Gott macht uns frei. Helau.

Gott macht uns frei. Helau.

Und wieder geht es los mit der fünften Jahreszeit. Helau! Alaaf! Und was sonst noch so alles geschrieen wird in diesen Tagen. Und wie jedes Jahr, wird dieses närrische Treiben von einer mal lauteren, mal leiseren Diskussion begleitet. Sie dreht sich um die Frage: Wie stehen eigentlich Christen oder die Kirche dazu?
Darf man als Christ, der den eigenen Glauben wirklich ernst nimmt, bei so etwas überhaupt mitmachen? Verträgt sich das: Christsein und ausgelassenes Fröhlichsein? Oder müssen wir ernst bleiben und und jederzeit auf das Wiederkommen Christi vorbereiten?

In unserer Region kochte das nun wieder hoch durch einen Leserbrief, der den Faschings-Gottesdienst in einer Gemeinde auf das Schärfste kritisierte. „Narren leugnen bzw. lästern Gott“, so zitiert er die Bibel. Und tatsächlich: Das steht da. Zum Beispiel Psalm 14,1: Die Toren sprechen in ihrem Herzen: »Es ist kein Gott.« Sie taugen nichts; ihr Treiben ist ein Gräuel; da ist keiner, der Gutes tut. Oder der vom Leserbriefschreiber ebenfalls zitierte Psalm 74,18: So gedenke doch, HERR, wie der Feind schmäht und ein törichtes Volk deinen Namen lästert.

####LINKS####Ja, genau: Luther übersetzt hier nicht „Narren“, sondern „Toren“. Ein Wort, das wir heute kaum noch verwenden, außer als Adjektiv: „töricht“. Und exakt das meint das hebräische Wort, das hier steht: Wir Gott leugnet, wer seinen Namen lästert, der ist töricht.“ Es heißt nicht: „Jeder, der sich närrisch anzieht, leugnet automatisch Gott.“ Das wäre eine völlige Verdrehung dessen, was hier steht. Das wäre, als würde man aus der Beobachtung „Alle Spatzen sind Vögel“ umgekehrt schließen: „Alle Vögel sind Spatzen“.

Nein, lieber Leserbriefschreiber, so einfach ist das nicht. Wenn ich die Bibel wirklich ernst nehme, kann ich aus diesen Worten keine Verurteilung des (damals meines Wissens eh noch nicht bekannten) Faschingstreibens herauslesen. Vielleicht war es aber doch schon bekannt – schließlich feiern auch die Juden seit langer Zeit das dem Karneval nicht unähnliche Purim-Fest.

Auch der Predigttext, der ausgerechnet am Faschingssonntag alle sechs Jahre vorgeschlagen ist (das nächste Mal 2012), regt manche faschingsabstinente Kolleginnen und Kollegen doch zu sehr, sagen wir, eigenwilligen Auslegungen an:

Amos 5, 21-24
Ich (Gott) bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandopfer und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

Ein wunderschöner Text, finde ich. Ein ganz zentraler Text, der unser Engagement für Gerechtigkeit in der Welt begründet. Gott sagt uns: „Solange ihr euch nicht erfolgreich um Recht und Gerechtigkeit bemüht, braucht ihr überhaupt keine Gottesdienste zu feiern. Ich will das alles gar nicht sehen und hören. Sorgt erst einmal dafür, dass es euren Mitmenschen gut geht!“

Schade, dass es Pfarrerinnen und Pfarrer gibt, die vor lauter Abneigung gegen den Karneval diese so wichtige Botschaft beiseiteschieben und predigen, Gott hätte durch den Mund des Amos den Karneval kritisiert. Ja, das habe ich schon so gehört – das bisher einzige Mal, dass ich kurz davor war, bei der Predigt eines Kollegen aufzustehen und rauszugehen.

Halten wir fest: Aus meiner Sicht können wir die Bibel nicht dafür hernehmen, den Karneval zu verurteilen.

Aber – reicht das, um gleich „dafür“ zu sein? Ist dieses ausgelassene Treiben nicht letztlich viel zu oberflächlich? Wo bleiben da die Tiefen des Lebens? Wo bleiben da die Menschen mit ihrem Leid, ihrer Sündhaftigkeit, ihren Sorgen und Zweifeln? Wo bleibt da Jesus, Gottes Sohn, der für uns einen wahrlich alles andere als spaßigen Tod gestorben ist? Wo bleiben die vielen schweren Erlebnisse in unserem Leben, die Hungertoten, die misshandelten Kinder, die Krebskranken?

Ich finde: Dieser Einwand wiegt viel mehr als die notdürftig auf Karnevalskritik getrimmten und aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelzitate. Müssen wir Christen nicht ein ernsthaftes, tugendhaftes Leben führen?
Ja, müssen wir. Und nein: Müssen wir nicht. Denn wer wirklich ernsthaft davon überzeugt ist: „Jesus Christus hat mich erlöst“ - wie sollte der nicht fröhlich sein? So fröhlich und ausgelassen wie beispielsweise König David, der fast nackt vor der Bundeslade her tanzte und dafür harsche Kritik einstecken musste? (2. Samuel 6, 14ff.)

Wer ernsthaft davon überzeugt ist, dass Jesus Christus ihn erlöst hat, der kann, so glaube ich, gar nicht anders, als dieses Erlöstsein zu leben. Fröhlich zu leben. Ohne Angst vor dem Bösen, das angeblich überall lauert – dieses Böse ist besiegt, ein für allemal. Es hat keine endgültige Macht mehr über uns. Auch, wenn uns schwere Erlebnisse zu Boden drücken: Gott will uns wieder aufrichten. Er macht unseren Blick und unsere Seele weit. Gerichtet auf das Ziel: Das ewige Leben.

Damit wir uns recht verstehen: Ich propagiere hier kein zügelloses Lotterleben. Aber ich glaube wirklich, dass man Christen nicht an einem ernsten, vergrämten Gesichtsausdruck erkennen sollte – sondern an ihrem befreiten und befreienden Lachen. Ob im Gottesdienst, auf der Straße oder in der Faschingssitzung. Wir sollten das wirklich ernst nehmen: Gott macht uns frei. Helau. 

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