Sprießendes Brusthaar aus weit geöffneten Hemden, Goldkettchen, buschige Koteletten und dazu eine vor Leidenschaft bebende Stimme: Die 1960er und 1970er Jahre waren die große Zeit des britischen Sängers Tom Jones. Und noch immer brüllt der "Tiger", wie er genannt wird. Zwischen Juni und August gibt er auf seiner "Defy Explanation"-Tour auch fünf Konzerte in Deutschland - mit dann 85 Jahren. Am 7. Juni 1940 kam er als Thomas John Woodward, Sohn eines Bergmanns, in der walisischen Kleinstadt Pontypridd zur Welt.
Bis heute gilt Tom Jones als einer der stimmgewaltigsten Pop-, Soul- und Countrysänger. In einem Atemzug wird er mit Frank Sinatra oder Elvis Presley genannt. Mitte der 1960er Jahren startete der frühere Staubsaugerverkäufer seine Karriere, die ihm Welthits bescherte: "It's Not Unusal", "What's New, Pussycat?" "Delilah", "Green, Green Grass Of Home", "She's A Lady"
Unverwechselbar ist Jones' kräftiger Bariton, der aus netten Popsongs zeitlose Melodien machte - mehr als 100 Millionen Tonträger hat er verkauft. 2006 schlug ihn die britische Königin Elisabeth II. zum Ritter. Bisweilen wird der preisgekrönte Sänger musikalisch unterschätzt. Er interpretierte häufig für ihn geschriebene Songs oder das Material anderer Künstler. 1963 spielte er als Sänger der Beatband Tommy Scott and the Senators in seiner Heimatstadt in Pubs. Als Solist machte er dann unter dem Pseudonym "Tiger Tom" weiter.
In London entdeckte ihn ein Manager, gab ihm den Künstlernamen "Tom Jones". Im Jahr 1965 landete er als 25-Jähriger mit "It's Not Unusual" seinen ersten Nummer-eins-Hit in Großbritannien. Der Song ist bis heute Jones' Erkennungslied: Soulige Bläser, tanzbarer Rhythmus und über allem sein schmachtender Gesang. Jones' Stimme atmet den schwarzen Blues und Soul. Damit begeisterte der Sänger mit der Statur eines Boxers besonders weibliche Fans.
Fast 60 Jahre glücklich verheiratet
Der Mann, der 59 Jahre lang mit seiner 2016 verstorbenen Jugendliebe Melinda verheiratet war, hatte zahlreiche Affären, mit denen er sich brüstete. Zu den lauten Rolling Stones, Beatles oder The Who setzte Jones einen Kontrapunkt. Wie die "Crooner", die früheren Schnulzensänger des Jazz und Swing, lieferte er Balladen, oft garniert mit Streichern oder Bläsern.
Zur Komödie "Was gibt’s Neues, Pussy?" (1965) mit Peter Sellers, Peter O’Toole und Romy Schneider lieferte er den schwungvollen Titelsong "What’s New Pussycat?". Im selben Jahr trug man Jones den Themensong für den James-Bond-Streifen "Thunderball" mit Sean Connery in der Hauptrolle an - ein Karrierebeschleuniger für viele Künstler von Shirley Bassey über Adele bis hin zu Billie Eilish. Gefährlich dröhnen die Trompeten, Jones singt sich für den Agentenklassiker die Seele aus dem Leib. Angeblich soll er beim lang anhaltenden letzten Ton fast ohnmächtig geworden sein.
Harsche Kritik am Song "Delilah"
Gleich zweimal landete er 1968 mit den Songs "Delilah" und "Help Yourself" auf Platz eins der deutschen Hitlisten. "Delilah" allerdings erzählt die Geschichte eines Femizids: Ein eifersüchtiger Mann ersticht seine untreue Frau mit dem Messer. Der walisische Rugby-Verband verbot bei ihren Spielen den beliebten Titel, auch darüber hinaus gab es viel Kritik. "Ich dachte nicht, dass ich der Mann war, der das Mädchen tötet, als ich das Lied sang", verteidigte sich Jones. Er habe nur eine Rolle gespielt.
In den 1970er Jahren ging Jones nach Las Vegas, sang in den glitzernden Show-Hotels. Der kubanisch-deutsche Schlagersänger Roberto Blanco war mit seiner Version von Jones' "The Young New Mexican Puppeteer" (1972) erfolgreich: "Der Puppenspieler von Mexiko". In der Folgezeit wurde es stiller um Jones. Mit seiner Version des Prince-Songs "Kiss" machte er 1988 wieder auf sich aufmerksam. Er moderierte Musiksendungen und hatte Gastauftritte als Fernsehschauspieler.
Ein unerwartetes Comeback gelang Jones zur Jahrtausendwende mit "Reload", einem bemerkenswerten Album mit Duetten - etwa mit Robbie Williams - und poppigen Coversongs. Der Titel "Sex Bomb" - geschrieben von dem deutschen DJ und Produzenten Mousse T. - setzte ihn in Europa erneut an die Spitze der Charts.
"Sir" Tom Jones bleibt interessiert an neuer Popmusik, seit Jahren ist er Jurymitglied im Talentwettbewerb "The Voice UK" des britischen Fernsehens - und noch immer ist er gut bei Stimme. Mit fast 81 Jahren belegte er 2021 mit "Surrounded By Time" den ersten Platz der Album-Charts in seiner Heimat. "Live aufzutreten ist der Mittelpunkt meines Lebens", sagte er zum Start seiner aktuellen Tournee durch die USA und Europa. Auf seiner "Defy Explanation"-Tour gastiert Tom Jones auch in Stuttgart (16. Juni, Porsche-Arena), Berlin (18. Juni, Tempodrom), Baden-Baden (17. Juli, Festspielhaus) Bremen (Seebühne an der Waterkant, 22. Juli) und Wolfsburg (15. August, Volkswagen-Arena).