Hoffnung für Kinder psychisch- und alkoholkranker Eltern

Hoffnung für Kinder psychisch- und alkoholkranker Eltern
Wenn Eltern unter psychischen Problemen leiden oder regelmäßig Alkoholhaltiges trinken, dann hat das Folgen für den Nachwuchs. „Für Kinder aus Sucht belasteten Familien besteht die Gefahr, selbst süchtig zu werden“, erklärt Lena Amin von der Beratungseinrichtung „Reling“ in Nieder-Olm. Diese Kinder und auch die Sprösslinge psychisch erkrankten Eltern tragen zudem ein erhöhtes Risiko, im Erwachsenenalter psychisch krank zu werden. Doch es gibt Initiativen der Regionalen Diakonischen Werke in Hessen und Nassau, bei denen diese Kinder positive, unterstützende Entwicklungsimpulse erhalten.
25.08.2010
Rita Deschner

Unterstützungs-Angebote
So stellen „Reling“ und das Diakonische Werk Mainz-Bingen gemeinsam das Projekt „KIWI“ auf die Beine: Ab dem 30. September bieten sie ein kostenloses Gruppenangebot für Mädchen und Jungen von acht bis elf Jahren an, die aus einem sucht- oder psychisch belasteten Elternhaus kommen. Es findet alle zwei Wochen in Oppenheim statt. Dabei soll viel gebastelt, gelacht und gemeinsam unternommen werden. Ausflüge zum Klettern oder Paddeln stehen ebenso auf dem Programm. 

In Hessen und Nassau haben bereits zwei Regionale Diakonischen Werke Erfahrungen mit Unterstützungsangeboten für diese Kinder gemacht.
In Rheinland-Pfalz bietet die Suchtkrankenberatungsstelle des Diakonischen Werks Worms-Alzey seit 2009 ein Gruppen-Treffen für Mädchen und Jungen im Alter zwischen sechs und neuen Jahren an. Hier lernen sie ihre Rechte kennen und wie sie Hilfe erhalten können. Die Kinder erfahren bei den Treffen, dass sie keine Verantwortung für die Konflikte und Probleme ihrer Eltern tragen – und diese auch nicht lösen können. Die Therapeutinnen vermitteln den kleinen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass sie so wie sie sind, wertvoll und völlig in Ordnung sind - und wie sie ihre Bedürfnisse angemessen ausdrücken können.
„Die Kinder sind sehr erleichtert, wenn sie erleben, dass es auch andere Jungen und Mädchen gibt, denen es ähnlich ergeht. Das Schöne ist, dass sich schon Freundschaften gebildet haben“, freut sich Claudia Koch, Sozialpädagogin und Therapeutin beim Diakonischen Werk Worms-Alzey.

Auf hessischem Gebiet wurde im Mai 2007 ein Wohnprojekt des Diakonischen Werkes Bergstraße in Rimbach eingeweiht, in dem Familien mit einem psychisch erkrankten Elternteil und betroffene allein lebende Menschen ein neues Zuhause fanden. Für Familien mit einem besonders intensiven Hilfebedarf stehen drei  Reihenhäuser in Rahmen des Rimbacher Wohnprojektes zur Verfügung. Darüber hinaus werden Familien in ihrer eigenen Wohnung betreut. Das Besondere an diesem Angebot ist, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe für die betroffenen Eltern mit den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe verbunden werden.

Tabus brechen
„Es ist ein Fortschritt, dass die Problematik von Kindern psychisch kranker Eltern mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt“, stellt Ursula Thiels fest. Zu dem Verantwortungsbereich der stellvertretenden Leiterin des Diakonischen Werks Bergstraße gehört unter anderem das Wohnprojekt für Familien und Alleinstehende. Das Therapeuten-Team an der Bergstraße verzeichnet es als Erfolg, dass die zunehmende Sensibilität für dieses Thema dazu geführt habe, dass das Jugendamt, die Kinder- und Jugendpsychatrie, Schule, Kindergarten und Jugendhilfe-Einrichtungen mittlerweile gut vernetzt seien. Allerdings betonen sie, dass auf gesellschaftlicher Ebene psychische Erkrankungen und Suchtproblematiken weiter enttabuisiert werden sollen.

