Vorstoß gegen die Angst vor der Organspende

Vorstoß gegen die Angst vor der Organspende
Werden lebenserhaltende Maschinen abgeschaltet, damit die Ärzte wertvolle Organe entnehmen können? Solche Ängste dürften ein Grund dafür sein, dass viel weniger Deutsche als nötig Spenderausweise haben. Eine Reform ist geplant - die Probleme könnten bleiben.
12.01.2011
Von Basil Wegener

Nach Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas wird der Bundestag in diesem Jahr wohl eine weitere ethisch schwierige Grundsatzfrage neu regeln. Ein neues Gesetz soll dem Mangel an Spenderorganen begegnen. Nach Ärzteangaben fallen ihm jährlich 3.000 Menschen nach langem Warten zum Opfer. Nun geht es darum, ob und wie die Menschen dazu bewegt werden können, sich zu Lebzeiten mit der Frage einer Organspende nach dem Tod auseinanderzusetzen.

"Entscheidungslösung": Einmal im Leben mit der Frage auseinandersetzen

"Was jedem von uns passieren wird, ist der Tod, und der wird aus der Gesellschaft verbannt", bedauert Volker Kauder, der ausdrücklich nicht als Unionsfraktionschef spricht, sondern als langjähriger Vorkämpfer für mehr Organspenden. Angesichts des Leids, das der Organmangel tausendfach über Betroffene und Angehörige bringt, will Kauder nun noch in diesem Jahr strengere Regeln auf den Weg bringen.

"Uns ist wichtig, dass wir niemanden zwingen", meint der CDU-Politiker. Also soll niemand wie in vielen anderen Ländern vorher aus eigenem Antrieb widersprechen müssen, so dass ihm später nicht Organe entnommen werden. Doch jeder solle sich einmal im Leben mit der Frage auseinandersetzen. "Das halte ich für zumutbar." Ärzte sollen vorher über das Thema aufklären. In Führerschein, Personalausweis oder Reisepass könnte die Entscheidung für oder gegen eine Organspende dann gespeichert werden. Wer sich nicht entscheiden will, für den müssten später weiter die Angehörigen entscheiden.

Von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der mit der Nierenspende an seine Frau das Thema ins Licht gerückt hatte, stammt der Name des Vorstoßes: Die "Entscheidungslösung" soll langes Ringen in Deutschland über Wege zu mehr Organspenden beenden. Kauder will, dass der Bundestag darüber möglichst ohne Gegenanträge abstimmt. Bei den Embryonen-Gentests gibt es dagegen schon mehrere konkurrierende Konzepte.

Einer späteren Organentnahme darf man heute ab 14 Jahren widersprechen, ab 16 darf man zustimmen. Doch haben nach verschiedenen Angaben nur 14 bis 25 Prozent einen Spenderausweis. Auch wenn eigentlich mehr als zwei von drei Deutschen Organspenden grundsätzlich positiv gegenüberstehen.

Bessere Organisation in Krankenhäusern gefordert

Für viele ist der Mangel ein Drama: Während Kranke auf rettenden Ersatz warten, rückt der Tod wegen des immer schlechteren Zustands anderer Organe immer näher. "Durch die Warteliste transplantieren wir immer kränkere Patienten", sagt der Gründer der Initiative "Pro Organspende", Reinhard Pregla.

Pregla beschwört seine Zuhörer: Ängste seien unbegründet. Der Hirntod könne zweifelsfrei festgestellt werden. Auch die Maschinen der Intensivmedizin könnten dann ja abgestellt werden. "Auch wenn man sich nicht für eine Organspende entscheidet, muss diese Entscheidung getroffen werden."

Doch auch eine "Entscheidungslösung" reicht aus Expertensicht nicht. "Neben der Erhöhung der Organspendebereitschaft brauchen wir eine bessere Organisation in den Krankenhäusern", sagt der AOK- Vizechef Jürgen Graalmann. Zwei Drittel der Spenden kämen aus 35 Unikliniken - nur zwei Prozent aus 1.200 kleinen Häusern.

FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach, der Patientenbeauftragte Wolfgang Zöller und der CDU-Abgeordnete Rolf Koschorrek legten deshalb schon vor rund drei Monaten eine andere Initiative vor. Denn nur rund 40 Prozent aller Klinikpatienten, bei denen der Hirntod festgestellt wird, werden als mögliche Organspender gemeldet, wie Zöller moniert. Bei vielen wird nicht einmal gefragt, ob der Betroffene wohl eine Spende gewollt hat. Dabei können Organe nur in den seltenen Fällen entnommen werden, wenn der Hirntod vor einem Zusammenbruch des Herzkreislaufsystems eintritt.

Flach sieht folglich eine Pflicht zu Transplantationsbeauftragten in den Kliniken als nötig an, damit mögliche Organspender auch identifiziert werden. Die Quote von heute 15 Spenden pro eine Million Einwohner in Deutschland könnte unter günstigsten Umständen auf maximal 40 gesteigert werden, heißt es bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Sprecherin Birgit Blome meint: "Der Schlüssel hierfür liegt in den Krankenhäusern."

dpa