeckend wirksame Form des Protests." Auch die AG 'Kirche für Demokratie' versucht, die Dresdner zu ermutigen: "Gott hört Gebete auch in Gemeinden am Rande der Stadt", schreibt sie in einer Broschüre. "Wir glauben, dass unsere Gebete nicht umsonst sind. Wenn sich an diesem Tag ein Gebetsnetz durch die gesamte Stadt spannt, dann wird dies nicht ohne Wirkung bleiben."

Außerdem seien Mahnwachen ein öffentliches Zeugnis für die Bewohner der Stadt: Wer sich an einer Mahnwache beteilige, trete für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe ein und beziehe damit Position gegen rechte Parolen. Gerade die vielen kleinen Standorte des kirchlichen Protestes seien ein Vorteil: "Dezentrale Mahnwachen segmentieren den öffentlichen Raum", so die Arbeitsgemeinschaft. "Es hilft den Ordnungsbehörden, den rechtsextremen Aufmarsch zu begrenzen, wenn an möglichst vielen unterschiedlichen Stellen im Stadtgebiet Veranstaltungen zugleich stattfinden."

Gesangbücher, Tee, Fotoapparat

Für alle Gemeinden, die sich an dem friedlichen Protest beteiligen wollen, hat die AG eine Checkliste zusammengestellt: Die Mindestausstattung für eine Mahnwache besteht aus zwei Menschen, einer Kerze und einem Plakat. Weitere nützliche Dinge sind Gesangbücher, Thermoskannen mit Tee, Kekse, Handys, Müllbeutel, Fotoapparate, Luftballons für Kinder. Zur Gestaltung der Mahnwachen sind vorformulierte Gebete und Liedvorschläge verteilt worden, auch Worte aus dem "Stuttgarter Schulbekenntnis" sind in der Broschüre abgedruckt. 

Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Besucher eine Erklärung unterschreiben, in der es unter anderem heißt: "Wir engagieren uns für eine Stadt, in der Fremde willkommen sind und ohne Angst hier wohnen können, in der jeder Mensch nach seinen Handlungen und nicht nach seiner Abstammung beurteilt wird." Und: "Wir wünschen uns, dass alle, die in dieser Stadt Verantwortung tragen, entschlossen und erkennbar daran mitwirken – nicht nur in Sonntagsreden und nicht nur an einem Tag im Jahr."

evangelisch.de/aka/mit Material von epd