Kirchenasyl für ein Gemälde

Cranach-Triegel-Altar im Naumburger Dom
epd-bild/Rico Thumser
Weltkulturerbe Naumburger Dom
Kirchenasyl für ein Gemälde
Ein Altar von Lucas Cranach wird im Vatikan zwischengelagert...

Der Naumburger Dom: Zum größten Teil gebaut in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Eines der bedeutendsten Bauwerke der Spätromanik – und seit 2018 UNESCO-Weltkulturerbe. Eine beeindruckende Kirche mit einer jahrhundertelangen Geschichte.

Derzeit ist der Dom allerdings um ein Kunstwerk ärmer. Schuld daran sind, in zufälliger Reihenfolge: der Leipziger Maler Michael Triegel, der „geringfügig“ ältere Maler Lucas Cranach, der protestantische Bildersturm im 16. Jahrhundert und die UNESCO-Weltkulturerbekommission.

Aber von vorne: Lucas Cranach schuf im Jahre 1519 ein sogenanntes Altar-Retabel, also einen Aufsatz auf einen Altar, mit drei Bildern. Das mittlere davon zeigte wohl eine Mariendarstellung, wurde schon im Jahr 1541 zerstört, der gesamte Altar dann eingelagert. Geht ja gar nicht: Ein Cranach lagert irgendwo im Keller und vergammelt da jahrhundertelang? Die evangelische Kirchengemeinde ließ ihn wieder hervorholen. Besagter Michael Triegel wurde beauftragt, den Mittelteil zu ergänzen. Dabei kombinierte er mittelalterliche Maltechniken und moderne Details, verewigte etwa Dietrich Bonhoeffer und einen alten Mann mit einer Baseball-Cap, die anstelle von Heiligen hinter der Muttergottes stehen.

Im Juli 2022 wurde der Altar schließlich im Westflügel der Kirche wieder aufgestellt und geweiht. Zehntausende kamen in den ersten Monaten, um es zu bewundern. Alle waren glücklich, dieses einzigartige Kunstwerk in der Kirche zu haben.

Wirklich alle?

Nun ja. Kurzer Exkurs: Kennen Sie das, wenn Sie im Kino sitzen und direkt vor Ihnen ist jemand, der oder die Ihnen wegen enormer Körperhöhe und/oder Breite die Sicht auf die Leinwand versperrt? So in etwa fühlte sich die UNESCO-Kommission. Denn: Dieses neue Dingsda, das versperrte die Sicht auf die berühmten hochmittelalterlichen Naumburger Stifterfiguren an der Wand dahinter! So geht das nun wirklich nicht! Dem Dom drohte der Verlust seines Status als Weltkulturerbe. Wegen eines Cranach-Altars. Kulturerbe stört Kulturerbe. Irgendwie schon ein bisschen schräg bei der Bedeutung dieses Kunstwerks. Ich zitiere aus Wikipedia:

„Die internationale Organisation Future for Religious Heritage hat das neue Retabel zum Religious Heritage Innovator of the Year 2023 gekürt. Und die Organisation der Vereinigten Naumburger Domstifter wurde für „diese herausragende Leistung für das religiöse Erbe“ ausdrücklich geehrt.“

Nun gut – der Altar mutierte zur Wanderausstellung, kam mit Sondergenehmigung im Advent 2023 nochmal zurück in die Kirche. Und ruht sich jetzt erst mal für zwei Jahre in Italien aus. Genauer gesagt: In der Kirche des Campo Santo Teutonico innerhalb der Mauern des Vatikans (seltsamerweise aber auf italienischem und nicht vatikanischem Staatsgebiet, aber das führt jetzt hier zu weit). Dort sind tatsächlich alle glücklich über die außergewöhnliche Leihgabe, aber die haben ja auch keinen Welterbe-Status zu verlieren.

Zwei Jahre soll das Altarexil nun erst einmal dauern. In der Zwischenzeit hoffen die Beteiligten, eine Lösung für das Problem zu finden. Wie das aussehen kann? Keine Ahnung. Vielleicht wartet die Gemeinde einfach auf die Rezertifizierung als Kulturerbe, stellt den Altar dann heimlich wieder auf und kurz vor dem nächsten Besuch der Kommission ab, die wiederum so tut, als wüsste sie von nichts. Aber ich fürchte, so wird das auch nichts.

In der Zwischenzeit wünschen wir unseren Freunden in Italien viel Freude an diesem auch historisch außergewöhnlichen Kunstwerk und betonen: Auch ohne Cranach/Triegel ist der Naumburger Dom auf jeden Fall einen Besuch wert!

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