Aufmerksamkeit von Hebammen und Erzieherinnen ist gefragt
Nach drei Jahren Arbeit mit Kindern aus sucht- oder psychisch belasteten Elternhäusern stellen sie einhellig fest: „Je früher ein Kind Hilfen erhält, desto besser greifen sie.“ Deshalb wünschen sie sich, dass Hilfen bereits in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Dazu sei notwendig, dass in ganz Deutschland Familienhebammen eingesetzt werden. Auch bei den Erzieherinnen der Kitas sei Aufmerksamkeit gefragt: „Insbesondere Kindergärten sollten die betroffenen Eltern wertschätzend ansprechen und auf spezielle Hilfen aufmerksam machen“, so der professionelle Rat.

Lehrer sollten im Elterngespräch einfühlsam das Thema ansprechen
Claudia Koch, Sozialpädagogin und Therapeutin beim Diakonischen Werk Worms-Alzey, pflichtet ihren hessischen Kolleginnen bei und ergänzt: „In der Schule wird dieses Thema Problem teilweise nicht erkannt oder aus Unsicherheit Unwissenheit nicht angesprochen. Lehrerinnen und Lehrer sollten allerdings die Chance nutzen, die Eltern zu kontaktieren.“ Sie empfiehlt, dass sie in positiver Art und Weise formulieren sollten, was sie beobachten und sachlich benennen, was auffällt. Zudem sei es sinnvoll, auf Hilfsangebote hinzuweisen und den Eltern Informationsmaterial an die Hand zu geben. Anschließend sollten die Eltern den Freiraum erhalten, um das Gesagte wirken zu lassen und Zeit zum Nachdenken zu haben. „Die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz bietet Erziehern, Trainern, Lehrerinnen und Lehrern hier gute Anregungen“, ergänzt sie.
 

Nachbar oder Patentante als Ansprechpartner
Kinder mit psychisch- oder suchtkranken Eltern erleben zu Hause meist eine inkonsequente Erziehung, die Stimmungsschwankungen der Eltern und Streit. Das hinterlässt Spuren. Lena Amin, die das KIWI-Projekt in Oppenheim betreut, berichtet: „Einige Kinder fallen durch körperliche Unruhe auf, sie verhalten sich aggressiv oder ängstlich. Andere klagen über Bauchschmerzen oder haben Übergewicht. Jedes Kind reagiert auf unterschiedliche Weise.“ Aber es gebe auch einige Kinder, die nicht auffallen und sich sehr angepasst verhalten.

„Diese Kinder brauchen vor allem stabile Beziehungen, Menschen, denen sie ihr Vertrauen schenken können,“ so Lena Amin aus Nieder-Olm. Verlässliche Ansprechpartner können auch Großeltern, Paten oder eine Nachbarin sein. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass die Kinder eine regelmäßige Grundversorgung wie warmes Essen und passende Kleidung bekommen.

Hilfe für traumatisierte Menschen ausbauen
Zudem wären flächendeckend zahlreichere und gute Therapiemöglichkeiten für Menschen mit traumatischen Erfahrungen hilfreich. Denn: „Uns ist aufgefallen, dass meist Mütter mit einer diagnostizierten Borderline-Erkrankung das Angebot wahrnehmen. Fast alle Mütter haben traumatische Erfahrungen wie sexuellen Missbrauch erlebt.“ Diesen Eindruck schildern die Sozialarbeiterinnen des Wohnprojekts an der Bergstraße. Deshalb legt das Team großen Wert darauf, die Eltern zu unterstützen und ihre Erziehungskompetenz zu stärken. Die Hilfen kommen gut an: „Eine Diplomarbeit über unsere Tätigkeit hat ergeben, dass alle befragten Familien die Hilfe sehr positiv bewerten.“


Information und Unterstützung
Falls Ärzte, Politiker, Hebammen, Erzieher/innen in Kindertagesstätten, Lehrer, Trainer, Nachbarn, Verwandte aktiv werden möchte, um Kindern mit Startschwierigkeiten positive Entwicklungsperspektiven zu bieten, erhalten sie Unterstützung.
Sie gibt die Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Rheinland-Pfalz e.V. anhand von Fortbildungen pädagogischen Mitarbeitenden und Interessierten das notwendig Wissen an die Hand, um angemessen reagieren und helfen zu können.
Auch die Hessische Landesstelle für Suchtfragen informiert auf ihrer Internetseite über einen unterstützenden Umgang mit diesen Kindern.