Südamerika, die Fußball-Großmacht

Südamerika, die Fußball-Großmacht
Es ist der seit langem erfolgreichste Auftritt Südamerikas bei einer Fußball-WM: Alle fünf in Südafrika gestarteten Mannschaften kamen überzeugend ins Achtelfinale, von den 13 qualifizierten europäischen Teams schafften es nur sechs. Erst in der ersten K.O.-Runde lichteten sich die Reihen: Chile unterlag dem großen Favoriten Brasilien.
29.06.2010
Von Gerhard Dilger

Zehntausende gelb-grün ausstaffierte Brasiliener feierten am Montag vor den Großbildschirmen in den Metropolen das 3:0 gegen Chile. "So ist uns der Titel kaum noch zu nehmen", jubelte Fußballfan Bolivar Almeida in Porto Alegre. Gegen die ausgebufften Stars des fünffachen Weltmeisters hatten die Chilenen keine Chance. Dabei hatten sie in der Vorrunde mit einem klugen, technisch ausgefeilten Angriffsfußball geglänzt, attraktiver gar als die Holländer, wie selbst die niederländische Fußballlegende Johan Cruyff meinte.

Hauptverantwortlich für Chiles besten WM-Auftritt seit 1962 war der argentinische Trainer Rafael Bielsa. Knapp drei Jahre lang trimmte er die Spieler auf Ballbesitz und selbstbewusstes Offensivspiel - ganz ähnlich wie sein Landsmann und ehemaliger Spieler Gerardo Martino die Paraguayer.

Harte Qualifikationsrunde

Die Südamerikaner seien vor allem wegen ihrer harten und ausgeglichenen Qualifikationsrunde so gut eingespielt und taktisch diszipliniert, sagte der holländische Startrainer Leo Beenhakker. Meist führte Paraguay die Südamerika-Tabelle an, erst in der Endphase der insgesamt 18 Spiele wurde es von Brasilien und Chile überrundet. Ecuador, Kolumbien und Venezuela lagen nur knapp hinter dem Fünften Uruguay.

Auch bei dieser WM zeigt sich, dass in Südamerika kein Mangel an Ballkünstlern besteht. Den letzten professionellen Schliff bekommen sie meist in den europäischen Spitzenligen. Vetternwirtschaft, Korruption und der Exodus der Stars nach Europa führen dazu, dass der Fußballbetrieb auf dem Subkontinent alles andere als Weltklasse ist.

In den Nationalmannschaften kommt es dann zu einer glücklichen Synthese zwischen Spielkunst und Taktik, Körperbetontheit und Raffinesse. Uruguays Nationaltrainer Oscar Tabárez etwa schwört auf folgendes Motto des Revolutionärs Che Guevara: "Wir müssen hart werden, aber dabei nie unsere Zärtlichkeit verlieren." Das solide Spiel der "Himmelblauen" vom Río de la Plata erzielte denn auch Erfolge: Als erste Mannschaft erreichte Uruguay das Viertelfinale.

Brasilien und Argentinien als Favoriten

Als absolute Favoriten gelten jedoch wieder einmal Brasilien und Argentinien. In den Trainerpersönlichkeiten Dunga und Diego Maradona verdichten sich die konträren Ansätze anno 2010: Der südbrasilianische Dickschädel Dunga verzichtete trotz erbitterter Proteste der Fans auf schillernde Stars wie Ronaldinho und Adriano und setzt auf selten attraktiven, aber fast immer erfolgreichen Ergebnisfußball.

Der skandalumwitterte Lebemann und ewige Rebell Maradona wird in seiner Heimat von Millionen abgöttisch verehrt. Bei der WM hat er bisher auch jene widerlegt, die an seinen Trainerqualitäten gezweifelt hatten. Bei der bislang letzten WM-Begegnung der beiden, 1990 in Italien, behielt der Spieler Maradona gegen den damaligen Abwehrrecken Dunga die Oberhand.

Ob der kommende Weltmeister auch diesmal wieder aus Südamerika kommt wie bislang noch bei jeder WM außerhalb Europas? Zwei der verbliebenen europäischen Favoriten wollen das verhindern: Im Viertelfinale trifft Brasilien auf die Niederlande, Argentinien auf Deutschland.

epd