Tunesiens Ex-Regierungspartei vor dem Aus

Tunesiens Ex-Regierungspartei vor dem Aus
Der Präsident ist gestürzt und aus dem Land geflüchtet, auch seine Partei soll keine Zukunft mehr haben: Tunesiens Übergangsregierung hat erste Schritte zur Auflösung der RCD-Partei von Ex-Präsident Zine Al Abidine Ben Ali eingeleitet.

In Tunesien leitete die Übergangsregierung nach neuerlichen Zusammenstößen mit mindestens fünf Toten am Sonntag erste Schritte zur Auflösung der RCD-Partei von Ben Ali in die Wege. Das Innenministerium gab am Abend die Schließung aller RCD-Büros bekannt. Mitgliederversammlungen sind künftig verboten. Das Ministerium begründete den Schritt mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Diese war zuvor durch mehrere Zwischenfälle erschüttert worden.

Fünf Tote bei Auseinandersetzung mit Polizei

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur TAP hatte ein Gruppe Jugendlicher am Sonntag versucht, eine Polizeistation sowie den Gouverneurspalast der Stadt Kébili niederzubrennen. Ein Demonstrant wurde dabei durch eine Tränengasgranate der Polizei am Kopf getroffen und starb, vier weitere wurden verletzt.

Bereits am späten Samstagabend waren mindestens vier Menschen in El Kef im Nordwesten des Landes ums Leben gekommen. Der Zwischenfall hatte sich ereignet, als Polizisten in eine aufgebrachte Menschenmenge schossen, die vor das örtliche Polizeirevier gezogen war.

Die Demonstranten warfen dem Polizeichef Amtsmissbrauch vor und forderten seine Absetzung. Er soll zuvor eine Demonstrantin geschlagen haben. Als Steine und Molotowcocktails geworfen wurden, hätten die Polizisten geschossen. Der Polizeichef wurde dem Bericht zufolge auf Anordnung des Innenministeriums festgenommen.

EU friert Konten von Ben Ali und seiner Familie ein

Tunesiens geflohener Ex-Machthaber Zine el Abidine Ben Ali und seine Familie kommen in Europa nicht mehr an ihr Geld. Die EU hat die Konten von 48 Familienmitgliedern eingefroren. Darunter sind nach Informationen der "Welt" auch mehrere Bankkonten in Deutschland, die zwei Mitgliedern des Ben-Ali-Clans gehören sollen. Die EU macht ihn "für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder Tunesiens verantwortlich".

Die Namensliste der Mitglieder des Ben-Ali-Clans wurde am Samstag im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Darunter sind Ben Ali selbst, seine Ehefrau Leila Trabelsi sowie Verwandte. Sie seien nicht nur für die Veruntreuung von Staatsgeldern verantwortlich, sondern hätten auch die Entwicklung der Demokratie in Tunesien untergraben.

Grundlage ist ein Beschluss der Außenminister der 27 EU-Staaten von Ende Januar. Das Einfrieren der Konten umfasst neben Bargeld und Kontoguthaben auch Aktien und Bürgschaften, die in den Staaten der EU liegen. In Deutschland hätten die Behörden neben mehreren Bankkonten auch eine Immobilie in Frankfurt beschlagnahmt, die einer der fünf Töchter Ben Alis gehöre, berichtet "Die Welt" (Montag) unter Berufung auf Regierungskreise. Das Bundeswirtschaftsministerium konnte diese Informationen zunächst nicht bestätigen.

Die Schweiz blockiert bereits Konten von Ben Ali und seinem Umfeld. Der Clan hatte sich über Jahre hemmungslos bereichert und ein Vermögen ins Ausland gebracht. Ein EU-Einreiseverbot, über das Diplomaten in Brüssel diskutiert hatten, gibt es nicht. Nach 23 Jahren an der Macht war Präsident Ben Ali am 14. Januar nach blutigen Massenprotesten ins saudi-arabische Exil geflohen.

Algerien bereitet Massenproteste vor

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Tunesien formiert sich auch im großen Nachbarland Algerien der Widerstand gegen das herrschende System. Am Wochenenden bestätigten Anhänger der Opposition eine für den 12. Februar geplante Demonstration in Algier für einen Sturz des Systems. Sie soll trotz des Versprechens von Präsident Abdelaziz Bouteflika einer "baldigen" Abschaffung des seit 19 Jahren geltenden Ausnahmezustands stattfinden. Es gab in den vergangenen Wochen bereits Streiks und Demonstrationen sowie Selbstverbrennungen im Lande.

dpa